Es macht auch kaputt, wenn man nicht erwartet hat, dass etwas zurückkommt, jedenfalls auf Dauer.
Ich will dem Gedankenspiel einmal folgen. Sagen wir, ein Mensch opfert sich völlig für alle auf, die ihm in den Weg kommen. Er steht morgens auf, erledigt den Haushalt für alle, geht außer Haus, räumt Müll weg, der herum liegt, gibt jedem Bettler Geld, kauft für andere ein, geht seiner Arbeit nach - sagen wir - Frisör, kehrt für seine Kollegen die Haare zusammen, lässt Preis nach, wenn er das Gefühl hat, jemand hat nicht so viel Geld, engargiert sich nebenbei bei allen möglichen ehrenamtlichen Projekten, schimpft über niemanden, ist zu allen freundlich, usw.
Macht das kaputt mit der Zeit? Antwort: Es kommt allein auf sein Inneres an. Manche Menschen würden kaputt gehen, wenn sie so lebten. Andere nicht. Ich gehe aber noch weiter und sage, die meisten Menschen würden an einer solchen Lebensweise kaputt gehen, weil die meisten Menschen all diese Handlungen nicht aus Liebe tun
könnten. Ganz recht, sie können nicht. Die Menschen hängen so sehr am Egoismus, dass sie es gar nicht schaffen, aus Liebe zu geben. Nicht in diesem Ausmaß.
Wenn du z.B. einem Bettler Geld gibst aus Mitleid, oder dem Bewusstsein, dass du irgendwie helfen möchtest, ist das etwas völlig anderes, als ihm aus Liebe Geld zu geben! Das ist etwas völlig anderes. Aber die Menschen verstehen das nicht, weil sie nicht wissen, was es heißt, aus Liebe zu geben. Ich will es ein bisschen anschaulicher machen:
Was würdest du tun, wenn du einen geliebten Menschen betteln siehst. Deine Mutter, dein Kind, deinen geliebten Partner. Irgendein Mensch, den du unheimlich gern hast. Auf der Straße kniend bei Eiseskälte, niemandens Blick würdig. Wie würdest du dich verhalten? Wortlos vorbei gehen, ein paar Euro in den Pappbecher hauen, aus Mitleid und dem Gedanken, damit kann er/sie sich heute ein Brot kaufen? Wohl kaum. Viel eher würdest du hingehen, fragen was los ist, warum er/sie denn bettelt, was denn geschehen ist, und ob du irgendwie helfen kannst. Oder sagen: "Komm mit, ich koch dir was Warmes zu essen, und dann erzähl mir, was vorgefallen ist, dass du hier betteln musst."
So agiert Liebe. Und nicht ein paar Euro in den Becher werfen aus Mitleid und schlechtem Gewissen. Eine solche Tat ist natürlich Kraft raubend, und wenn der ganze Tag voller solcher Taten ist, wird man daran sehr schnell kaputt gehen.
Lass mich noch ein anderes Beispiel geben: Eine Frau hat eine beste Freundin, für die sie alles tut. Sie opfert sich für diese Freundschaft auf. Sogar als einmal ihr eigener Mann zwischen dieser Freundschaft steht, entscheidet sie sich für die Freundin. Doch eines Tages kommt ein Mann in das Leben der Freundin und flutsch, weg ist sie. Sie meldet sich kaum noch, und antwortet nur noch sporadisch auf Nachrichten. Große Enttäuschung, Trauer. Das Gefühl von im Stich gelassen und ausgenutzt worden zu sein. Das Bild von "wenn du zu viel gibst, wirst du nur ausgenutzt" entsteht.
Doch der Fehler war hier niemals, dass zu viel gegeben wurde. Der Fehler ist die Bedingung unter der gegeben wurde. Würde hier wirkliche Liebe zur Freundin bestehen, würde die Freude, dass sie mit einem Mann glücklich ist, alles andere überwiegen. Lass es mich wiederholen: Die Freude, dass sie glücklich ist, würde überwiegen. Doch diese Freude kann sie natürlich nur empfinden, wenn sie ihre Freundin wahrhaft liebt.
In so einer Situation ist es nun ein großer Schritt für manche sich einzugestehen, dass wahre (bedingungslose) Liebe offensichtlich nicht bestanden hat. Es war bedingte Liebe, Liebe verbunden mit Verhaftung an diese Person. Bedingte Liebe kann auch wunderschön und heilend sein, keine Frage, aber sie kann auch enttäuscht werden. Sehr sogar. Denn gerade wenn an Liebe Bedingungen geknüpft werden, und das passiert IMMER, solange eine ausgeprägte Form von Egoismus vorhanden ist, ist der Schmerz enorm, wenn die Bedingungen nicht mehr erfüllt werden.
Zurück zu dem Beispiel des Frisörs, der sein Leben voll anderen widmet. Wenn er all diese Handlungen wirklich aus Liebe unternimmt, dann empfindet er bei all dem große Freude und wird diesem Leben und dem Geben niemals müde werden. Doch tut er es aus anderen Motiven - und sei es nur das Motiv ein besserer Mensch zu sein - wird sein Alltag äußerst anstrengend und kraftraubend sein.
Selbstlos handeln ist dennoch gut, denn es offenbart den schlummernden Egoismus in uns, sobald dieses Handeln anstrengend wird.