Sprache der Fäuste

Toffifee schrieb:
Wie soll man da nur verstehen, daß der pösi pöse Gesetzgeber diese Art der Kommunikation stark eingeschränkt hat... Nämlich mit den Paragraphen über Körperverletzung (§§ 223-233 StGB)... ;) Entweder können die Richter und Politiker keinen Spaß verstehen oder haben keine Ahnung von Kommunikation...

StGB schrieb:
§233 Wechselseitig begangene Straftaten
Wenn Köperverletzungen [...] mit ersteren auf der Stelle erwiedert werden, so kann das Gericht für beide Angeschuldigte [...] von Strafe absehen.

Das heißt auf Deutsch, wenn Dir einer eine knallt und Du ihm auch, dann muß keiner bestraft werden. Obwohl beide zugehauen haben, hat dann keiner eine Straftat begangen.
Und das könnt ihr den lieben langen Tag machen, solange beide Spaß dran haben und keine ernsten Verletzungen davontragen, ohne daß es gesetzliche Konsequenzen gäbe.

Der Gesetzgeber hat diese Art der handgreiflichen Kommunikation also extra in's Gesetz geschrieben als explizite Ausnahme unter den Körperverletzungsdelikten weil er sie eben schon kennt.

Ganz nebenbei wäre sonst jeder Boxkampf illegal.

Gruß.
 
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Hallo Joseph! :)

Joseph schrieb:
Das heißt auf Deutsch, wenn Dir einer eine knallt und Du ihm auch, dann muß keiner bestraft werden. Obwohl beide zugehauen haben, hat dann keiner eine Straftat begangen.
Muß nicht, kann schon! ;) Ich bin zwar kein Jurist, wäre aber mit solchen pauschalen Behauptungen sehr vorsichtig! Hier kommen noch ganz andere Paragraphen zur Wirkung, nämlich Notwehr, Nothilfe, Nötigung, Notstand, etc. Insgesamt hängt es hier vom Fall ab wie ein Gericht entscheiden würde. Wenn ein Fall vor Gericht verhandelt wird, dann hat in der Regel das "Opfer" oder der Staat Anzeige erstattet.

Joseph schrieb:
Und das könnt ihr den lieben langen Tag machen, solange beide Spaß dran haben und keine ernsten Verletzungen davontragen, ohne daß es gesetzliche Konsequenzen gäbe.
Keine ernsthaften Verletzungen? Wo mittlerweile jeder ins Fitness-Center rennt oder noch agressivere Kampfsportarten/Kampfkünste betreibt, um einen Gegner noch schneller auszuschalten... Was passiert, wenn du deinen Gegner schlägst und dieser steht nicht mehr auf? Oder aber dein Gegner trägt bleibende Schäden davon? (Nervenverletzungen, Entstellung, etc....) Da hört der Spaß ganz schnell auf! A propos Spaß... Was passiert, wenn aus einer harmlosen, spaßigen Schlägerei blutiger Ernst wird, weil einer "Rot" sieht und Waffen ins Spiel kommen?

Das Leben ist kein Action-Film, wo der Protagonist gegen hunderte Gegner kämpfen muß, ohne natürlich selbst schwer verletzt zu werden oder sich jemals einer Gerichtsbarkeit zu stellen.

Joseph schrieb:
Ganz nebenbei wäre sonst jeder Boxkampf illegal.
Boxkämpfe und Kampfsportarten sind hier ein Sonderfall im Sinne des Sports. Es gibt Ringrichter, Ärzte, Sanitäter, Zuschauer, Betreuer, beide Sportler halten sich an bestimmte Kampfregeln, Pausen, Punkte, Getränke, etc. Kampfsport ist stark reglemtiert und ritualisiert. Ein Ring ist keine rechtsfreie Zone! Auch hier gibt es Grenzen, wieweit ein Sportler gehen darf.

Aber in diesem Thread geht es nicht um Sport, sondern um...

Elias schrieb:
Mich würde mal interessieren, wie Ihr zu handgreiflichen Auseinandersetzungen als Option für das Lösen zwischenmenschlicher Konflikte steht.
Handgreifliche Auseinandersetzungen sind keine Option für das Lösen zwischenmenschlicher Konflikte! Leben bedeutet für sich und andere Verantwortung zu übernehmen.

Liebe Grüße :kiss4:
Toffifee
 
Hi Toffifee,

Toffifee schrieb:
… Wo mittlerweile jeder ins Fitness-Center rennt oder noch agressivere Kampfsportarten/Kampfkünste betreibt, um einen Gegner noch schneller auszuschalten …
Nachdem du auf den Aikido-Link verwiesen hast, muss ich mich da doch etwas wundern …
Obwohl – genau genommen war es ja ein Link zu einem Aikido-BUCH, oder?
Hast du das Buch gelesen und zu Hause im Sessel das Wesen des Aikido begriffen oder übst du diese Kunst auch tatsächlich aus? ;–)
Ich kenne dich ja nicht.

Meines Wissens nach sind die Kampfsportarten ganz unbedingt von den Kampfkünsten zu trennen.
Eine Gemeinsamkeit gibt es allerdings: Es geht um den Körper.
Deswegen finde ich deine Aussage so lustig:
Toffifee schrieb:
… anstatt ein Dojo zu besuchen, kann man auch mal ein Buch über Gewaltprävention in die Hand nehmen.
Der haut´s echt raus :–)
Natürlich kann man so ein Buch in die Hand nehmen. Nur ist das etwas völlig anderes.

Abgesehen davon: Es gibt einerseits die Möglichkeit, sich an einem Sandsack abzureagieren, sich dabei meinetwegen den blöden Chef vorzustellen und seinen ganzen so genannten "angestauten" Aggressionen freien Lauf zu lassen – bis zur Erschöpfung. Für einen Ausgleich sorgt das aber nicht, sondern ist eher ein ständiges Hoch und Tief.

So weit ich weiß, geht es aber in der Kampfkunst um die Harmonisierung der Körperenergien und man versucht, die Spannungen der Aggressionen zu lösen, beziehungsweise sie als Technik einzusetzen. Es ist also das Ziel, sich auszugleichen und interne Konfliktsituationen zu regeln. Es geht nicht darum, unzählige von Techniken zu lernen, die sowieso nur unter Trainingsverhältnissen funktionieren. Ich denke, es geht um ein weitaus tieferes Verständnis für den Körper, und auch nur der Körper kann dies begreifen. Dieses Verständnis bekommst du nicht, wenn du aus Frust auf einen Sandsack haust. Ebenso wenig hilft es dir, ein Buch darüber zu lesen.
Die Basis all dieser schönen Gedichten alter Schwertmeister ist der Körper.

Wir müssen hier ja nicht über so viele verschiedene Kampfkunst-Stile (Dialekte?) reden und die ganze Kulisse nach Asien verschieben. Es geht grundsätzlich um die Harmonisierung von Körper und Geist. Und ohne Körper geht das einfach nicht. Moralisch interpretierte Weisheiten helfen hier nicht weiter, denn es geht um das Hier und Jetzt deines Körpers und um seine Art von Sprache und Verständnis (im Falle einer Konfliktsituation).

Liebe Grüße
von Elias
 
Hallo Elias,

Ich teile Deine Meinung in Betracht auf Herstellung der Hamonie.
Künstler wäre in diesem Zusammenhang auch die treffendere Bezeichnung als Sportler oder sogar Schläger.
Von diesen Künstlern wird man auch selten, wenn garnicht zum "Kampf herausgefordert".

Die Kunst zu ermessen, wann, wo, wie eingesetzt stellt für mich den Unterschied zum Sport oder dem "stärker als" dar.
Dennoch ist der Zweck einer Kampfkunst , wenn auch nur ursprünglich, immer noch der Kampf.

lg
 
intrabilis schrieb:
Die Kunst zu ermessen, wann, wo, wie eingesetzt stellt für mich den Unterschied zum Sport oder dem "stärker als" dar.
Dennoch ist der Zweck einer Kampfkunst , wenn auch nur ursprünglich, immer noch der Kampf.

Hallo Intrabilis,

Das ist richtig. Doch bei näherem Nachdenken stellt sich mir die Frage:
Wann beginnt dieser Kampf? In welcher Form gestaltet er sich?
Und kann es sein, dass Körper auf relativ komplexe Art miteinander kommunizieren, ohne dass das Gehirn daran bewusst teilnimmt?

Es wird ja oft von Aggressoren gesprochen, die sich scheinbar irgend jemanden suchen, um ihn aus Frust zu verprügeln.
Das "Opfer" hatte ihn womöglich nicht einmal bemerkt und stand dem "Angreifer" vielleicht auch nicht einmal im Wege.
Trotzdem wurde er ausgewählt und zusammengeschlagen. Anschließend sagt das "Opfer", es hätte nicht im Geringsten provoziert und sei absolut unschuldig. Warum aber blieben die Augen des "Angreifers" auf genau diesem Menschen ruhen?
Nun gibt es in einer solchen Situation sehr viele chaotische Faktoren, die es erschweren, eine präzise Aussage über den Grund zu machen aber erklärt man da nicht etwas zu schnell mit Begriffen wie Zufall / Schicksal / Pech …?
Liegt es hier nicht nahe, die Sprache des Körpers mit einzubeziehen?

Hätte eine Konfliktsituation womöglich gelöst werden können, wenn wenigstens einer der Beteiligten etwas mehr von den Worten verstanden hätte, die sein eigener Körper, vom Geiste unbeobachtet, in die große weite Welt schreit? Gibt es nicht auch Formen von körperlichen Auseinandersetzungen bzw. Kämpfen, die ohne Schlägerei stattfinden? Findet dies nicht sogar sehr häufig statt? Wenn es zu keiner handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen unserem Schwertmeister und einem angetrunkenen Aggressor kommt, heißt das nicht unbedingt, dass der Schwertmeister nicht gekämpft hat.

Liebe Grüße
von Elias
 
Hi Elias,

Dem kann ich nicht widersprechen.
Allein schon in der Wahrnehmung der Körpersprache (wenn ein bisserl bewusst) kann "Opfer" einen "Aggressor" erkennen und eine Provokation vermeiden, oder einer Solchen ausweichen.

lg
 
Ein sehr schöner Thread Elias, muss ich ja sagen.
Und ein Paradebeispiel dafür, wie schnell vom Ursprung abgedriftet wird:

Ganz oben sagst du noch:

Es geht mir hierbei auch nicht um:
– Machtmissbrauch gegenüber Schwächeren (deshalb nicht vergleichbar mit dem Thread "Wurde geschlagen"!!!),
– Unterdrückung
– Stolz
– Ego
– Gewinnen
– Verlieren



Und genau bei diesen Punkten landet die gesamte Diskussion. Nicht zu vergessen die liebe Moral, welche sich da strahlend über Alledem ausbreitet. Erstaunlich!

Körperliche Auseinandersetzung ist so vieles mehr als eine konventionelle Schlägerei, welche hier ganz offensichtlich stark verpönt wird. Aber das hatten wir doch jetzt schon zu Genüge!!!

Jeder Körper hat sich jeden Tag mit vielerlei Dingen auseinanderzusetzen.
Viele Situationen, viele Menschen …
Und selbstverständlich kommuniziert er dabei ohne Unterlass.
In einem verkopften Volk, welches den Geist meist immer noch über den Körper stellt, fällt das nur kaum jemandem auf.
Hier gilt: Kommunikation=Sprache, Sprache kommt aus Kopf raus, In Kopf ist Geist drin, ergo: Mein Körper kommuniziert nicht.

Fiktive Situation:
Ich spazierte durch Paris, sehe den Eiffelturm und steige drauf. Oben angekommen kommt mir das große Kotzen, meine Beine schlottern, mir ist schwindelig … Das ganze Programm! Von nun an brauche ich mir nur noch vorzustellen auf dem blöden Turm zu stehen und schon wird mir ganz anders. Wo? Im Körper! Warum? Weil er sich erinnert! Alle meine Zellen erinnern sich an die erlebte Situation und erzählen mir noch mal davon.
Sieh an! Er spricht mit mir. Höre ich ihm zu und ziehe ich als Konsequenz daraus nicht mehr auf den Eiffelturm zu steigen hat eine körperliche Auseinandersetzung gewissermaßen einen Konflikt gelöst.

Das alles läßt sich auch ganz wunderbar auf zwischenmenschliche Konflikte übertragen. Ganz einfach, weil mein Körper im Laufe der Jahre schon viele Erfahrungen gemacht hat und sich vieles, vieles merkt.

Warum stößt mich der Typ auf der anderen Straßenseite so ab? Aber die Oma neben mir in der Bushaltestelle erscheint mir ganz o.k.? Ist es, weil unsere Körper erkennen, dass unsere Chemie ähnlich bzw. unterschiedlich aufgebaut ist? Wohl schon, denn gesprochen habe ich mit den beiden noch nicht.

Zwei Körper, die viel Zeit miteinander verbringen, gleichen sich sogar schnell einander an. Hunger kommt immer öfter zur selben Zeit auf. Der Streit ums Klo kommt auf, weil man plötzlich gleichzeitig muss. Der Zeitpunkt wann die Menstruation einsetzt ist bei vielen Freundinnen der Selbe …

Als Grundlage zur Diskussion über die Lösung von Konflikten durch körperliche Auseinandersetzung sollten diese körperlichen Fähigkeiten in Betracht gezogen werden. Denn wie gesagt ich denke in diesem Thread geht es letzten Endes um ganz andere Dinge als "Gewalt", was auch immer das sein mag.

Wenn ich mich da täusche tuts mir leid Elias. Ich stimme jedenfalls mit dir überein.

Liebe Grüße … Exodus
 
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Sorry!

Ich vergaß zu ewähnen, dass es natürlich von großem Vorteil ist diese Sprache des Körpers auch zu verstehen. Zunächst die des Eigenen. Wenn man irgendwann verstehen, was er einem so erzählt, kann man ihn ja selbst mal sprechen lassen. Treibt man es ein bisschen weiter, versteht man auch fremde Körper ganz gut. Und dann kann es einem auch gelingen zu hören wie in einem fremden Körper der Befehl zum Ausführen eines Schlages gegeben wird, bevor der Besitzer es selber hört … Über die Vorteile, die man dadurch gewinnt lässt sich nur bedingt streiten.

Problematisch wird es, wenn die einen Dialekt sprechen …
 
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