Nein, ein Wissenschaftler weiß gewisslich auch nicht alles, aber vermutlich möchten sich viele wissenschaftlich aktive Menschen nicht einfach auf etwas verlassen, für das keine ausreichenden Evidenzen vorliegen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Gesundheit und ggf. das Leben eines Menschen betroffen ist. Gerade Krebsleidenden fehlt nicht selten die Zeit, um erst einmal alle möglichen Therapievorschläge, die man auf dem alternativmedizinischen Markt so vorfindet, auszuprobieren. Und ich persönlich halte es für fatal, wenn sich sich eine Person zuungunsten einer konventionellen Krebstherapie für eine komplementärmedizinische Therapiemethode entscheidet, vor allem, wenn deren Unbedenklichkeit noch nicht einmal erschöpfend belegt wurde.
Da bin ich völlig bei dir. Wenn keine Zeit mehr ist, dann ist natürlich in jedem Fall eine konventionelle Therapie vorzuziehen. Es muß aber auch klar sein, dass es in diesem Bereich eben Therapieformen gibt, die das Immunsystem und die Selbstheilungskräfte derart schädigen, dass eine Selbstheilung nicht mehr möglich ist.
Aber sehr viele Krebsarten haben einen langsamen Verlauf, bei dem man sehr wohl alternative Methoden ausprobieren kann.
Andere Krankheiten, wie z.B. Morbus Crohn werden von der Schulmedizin als "unheilbar" klassifiziert, obwohl es im alternativen Bereich sehr wohl Methoden gibt, die Heilung versprechen. Diese dann in eine Beratung aus reiner Arroganz und Abgrenzung nicht einzubeziehen ist - zumindest meiner Meinung nach - grob menschenverachtend.
Einzelerfahrungen stellen in der Tat keine hinreichende Evidenz dar, weil man in den meisten Fällen nicht einmal den kausalen Zusammenhang zwischen alternativmedizinischer Behandlung und der Genesung nachvollziehen kann.
Das sehe ich nicht ganz so. Wenn Menschen, die bereits von der Medizin in einem jahrelangen Leidensprozess als unheilbar eingestuft wurden, plötzlich innerhalb von Monaten genesen, dass wäre das für mich schon ein Punkt, wo man vielleicht hinschauen sollte (mehr sage ich ja mal gar nicht). Und wenn das sogar reproduzierbar mit mehreren Menschen hintereinander möglich ist, dann sollte man sich doch mal etwas dazu überlegen.
Und hier liegt wahrscheinlich auch keine "Schuld" bei einem behandelnden Arzt (außer, s.o., wenn Behandlungsformen vorenthalten werden). Es ist klar, dass ein Arzt nur erlerntes umsetzt und nur mit dem arbeiten kann, was ihm die Pharma zur Verfügung stellt. Nur ganz wenige Ärzte haben wirklich die Möglichkeit zur Forschung, oder selbst nur den Mut selber Medikamente nach eigener Mischung herstellen zu lassen.
Aber leider ist das medizinische System heute eben derart von Abgrenzung und natürlich auch Sicherheitsdenken aus rechtlichen Aspekten getrieben, dass alternative Techniken für jeden Arzt ein Risiko darstellen ... und daran muß einfach gearbeitet werden.
Etwas Analoges finden wir meines Erachtens bei statistischen Erhebungen, wie sie beispielsweise in der Epidemiologie anzutreffen sind: Hier wird lediglich eine Korrelation/Assoziation beschrieben, aber keine Kausalität ermittelt. Das heißt auf den Einzelfall übertragen: Meine Nachbarin erkrankt an einem grippalen Infekt, nimmt deswegen eine homöopathische Essenz ein und fühlt sich im Anschluss subjektiv besser. Einige Tage später klingt ihre Symptomatik ab. Ein etwas unkritischer Geist würde vermutlich schlussfolgern: "Ja, das homöopathische Präparat hat nicht nur die Symptome reduziert, sondern mich darüber hinaus noch von meiner Erkältungskrankheit kuriert." In Wahrheit war es natürlich das körpereigene Immunsystem, das schließlich die Oberhand gewonnen hat, aber suggeriert wurde dem Erkrankten, die homöopathische Arznei sei therapeutisch oder mindestens symptomatisch wirksam gewesen. Es wird eine Kausalität vorgetäuscht, die eventuell (in diesem Falle sogar höchstwahrscheinlich) gar nicht existent ist, zumal man auch hier nicht den Placebo-Effekt außer Acht lassen darf: Sofern man an die positiven Effekte eines Medikaments glaubt, findet man zur Ruhe, fühlt sich innerlich sicher, kommt man zur Entspannung. Aufgrund einer dadurch bedingten Aktivierung des Parasympathikus' kann der Organismus möglicherweise auch in die Lage versetzt werden, tatsächlich eine bessere Regenerationsarbeit leisten. Das ist aber ausschließlich auf die positive Erwartungshaltung des Betroffenen zurückzuführen, mitnichten auf die angenommene Wirksamkeit des homöopathischen Medikaments.
Du hast natürlich mit deinen Aussagen zum Placeboeffekt recht. Was den Vorgang bei dem homöopathischen Präparat betrifft, so kann man das Gleiche natürlich auch für jedes apothekenpflichtige Grippemittel ansetzten. Und meist auch für die meisten Mittel, die von Ärzten verschrieben werden. Was Symptombeeinflussung bzw. -linderung betrifft, bietet die Volksmedizin ja genügend Hausmittel.
In placebokontrollierten, randomisierten, klinischen Studien muss daher mit enormer Präzision und Sorgfalt analysiert werden, ob eine Substanz/ein Präparat/eine Methode entsprechende Behandlungserfolge erzielt oder nicht. Das würde ich als medizinische Beweisführung bezeichnen, woran doch nichts Verwerfliches auszumachen ist, oder? Welche Einwände magst Du gegen hohe Sicherheitsstandards hervorbringen?
Ich habe nichts gegen hohe Sicherheitsstandards - ganz im Gegenteil, ich schließe mich hier vollinhaltlich dem Gesetzgeber an, dass Medizin und Pharma hier genau auf die Finger geschaut werden muss. Nur passiert genau das eben nicht, oder nicht mit ausreichender Sicherheit. Aber das ist ein anderes Thema, das wir eh gerade erst diskutiert haben.
Ich möchte das Thema mal mit einem ganz alltäglichen Fall vergleichen. Ich will einen Nagel in eine Wand einschlagen. Der Fachmann wird kommen, seinen hübschen Hammer auspacken, und damit den Nagel fachgerecht einschlagen. Die Hausfrau (man möge mir den Sexismus verzeihen) wird ihren Holzschlapfen nehmen, und so lange auf den Nagel hauen bis er drinnen ist. Endeffekt ist der gleiche - der Nagel ist drinnen. Unterschied ... der Fachmann hat tolles teures Werkzeug, die Hausfrau hat was genommen was da ist, vielleicht nicht ganz so toll funktioniert, aber letztendlich zum gleichen Ergebnis führt.
Ähnlich ist es bei den Studien zu sehen. Die Medizin macht tolle Studien, die im wesentlichen ja nur formalisiert Vorgehensweisen abbilden, die jeder vernünftige Mensch sowieso machen würde, um sich einen klaren Beweis zu holen. Das hat vor allem Sinn um eine Weitergabe zu ermöglichen, und um von Vorneherein hauptsächlich mal für den Behandler das Vertrauen in eine unheimlich komplexe Technik herzustellen.
Anders, aber ähnlich in der Esoterik. Hier wurde ja auch teilweise über Jahrhunderte hinweg erprobt und dokumentiert. Nur ist natürlich relativ wenig schriftlich dokumentiert und nachvollziehbar gestaltet. Das Nachvollziehen erfolgt in der Esoterik durch Lernen und Mentoring, und das erleben der Wirkung am Klienten (ein Vorgehen das der Medizin ja auch nicht ganz fremd ist). Von der Esoterik werden hier - ähnlich wie von einem Arzt - letztendlich vorgefertigte Techniken übernommen und ausgeführt. Natürlich kann man im Sinne moderner Studien der Esoterik vorwerfen, dass sie keine Placebostudien macht ... nur, ist das tatsächlich wichtig? Oder ist nicht der Erfolg beim Patienten wichtiger?
Es gilt für den erwachsenen, mündigen Menschen das Eigenverantwortlichkeitsprinzip. Das heißt, Du darfst Dich selbstverständlich therapieren lassen, wie es Dir beliebt. Ich habe den Thread auch keineswegs eröffnet, um Dir etwas vorzuschreiben oder abzusprechen. Wir diskutieren hier lediglich; es ist immerhin ein Diskussionsforum.
Das würde ich mir auch nicht absprechen lassen (mir wäre auch kein entsprechender Vorwurf in diesem Thread aufgefallen). Aber da ich im Moment auch mehr mit der Medizin praktisch zu tun habe, sehe ich auch, was hier an Mist passiert, wo hier gegen den Menschen gearbeitet wird, wie die Qualität von Ärzten tatsächlich ist. Und ganz ehrlich - so weit von Esoterik ist das nicht weg .... Evidenzbasiert ist davon kaum was.