Ich kann jetzt nur von mir sprechen; das, was Du beschreibst, erinnert mich an mich damals... aber ich bin mir bewusst, dass es bei Dir auch ganz anders sein kann.
Die Geisteshaltung, die ich damals hatte, ist ganz schön arogant. (nicht, dass ich heute weniger arogant wäre... aber heute weiß ich das zumindest und bin es offener) Ich fühlte mich als "der Gute", und die anderen waren halt weniger sensibel, geistig nicht so reif, moralisch nicht so weit entwickelt wie ich... was weiß ich, was mir da noch so durch den Kopf ging. Ich suhlte mich geradezu im Selbstmitleid. Durch diese Geisteshaltung habe ich das Mobbing geradezu herausgefordert. Ich dachte, ich wäre lieb und nett; ich dachte, ich würde Liebe verbreiten... dabei war ich einfach nur arogant, unnahbar und eben nicht lieb.
Versteh mich nicht falsch: Ich will meine Mitschüler in keinster Weise rechtfertigen. Ich bin heute noch auf die Hauptmobber von damals stinksauer. Aber mir ist bewusst, dass ich meinen Teil dazu beigetragen habe.
Perfekt beschrieben... Das ist wirklich eine Art "Mechanismus", eine Art Abwärtsspirale in die man kommen kann. Rein psychologisch ist das schon erklärbar und recht deutlich, sieht man es "esoterisch/spirituell" wird es umso klarer und die Auswirkungen sind wirklich extrem. Das Prinzip ist immer das Gleiche und beschäftigt wohl so ziemlich jeden Menschen:
Leiden...
die Suche nach der Ursache...
das Erkennen der Ursache (sehr oft in anderen Personen)...
das Ziehen von Rückschlüssen daraus...
Denken, Glauben, Sprechen, Handeln auf der Basis dieser gezogenen Rückschlüsse...
Und schon hat man einen Kreislauf gestartet der nach unten führt. Das große Problem dabei ist, das man sich damit zum Opfer macht und andere zu Tätern, denen man unterworfen ist. Je mehr dann im Leben geschah und geschieht, worunter man leidet und was man mißbilligt, desto mehr will ein Mensch dann auch die Verantwortung dafür wegschieben. Es wird aktiv nach Schuld an anderer Stelle, meist bei anderen Personen, gesucht. Damit zementiert man die eigene Ohnmacht und die Erfahrungen, Opfer von anderen zu sein, werden wie durch "schwarze Magie" ein immer wiederkehrendes Muster.
Das wird solange geschehen, bis man aufhört aus diesen Erfahrungen Rückschlüsse zu ziehen, die das Verurteilen anderer rechtfertigen, und aktiv nach der eigenen Verantwortung zu suchen, ohne Schuld sehen zu wollen. Das kann ein sehr schmerzhafter Prozess sein, weil man nicht umhin kommt, auch die Vergangenheit mit anderen Augen zu sehen, und je nachdem welche Prinzipien moralischer Art man hat, wird man erkennen das man schon immer dagegen verstieß. Allerdings war nie der Verstoß das Problem, sondern das Festhalten an diesen Prinzipien. Sie waren nie positive Kräfte, sondern Mittel zum Zweck, das eigene Selbstbild zu stärken, indem man andere herabsetzt, und sie als weniger moralisch abwertet. Dabei ist es nichts anderes als arrogante Naivität, zu glauben, andere müssten sich an die eigenen Vorstellungen moralischer "Gesetze" halten und man selbst habe mehr als nur eine Meinung unter vielen, die man zur Meßlatte für alle erklärt.
Im Prinzip ist es sehr oft genau das... Das Einfordern bestimmter moralischer Richtlinien von anderen. Das sich jemand, der das tut und glaubt sich richtig zu verhalten, dadurch überlegen fühlt, täuscht ihn extrem darüber hinweg, das er sich damit gleichzeitig anderen unterwirft, die ja nach wie vor die Wahl haben, ob sie danach handeln oder nicht. Nach und nach gibt es nur noch das Gute Gefühl, auf der "richtigen Seite" zu stehen... im Recht zu sein.... moralisch überlegen zu sein... offensichtlich mehr zu wissen...
Es gibt keine schnellere Methode, sich inmitten einer Gemeinschaft zu isolieren. Und das Gefühl getrennt/isoliert/einsam zu sein, ist die Basis allen Leidens, sozusagen das verbindende Element in jeder Art Angst.
Der einzige Weg hinaus führt darüber, das man Verantwortung übernimmt und den vermeintlichen bisherigen Ursachen (anderen Menschen) für eigenes Leid, vergibt. Wobei Vergebung nicht bedeutet, großmütig zu erklären man sehe von nun an über eine bestehende Schuld hinweg. Vergebung ist das Erkennen das nie eine Schuld bestand. Man setzt Ursache und Wirkung wieder an die richtige Stelle und übernimmt vollkommene Verantwortung. Die Überzeugungen, die die Basis für die Urteile sind (oft moralische Prinzipien) müssen dafür nicht abgelegt werden, aber als Meinung und nicht als Wahrheit erkannt werden. Allgemein ist es wichtig, die Verbindung zwischen der eigenen Psyche mit ihren Überzeugungen, Wünschen und Ängsten, und der "äußeren Realität" zu sehen. Wer nicht glaubt, das sie auf diese Weise besteht, kann entweder aktiv nachforschen oder einfach abwarten, bis das Leben ihn überzeugt. Letzteres ist allerdings sehr oft mit Leiden verbunden, gerade dann wenn man sich dem "besseren Wissen" nur deshalb wiedersetzt, um einen Irrtum nicht eingestehen zu müssen. Das ist dann einfach nur eine arrogante Haltung, die offensichtlich nie funktioniert hat.
Um ehrlich zu sein wundert mich persönlich, wie standhaft manche Menschen auf dem beharren, was doch offensichtlich nicht zu Glück und manchmal ganz offensichtlich zu Leiden geführt hat. Es kann doch keinen anderen Maßstab für die Wahrheit geben, als das es "funktionieren" muss. Wenn alles hinterfragt und als vermeintliche Ursache für Leiden angesehen wird, nicht jedoch die eigene Haltung zum Leben... und das obwohl man leidet, vielleicht schon sehr lange, vielleicht schon das ganze Leben... kann ich mir nicht vorstellen, dass jemand das wirklich übersieht. Man muss es ja nicht gleich vollkommen glauben, aber als "Arbeitsgrundlage", als eine Theorie die zu überprüfen wäre, müsste es doch eigentlich jeder anerkennen. Der einzige Grund das nicht zu tun, ist meiner Ansicht nach der Wille das es unwahr sei. Das befürchtete Leiden, resultierend aus dem Eingeständnis schon immer verantwortlich gewesen zu sein, wird offensichtlich als größer angesehen, als das Leid das man immer wieder neu erzeugt, weil man nicht gewillt ist sich zu ändern. Dabei wird wohl übersehen, das es an keiner Stelle um Schuld geht. Auch nicht darum, sich selbst zum Schuldigen zu erklären. Schuld ist Irrtum, resultierend aus einer begrenzten Sicht der Dinge und falschen Rückschlüssen. Warum ist es schwerer einen Irrtum anzuerkennen, aber gleichzeitig das Konzept von Schuld fallen zu lassen, als auf einem Irrtum zu beharren und sich entweder als Opfer oder Schuldigen anzusehen? Letzteres erzeugt doch ganz offensichtlich mehr Leid und wird es weiterhin tun...
VG,
C.