Buddha

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Hallo

Eine kleine Anmerkung hätte ich noch an die tibetischen (tantrischen) Buddhisten und an die Zen-Buddhisten, die sich immer so gerne auf Buddha berufen. Nicht zu unrecht, sagen die Theravada-Buddhisten in meinen Augen, dass die Auslegung der Worte Buddhas durch den tibetischen und Zen-Buddhismus eine grobe Verfälschung von Buddhas Lehre darstellen.

Der einzig verläßliche Weg, Buddhas Lehre kennenzulernen, ist die Beschäftigung mit der altbuddhistischen Literatur, in der die Gedanken des großen Meisters niedergelegt sind. Man kann nicht mit Sicherheit sagen, aus welcher Zeit die uns vorliegenden alten Quellen der buddhistischen Literatur stammen. Außer den beiden ersten sogenannten Konzilien im 5. bzw. 4. Jh. v. Chr. in Rajagaha (Rajgir) und Vesali, die es bereits mit Kanonredaktionen (als Kanon gelten Texte, die von einem Konzil verabschiedet wurden) zu tun haben sollten, werden uns noch zwei weitere, zur Festlegung der buddhistischen Texte bestimmte Konzilien genannt, und zwar fand das dritte Konzil im 3. Jh. v. Chr. zur Zeit des buddhistenfreundlichen Königs Asoka (274 bis 234 v. Chr.) in Pataliputta (Patna) unter dem Vorsitz des angesehenen Bhikkhu Tissa Moggaliputta statt, auf welchem Konzil das Wort der Ältesten (Theravada) zu dem uns vorliegenden südbuddhistischen Palikanon endgültig zusammengestellt sein soll, während das vierte Konzil in Kasmir zur Zeit des Königs Kaniska im 1. Jh. n. Chr. tagte, auf welchem Konzil der nordbuddhistische Kanon festgelegt wurde.

Demnach sind zwei Kanons der altbuddhistischen Literatur zu unterscheiden: der südbuddhistische Kanon (Hinayana) und der nordbuddhistische Kanon (Mahayana). Der südbuddhistische Kanon ist in der Palisprache, einem Vetterdialekt des Sanskrit, der nordbuddhistische in Sanskrit, wenn auch einem unreinen, mit Pali-Elementen durchsetzten Sanskrit, geschrieben. Der südbuddhistische Kanon ist uns in erster Linie auf Ceylon erhalten, der nordbuddhistische zunächst in den Himalaya-Ländern, namentlich Nepal und Tibet. Beide Kanons sind aber auch in andere asiatische Länder eingeführt worden: der südbuddhistische Kanon vor allem nach Hinterindien (mit Hinterindien sind die südostasiatischen Halbinseln gemeint, also Länder wie Siam (früher Thailand), Myanmar (früher Burma oder Birma), Vietnam, Malaysia, Laos, Kambodscha), der nordbuddhistische zu den Mongolen, Chinesen und Japanern (Zen). Die Sprache des südbuddhistischen Kanons ist wohl fast überall das Pali geblieben, während der nordbuddhistische Sanskritkanon z. T. in die Sprachen seiner neuen Heimatländer übersetzt worden ist. Wir haben also buddhistische Palitexte, buddhistische Sanskrittexte und Übersetzungen daraus ins Chinesische, Japanische usw.

Übrigens sind die Bezeichnungen "süd- und nordbuddhistisch" für die beiden verschieden ausgerichteten Kanons der buddhistischen Literatur, obwohl sie sich eingebürgert haben, nicht sehr glücklich gewählt. Insbesondere ist der Ausdruck "südbuddhistisch" für den Palikanon nur insofern gerechtfertigt, als dieser Kanon sich bei den Buddhisten von Ceylon, Birma und Siam erhalten hat, während gegen die Bezeichnung "südbuddhistisch" der Umstand spricht, daß die alten, dem Palikanon selbst zugrunde liegenden, Texte keinerlei Beziehung zum Süden gehabt haben, ja, nicht einmal eine Kenntnis Südindiens oder gar Ceylons verraten, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach noch im nördlichen Indien entstanden sind. Erst ein Schüler des Tissa Moggaliputta, Mahinda, der jüngere Bruder (nach einer anderen Überlieferung der Sohn) des Königs Asoka, soll die altbuddhistischen Texte nach Ceylon gebracht haben, und zwar sollen diese Texte zunächst noch mündlich tradiert worden sein bis sie dann allererst unter dem singhalesischen König Vattagamani im 1. Jh. v. Chr. schriftlich aufgezeichnet wurden.

Die beiden Kanons, der südbuddhistische und der nordbuddhistische Kanon, sind nicht ganz gleichwertig. Der südbuddhistische Kanon ist der wesentlich ältere, der Tradition nach, wie gesagt, auf den drei Konzilien, die im 5., 4. und 3. Jh. v. Chr. stattfanden, redigiert, während der nordbuddhistische Kanon als der bedeutend jüngere erst im 1. Jh. n. Chr. zustande kam. Diesem verschiedenen Alter entsprechend, trägt der nordbuddhistische Sanskritkanon auch deutlich sekundäre Züge gegenüber dem südlichen Palikanon, und die in den Sanskritkanon eingestreuten Palismen beweisen, daß auch für diesen Kanon der Palikanon die Grundlage gebildet hat. Es wäre natürlich denkbar, daß der nördliche Kanon außerdem Elemente enthielt, die dem südlichen Kanon fehlten, denn er kann außer den uns erhaltenen Werken des südlichen Kanons noch solche Texte benutzt haben, die wir nicht mehr besitzen, und wenn solche Annahme auch nicht mit den Ansprüchen der südbuddhistischen Tradition (Theravada), die ihren Kanon für allein authentisch hält, im Einklang steht, so braucht die Textkritik sich nicht an derartige Tradition zu binden. Im ganzen ist aber der nördliche Kanon - nicht zuletzt, was die Lehre als solche betrifft - zweifellos weniger ursprünglich als der südliche, und man darf ihn insofern in die zweite Linie rücken. Das Hauptinteresse fordert aus philosophischen, ästhetischen und geschichtlichen Gründen der südbuddhistische Palikanon, der zugleich schlichter und gemäßigter ist als der ausschweifendere und phantastischere nordbuddhistische Kanon, was aber keineswegs ausschließt, daß auch der nordbuddhistische Kanon seine nicht zu verkennende und zu unterschätzende Eigenart und Erhabenheit besitzt. Man unterscheidet die beiden Kanones auch als Hinayana und Mahayana, das kleine und das große Fahrzeug. Der Theravada-Buddhismus beruft sich in erster Linie auf den südbuddhistischen Kanon, der tibetische (tantrische) Buddhismus und der japanische Zen dagegen, berufen sich auf den nordbuddhistischen Kanon.

Alles Liebe. Gerrit
 
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