Oh Mann habt ihr viel geschrieben. Ich mußte erstmal alles nachlesen, da ich gestern beim Zahnarzt einen Zahn lassen mußte, und damit hatte ich gestern abend noch ordentlich zu tun (Schmerz - nach Bedauern verlang *gggg*). Na heute ist es soweit gut, nur die Backe ist ein wenig dick und morgen kräht kein Hahn mehr danach. So...das war jetzt ein wenig off-topic.
So, während des lesens hat mein Hirn auch mitgearbeitet und ich spiel jetzt einfach mal etwas durch. Da fielen immer wieder Wörter wie Sünde, Schuld, Büßen, Opfer, Täter, bezahlen etc.
Wie wir (hm...mehr oder weniger) wissen, sind wir eingebunden in etwas Großes Ganzes. Wir sind ein Teil dessen und ich vergleiche das oft mit einer Maschine oder mit den Zellen und Organen im Körper, die alles in allem ein Ganzes ergeben, nämlich einen lebenden Menschen. Was nun, wenn es Gut und Böse gar nicht wirklich gibt? Wenn das nur eine Realität aus unserer Sicht ist, die wir praktisch im Tal stehen und nicht über den Berg hinweg sehen können? Was nun, wenn alles - egal was - einfach nur Erfahrungen sind, die wir hier - und zwar jeder - machen? Was nun, wenn heftige Erfahrungen gar kein abbüßen für etwas ist?
Dazu mal wieder ein praktisches Beispiel (ihr habt ja vielleicht nun mitbekommen, daß ich immer gerne Beispiele zum veranschaulichen aufführe):
Vor vielen Jahren, es war kurz nach der Trennung aus erster Ehe, wurde mir eine Familienpsychologin empfohlen. Diese Dame war aber gerade mit der Ausbildung fertig, hatte selbst noch keine Kinder und bis dato ein normales Leben geführt ohne tiefgehendere Erfahrungen. Die Dame konnte sich überhaupt nicht in das einfühlen, was uns (meinen Kindern und mir) Schwierigkeiten machte.
Etwas später kam meine älteste Tochter in eine Spieltherapie. Die Therapeutin war in reiferem Alter und selbst auch schon ein bewegtes Leben zu verbuchen. Bei ihr hatte ich das Gefühl, daß mein Kind und ich gut aufgehoben sind. Sie führte uns und wir beide entwickelten uns dadurch weiter. Sie nahm Stück für Stück die Steine aus unserem "Rucksack".
Was ich damit sagen will: Man kann nicht unbedingt (ich sage jetzt nicht grundsätzlich, denn das kann ich nicht beurteilen) etwas nachfühlen, wenn man das nicht selbst erlebt hat. Möglicherweise hat man nun in dem einen Leben selbst Schändung erlebt, um in einem anderen Leben Menschen zu helfen, die diese Erfahrungen gemacht haben. Möglicherweise muß wenigstens ein Leben dazwischen liegen, daß man Zeit hatte, das aufzuarbeiten, denn ich denke, auch in der "Drübenwelt" sitzt man nicht untätig rum und arbeitet weiter an sich.
Ich denke auch, daß das eigentliche Ziel ist, universelle Liebe zu lernen und Mitgefühl (nicht Mitleid) zu entwickeln. Ich glaube, daß Mitgefühl etwas ist, womit man andere Seelen verstehen kann, aber man zieht sich nicht deren Schuh an. Mitleid zieht in die Geschichten mit hinein, aber Mitgefühl bewahrt einen neutralen Standpunkt.
Wir alle stehen in manchen Situationen im Tal und können keinen Überblick bekommen. Erklimmt man aber den Berg, dann steht man oben und kann alles übersehen. Ich denke, das ist es, was Stephan meint, mit sich öffnen - die Dinge von oben zu sehen. Ich hab das in gewisser Weise oft gemacht, wenn ich mein Leben nicht mehr überschauen konnte. Und später habe ich es auch in anderer Weise getan. Ich bin jemand, die immer alles verstehen will. Aber um verstehen zu können, muß ich offen sein für Anregungen und Ideen und versuchen die Dinge weitläufiger zu beleuchten.
Es hilft tatsächlich nicht, mit Opfern zu leiden. Dadurch bremst man sie aus. Ich sprech jetzt absichtlich nicht von bestimmten Opfersituationen. Bemitleiden heißt, man nimmt ihnen gewissermaßen einen Teil ab. Aber im Grunde muß jeder sein Päckchen selbst tragen.
Wenn im Bekanntenkreis jemand stirbt, weiß dann einer von euch tröstende Worte? Man kann in dem Moment nicht wirklich trösten, aber man kann "da sein". Mitgefühl mag nicht sofort wirken, aber irgendwann kommt es zum tragen.
Ich denke, so ist es bei allen, die sich als Opfer fühlen. Man kann zuhören und verstehen, aber wirklich helfen können sich die betreffenden nur selbst, indem sie bereit sind, weiter zu gehen.
Ich hab da mal von einer Geschichte gehört, die mich tief berührt hat. Es geschah wohl in Italien. Eine Frau wurde vergewaltigt. Den Täter hatte man gefaßt und er büßte eine Gefängnisstrafe dafür ab. Die Frau wurde irgendwann sehr krank und auf dem Sterbebett verzieh sie dem Täter. Dieser hörte davon und war sehr erschüttert, was dazu führte, daß er sein Leben und seine Ansichten total änderte.
(Christoph, du kannst da bestimmt besser ausführen, was passierte)
Ich denke, daß Mitgefühl und Vergebung die Energien ändert in heilende Energien. Aber ich kann auch von mir selbst nicht sagen, wie ich mit so harten Situationen umgehen könnte. Ich weiß nur, daß ich in einer Sache mir selbst, der beteiligten Person und auch der Situation vergeben habe und seitdem hat sich die Beziehung mit dieser Person enorm entspannt. Ich will darüber hier nicht sagen, nur soviel, daß es in dieser Situation auch ziemlich zum Äußersten kam. Die Veränderung der Situation jetzt war eine starke Erfahrung.
Hier im Forum in diesen Diskussionen stecken wir immer viel in der Theorie. Was wäre wenn, wie würde man reagieren, was würde man tun... etc. Aber im Grunde sind es offenbar keine eigenen Erfahrungswerte (soweit man das einsehen kann.)
Ich laß das jetzt mal so stehen.
Alles Liebe
SilverWillow