in entwicklungstheoretischer Hinsicht kann diese Analogie ganz interessant sein, da gebe ich dir Recht. Sie kann aber in Bezug auf die Deutungspraxis sehr stark in die Irre führen.
Mir liegt daran, erst einmal ein mögliches Missverständnis auszuräumen: dass nämlich Zeichen, Häuser und Planeten gleichgesetzt würden. Mir fällt überhaupt keine astrologische "Schule" ein, in der das der Fall wäre. Es wird dann oft aber so getan - und bei manchen habe ich den Eindruck, dass das durchaus auch in manipulativer Absicht geschieht - als würde die "moderne" Astrologie von genau solchen Gleichsetzungen getragen.
Worum es hier geht ist die Prämisse, dass der Tierkreis und die "innere Logik" der Häusersysteme auch und mit Gewinn für entsprechende (!) Deutungspraktiken als psycho-logische Entwicklungskreise betrachtet werden können, die im gleichen astrologischen Basisvorrat an Symbolen wurzeln, der wiederum auch in den Planeten seine Entsprechungen findet. Dass Zeichen, Häuser und Planeten funktional ganz unterschiedlich gelagert sind, ist doch eh unbestritten. Insofern ist der Rückgriff auf die historischen "Kirchenväter" der Astrologie auch überhaupt kein Einwand gegen die "modernen" Konstrukte ... das wäre er nur dann, wenn die behauptete Gleichsetzung von Häusern, Zeichen und Planeten tatsächlich stattfände. Ist aber - soweit ich das überblicke - nicht der Fall. Kann aber sein, dass das irgendjemand - mich nicht ausgeschlossen - das gelegentlich schlampert formuliert.
Was "die Deutungspraxis" anlangt, so stelle ich in Abrede, dass es "die Deutungspraxis" überhaupt gibt. Deutungspraxis beruht auf theoretischen Grundlagen einerseits und Empirie andererseits, und wenn eine Theorie von symbolischen Verwandtschaften (!) von Zeichen, Häusern und Planeten ausgeht und daraus eine Praxis entwickelt, die zu nützlichen und innerhalb ihrer Fokussierung stimmigen Ergebnissen führt, dann ist das einfach eine mögliche Deutungspraxis unter mehreren. Ich räume freilich ein, dass es in der Deutungspraxis der klassischen Astrologie in die Irre führen wird, von den genannten symbolischen Verwandtschaften auszugehen. Das ist kein Argument gegen die eine oder gegen die andere Deutungspraxis, so wenig wie es ein Argument gegen das Prinzip Auto wäre, dass ein Benzinmotor mit Diesel nicht läuft.
Jemand mit einem gut besetzten 1. Haus wird dadurch aber nicht automatisch widderhafter oder marsischer bzw. durchsetzungsfähiger, egoistischer oder aggressiver; oder jemand mit gut besetztem 4. Haus wird dadurch nicht unbedingt sensibler, gefühlvoller oder fürsorglicher - aber solche oder ähnliche Deutungsansätze findet man in der modernen Literatur aufgrund der Zeichen-Haus-Analogie.
So undifferenziert wird das bei einem halbwegs ernst zu nehmenden Autor ja wohl auch kaum zu finden sein. Das von Dir zitierte 1. Haus steht immer auch in einem ganz bestimmten Zeichen - das Widderhafte des 1. Hauses ist in seiner Funktion zu finden, in seiner Ausrichtung auf den Lebensbereich der impulsiven Durchsetzung, auf die unwillkürlichen, unbedachten Grundimpulse des So-Seins ... und das in der Färbung des jeweiligen Zeichens, das vom 1. Haus angeschnitten wird. Wenn Spitze 1 in Widder läge, könnte die von Dir zitierte Deutungsvariante als Grobannäherung durchgehen, für alle anderen 11 Möglichkeiten nicht. Ein gut besetztes 1. Haus wird aber schon (und unter Berücksichtigung all der Querverbindungen, die durch diese Besetzungen gegeben sind) darauf hindeuten, dass hier jemand im Bereich der spontanen, unwillkürlichen Durchsetzung seiner Eigenart über qualifizierte Kompetenzen verfügt.
Es ging mir aber hauptsächlich darum aufzuzeigen, dass die Behauptung in modernen Astrologiebüchern, die Zeichen und die Häuser hätten die gleiche inhaltliche Bedeutung, nicht den historischen Tatsachen entspricht und von den "Gründern" der Astrologie in dieser Form weder gedacht war noch praktiziert wurde.
Und mir geht es darum aufzuzeigen, dass es eben nicht um "gleiche inhaltliche Bedeutung" geht, sondern um symbolische Verwandtschaften bei ganz unterschiedlichen funktionalen Aspekten. Und dass sich die moderne Astrologie von jener unterscheidet, die die "Gründer" der Astrologie formuliert haben ... na selbstverständlich tut sie das. Da beruf ich mich auf einen Klassiker, auf Heraklid: Panta rhei.
aber der Mensch hat sich in seinem Wesen nicht wirklich geändert und somit haben sich auch die Basis, der Grundstock bzw. die Grundbedeutungen der astrologischen Faktoren nicht wirklich geändert.
Das finde ich nun spannend. Welche Korrelationen zwischen dem "Wesen des Menschen" und der Grundbedeutung der astrologischen Faktoren siehst Du da? Ist das etwas wie psychologische Astrologie schon bei den Altvorderen?
Aber welcher moderne Astrologe kann etwas anfangen mit Namen wie Manilius, Valens, Dorotheus, Abu Ma`shar, Sahl, Masha`allah usw. Diese Autoren und Forscher haben die Grundsteine für die erste individuelle Geburtsastrologie gelegt und viele ihrer Aussagen gelten auch heute noch - man muss sie nur kennen.
Unbestritten. Viele ihrer Aussagen gelten auch heute noch - wobei ich lieber sagen würde, viele ihrer Aussagen sind auch heute noch nützlich zur Erarbeitung von Deutungen; objektive Gültigkeit ist in meiner konstruktivistischen Weltsicht nichts, was ich gelten lasse (klingt paradox, I see... ;-). Aber was sagt der Umstand, dass viele ihrer Aussagen auch heute noch gelten, über andere Aussagen aus, die andere später getroffen haben? Das kann doch allenfalls zum Problem werden, wenn Widersprüche auftreten. Wenn es einfach übernommen und ergänzt werden kann... so what?
Ich finde es allerdings schade, dass wir nun wieder in der Ecke der sattsam bekannten Auseinandersetzung landen und die Diskussion der durchaus interessanten Frage, die eingangs gestellt wurde, mehr und mehr untern Tisch fällt.
Alles Liebe,
Jake