(...) Damit war ein Mitarbeiter des deutschen Inlands-Geheimdienstes während mindestens einem der Morde direkt vor Ort anwesend und anstatt als Zeuge bei der Aufklärung der Tat mitzuwirken, versuchte er sich den Ermittlern zu entziehen und belog diese, als sie ihn aufspürten. Auch für die neue Version hat der Geheimdienstmann offenbar eine Ausrede parat. Warum er sich nicht gemeldet hatte, erklärte er den Ermittlern so: Er habe nichts von den wenige Meter neben ihm abgefeuerten Schüssen gehört, sei einfach gegangen und habe zehn Tage lang keine Nachrichten gehört, schreibt Bild. (4) Wie der Zufall es wollte, war der Mord im Kasseler Internetcafé der letzte der Serie war die Spur Richtung Verfassungsschutz zu heiß geworden?
Der hessische Verfassungsschutz schweigt sich zur Rolle eines seiner Beamten in der Mordserie aus. Zu den Vorwürfen, der Mitarbeiter sei noch zum Zeitpunkt eines der Morde in einem Internetcafé gewesen, wollte sich die Behörde am Dienstagmorgen (15. November) nicht äußern. Wir nehmen dazu keine Stellung, sagte ein Sprecher auf Anfrage. (5)
Die Bild-Zeitung war es auch, die als Erste über die in der ausgebrannten Zwickauer Wohnung gefundenen legalen illegalen Papiere also Ausweisdokumente, die echt sind, aber auf falsche Identitäten ausgestellt wurden berichtete. Den innenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, zitierte das Blatt diesbezüglich: Solche Papiere erhalten im Regelfall nur verdeckte Ermittler, die im Auftrag des Nachrichtendienstes arbeiten und vom Nachrichtendienst geführt werden. Das heißt: die in enger Zusammenarbeit mit dem Nachrichtendienst agieren. (6)
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Chef der Neonazi-Kameradschaft war bis zu seiner Enttarnung als VS-Spitzel im Jahr 2001 Tino Brandt. Seit 1994 arbeitete Brandt für den Thüringer Verfassungsschutz. In den rund sieben Jahren kassierte der Neonazi 200.000 DM aus der Staatskasse, also circa 800 DM wöchentlich. Mit diesem Geld wurde der THS maßgeblich aufgebaut. Die rund 80 Mitglieder umfassende militante Kameradschaft kann somit auch als ein Produkt der Behörde bezeichnet werden, die ihrem Namen nach die Verfassung schützen soll. Brandts Gehaltsstufe lässt darauf schließen, dass er mehr war als nur ein einfacher Zuträger. Die meisten V-Leute in der rechtsextremen Szene können von so einem üppigen Einkommen nur träumen.
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Vor diesem Hintergrund ist es nicht auszuschließen, dass die Unterstützung der rechtsextremen Szene in Thüringen durch den Verfassungsschutz unter Roewers Regie auch als eine Art kameradschaftliche Hilfe zu werten ist. Hinzu kommt ein vor dem Hintergrund der NSU-Morde äußerst brisantes Detail: Roewer führte V-Leute aus der rechtsextremen Szene auf eigene Rechnung, indem er Gelder vom Budget der Behörde abzweigte. Wen er führte, ist bis heute unbekannt. In den vergangenen Tagen gab es jedoch Spekulationen, ob nicht auch die NSU-Mitglieder zu diesen von Roewer persönlich geführten Leuten gehörten. (13)
Der Präsident eines Landes-Verfassungsschutzes heuert auf eigene Rechnung Neonazis an, die jahrelang mordend durchs Land ziehen das klingt schon sehr nach einem Hollywoodfilm. Dieser Eindruck relativiert sich angesichts der Möglichkeit, dass mögliche Unterstützer der NSU aus den Reihen der Geheimdienste nicht zwangsläufig gewusst haben müssen, was die angeworbenen Neonazis so alles treiben.
Solcherlei Spekulationen kann letztlich nur durch eine lückenlose Aufklärung ein Ende bereitet werden. Der Wille zur Aufklärung scheint aber nicht sonderlich groß zu sein, sonst wäre der ehemalige VS-Präsident Roewer bereits wegen des Tatverdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung festgenommen oder zumindest einem Verhör unterzogen worden.
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