Briefe dorthin, wo Du jetzt bist... (für Britta † 19. 7. 2016)

Bei uns ist Trauern Schweigen, ... erstaunlich, was aus dir alles kommt da jetzt, @Faydit?! Ich hatte nur mal einen Satz aufgeschrieben und meiner Meinung nach war ein Herz-Zeichen darauf die Antwort. Ansonsten war ich eher viel ruhig dann, ... das ist vllt. bloed, sowas zu schreiben?

Ich glaube,gerade Trauer ist eine sehr individuelle Sache. Jeder geht damit anders um, zumal da sehr viele Faktoren mitspielen können.

Es ist eine Konfrontation mit einer Art von Wahrheit, an der man, ganz egal, was man tut, tun möchte, oder auch nicht tun möchte, nichts ändern kann.

Etwas passiert, auf das man keinen Einfluss hat.
Für denjenigen ist es natürlich auf seine Art schwer, für das Umfeld auf andere.

Bisher ging ich mit meiner eigenen Trauer auch eher sehr still und zurückgezogen um. In diesem Fall ist einfach zu viel ganz Unterscheidliches in sehr kurzer Zeit passiert, hat mich wie eine Lawine überrollt, und einiges davon hier zu deponieren hilft mir ein wenig, dem Ganzen eine Art Struktur zu geben, und mir selbst auch.

Manchmal ist Schreiben eine gute Art von Ventil, man trägt etwas nach Außen, und damit muss man es nicht andauernd in sich selbst mit herumtragen. Das sich Mit-Teilen, etwas anderen mit-zu-teilen schafft in einem selbst Platz dafür, dass sich Dinge, Prozesse verändern können. So lange der Platz besetzt ist, voll ist, kann das schwierig sein.

Zumindest habe ich das inzwischen einige Male so erlebt.
 
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Es ist sehr berührend, Deine Worte zu lesen.
...
...denn ich möchte, dass meine Lieben leben - glücklich - auch ohne mich.

Alles Liebe
Lynn

Hallo Lynn!

Es ist für mich äußerst faszinierend, was Du da geschrieben hast.

Einfach, weil es großteils genau die Sichtweise ist, die Britta auch hatte. Und die aber umgekehrt, aus der anderen Perspektive, ganz anders wirken mag, für das Gegenüber gar nicht so einfach zu akzeptieren sein mag, wie für denjenigen selbst.

In gewisser Weise versuchen beide Seiten, das aus der jeweiligen Perspektive Beste aus der Situation zu machen, und gerade das kann sich da auch ziemlich in die Quere kommen.

Ich denke, dazu werde ich noch etwas umfangreicher antworten.

Erstmal danke!
 
Ich glaube,gerade Trauer ist eine sehr individuelle Sache. Jeder geht damit anders um, zumal da sehr viele Faktoren mitspielen können.

Es ist eine Konfrontation mit einer Art von Wahrheit, an der man, ganz egal, was man tut, tun möchte, oder auch nicht tun möchte, nichts ändern kann.

Etwas passiert, auf das man keinen Einfluss hat.
Für denjenigen ist es natürlich auf seine Art schwer, für das Umfeld auf andere.

Bisher ging ich mit meiner eigenen Trauer auch eher sehr still und zurückgezogen um. In diesem Fall ist einfach zu viel ganz Unterscheidliches in sehr kurzer Zeit passiert, hat mich wie eine Lawine überrollt, und einiges davon hier zu deponieren hilft mir ein wenig, dem Ganzen eine Art Struktur zu geben, und mir selbst auch.

Manchmal ist Schreiben eine gute Art von Ventil, man trägt etwas nach Außen, und damit muss man es nicht andauernd in sich selbst mit herumtragen. Das sich Mit-Teilen, etwas anderen mit-zu-teilen schafft in einem selbst Platz dafür, dass sich Dinge, Prozesse verändern können. So lange der Platz besetzt ist, voll ist, kann das schwierig sein.

Zumindest habe ich das inzwischen einige Male so erlebt.

Ja, nur gut, wenn das dann nicht so ist, dass man eine Bremse braucht, um ueberhaupt erst mal trauern zu koennen. Ich finde Leid nach Aussen tragen vermehrt Leid. Komische Sicht vllt. von mir.
 
Ich finde Leid nach Aussen tragen vermehrt Leid. Komische Sicht vllt. von mir.

Was macht das Leid, das in jemandem drinnen bleibt, nicht raus kann, verdrängt wird, beiseite geschoben, nicht ausagiert wird, somit unerledigt eigefroren wird, also sozusagen traumatisch bleibt?
Zunächst einmal wirkt es einiges betreffend üblicherweise blockierend für denjenigen selbst. Und das, ohne das das Thema erledigt wird, für ziemlich lange. Passiert das nicht, kann es ebenso psychischen wie auch in Folge physischen Schaden anrichten, also denjenigen auf die eine oder andere Art krank machen.
Was ja in unserer Gesellschaft auch andauernd so passiert. Mit 50 ist man dann berufsunfähig, weil man zu viele entweder physische oder psychische Probleme hat,um die man sich nicht rechtzeitig gekümmert hat, oder darum, dass sie gar nicht erst entstanden wären. Und alles nur, weil man sich zu viel hat gefallen lassen, alles brav geschluckt, aber nie erledigt, aufgearbeitet, gelöst hat.

Positives Denken oder Schönreden von Dinge, die nun einmal nicht schön sind, löst keine Probleme, kein Einziges, auch wenn manche Esoteriker das gerne hätten. Es verdrängt sie nur, macht also auch im Endeffekt krank. Lösen kann man Dinge nur, wenn man sich ihnen stellt. In aller Konsequenz. Und das bedeutet zunächst hinsehen, wahrnehmen, erkennen, verstehen, bei sich selbst und bei anderen, oder es zumindest versuchen.
Stimmen bereits die Grundannahmen nicht, stimmen die Resultate garantiert auch nicht!

Allerdings kann ich den Sprung von der Trauer, um die es eigentlich in meiner Antwort ging, zum Leiden nicht so ganz nachvollziehen.

Trauern ist - aus meiner Sicht - die Chance, so wenig wie möglich zu leiden. Es tut zwar weh, aber auch Schmerz und Leid sind zwei Paar Schuhe. Der Schmerz kann sich verwandeln, verändern, etwas kann zu heilen beginnen, was ja auch im Normalfall nötig ist, einfach weil im energetischen Bereich Verbindungen gekappt, zerrissen wurden, die bis dahin existiert haben. Trauen ohne Schmerzen ist aber, denke ich, kaum möglich. Außer, der Andere hat jemandem nichts bedeutet, aber dann ist es ja auch keine wirkliche Trauer, kein Verlust, der verarbeitet werden muss.

Schmerz ist eine direkte Emotion, eine ganz normale Reaktion auf etwas, das eben wehtut. Ob nun physisch oder psychisch. Aber er ist weder gut noch schlecht. Nur ein Signal. Ein Hinweis auf das was eben so ist. Punkt.
Daran zu leiden beginnt man, wenn man nichts oder das Verkehrte dagegen tut. Dann frisst es sich in einen rein, aber es wird deshalb nicht aufhören, etwas zu bewirken, Resultate zu erschaffen, nur eben andere, zunächst scheinbar unsichtbare, und irgendwann womöglich welche, die demjenigen dann nicht so gut gefallen mögen.

Diese dann allerdings noch zu korrigieren, kann vielleicht bereits ziemlich schwierig sein.
 
Das heilt in einem und verpufft. Wie Wunden unter einem Pflaster oder Verband. Legt auch keiner frei, dass andere reinditschen können, versteckt und schützt man eher, bis bisschen Eigenschutz da ist und was abprallen kann wieder. ... Ansonsten wäre viel schreiben vllt. auch Liebe ausdrücken und zeigen wollen.
 
Das heilt in einem und verpufft. Wie Wunden unter einem Pflaster oder Verband.

Schön wär's, tut's aber nicht.

..versteckt und schützt man eher, bis bisschen Eigenschutz da ist und was abprallen kann wieder.

Wenn was abprallen soll oder jemand das für sinnvoll hält, ist das ohnehin bereits längst die verkehrte Richtung. Wenn Du Dir den Mechanismus, der dabei abläuft, genau ansehen würdest, würdst Du sehen, dass nur scheinbar etwas abprallt. Und etwas kommt trotzdem durch. Ist eine Notlösung, aber keine Lösung. Leider aber äußerst beliebt.
Ich bin leider kein Freund diverser "weil es alle machen, kann es ja nicht verkehrt sein"-Konzepte. Im Gegenteil.

Aber ich will da jetzt keinen Psychologie-Thread draus machen, also lasse ich Dir Deine Ansichten.
 
Auch ich habe das ähnlich durchgemacht, am intensivsten beim Tod meines Vaters, an dem ich sehr hing. Da war die Bindung ähnlich eng und widersprüchlich.

Ich hatte in meinem Leben eine Menge widersprüchliche Bindungen. Am problematischesten wohl die zu meinen Eltern, obwohl die eigentlich in dem Sinn keine Bindungen, sondern eher eine Art Fluch waren.

Die Sache zwischen Britta und mir war das genaue Gegenteil, wir waren in so ziemlich allem das totale Dream-Team. Obwohl wir völlig unterschiedlich waren.

Vermutlich machte aber genau das dieses Jahr, die letzten Monate so schwer, eben weil auf einmal so viel ganz anders als bis dahin wurde. Und sich mir natürlich auch die Frage stellte, was war das dann davor, und was ist das jetzt?

Britta stellte sich die Frage so nicht, weil sie dabei von ganz anderen Vorraussetzungen ausging als ich. Für mich waren einige ihrer Entscheidungen ein völliges Infrage-Stellen all dessen was wir davor hatten, und alleine das zu klären, dorthin zu stellen, wohin es eigentlich gehörte, war nicht so einfach. Wenn Emotionen mit im Spiel sind, sehr tiefgehende, ohnehin.

Ein naher Anverwandter ist derzeit sehr krank und macht ähnlich schwierige Phasen durch, was mitunter auch sehr quälend für die Angehörigen ist, wie ich tagtäglich miterlebe als Bezugsperson.

So etwas ist nie einfach, und es betrifft eben nicht nur die betreffende Person selbst, sondern zumindest auch das nähere Umfeld. Es kann auf beiden Seiten eine Menge verändern und an Grenzen führen.

Wie Du Britta beschreibst in ihren schwierigen Phasen, kann ich gut nachvollziehen - aus Deiner eigenen Sicht, aber auch aus ihrer Sicht. Ich würde in einer solchen Situation wohl auch andere Wege gehen und vor allem würde ich mich stark zurückziehen, um meine Kräfte für den täglichen Lebenserhalt zu sammeln. Es ginge nicht anders. Was ich auf keinen Fall wollte, wäre, dass meine geliebten Angehörigen derart intensiv meine Krankheitsphasen durchleben würden. Dein Beschreiben zeigt mir, dass ich mich in einem solchen Fall in eine entfernte Klinik versetzen lassen würde, wo meine Angehörigen nicht so gut hinkommen. Denn das Leid meiner Lieben wäre das Schlimmste für mich. Diese symbiotische Liebe von Angehörigen kann auch sehr ungut sein, Faydit. Es ist wichtig, dass Du in Dir selbst allein bestehen kannst. Gerade weil Britta Dich geliebt hat, zog sie sich vor Dir zurück, so mein Eindruck.

In etwa so war die Idee von Britta auch, ihre Absicht, und zugleich erschuf genau das erst eine Menge Probleme.

Alles was wir tun, außer alleine im stillen Kämmerlein, aber selbst das nicht mehr in einer digital vernetzten Welt, ist in irgendeiner Art und Weise eine Interaktion. Und das bedeutet, es hat für andere ebenfalls Auswirkungen, erschafft Folgen, ob uns selbst das so recht ist, oder nicht. Und die sind dann erstens da und erzeugen wieder neue Resultate.

Ich müsste hier eine Menge erklären, das hier aber wohl etwas zu weit führen dürfte. Deine Sichtweise ist für mich durchaus nachvollziehbar, gerade wenn ich lese, was Du da über einige Deiner eigenen privaten Konstellationen preisgibst. Du scheinst da selbst einiges zu erleben, das Dir selbst eine Menge abverlangt. Zugleich lässt Du es aber auch genau so geschehen. Gibst anscheinend einigen Menschen in Deinem Umfeld sehr viel von Dir, anscheinend mitunter auch zu viel, oder bekommst dafür umgekehrt nicht auch etwas Entsprechendes zurück. Das kostet Kraft, auf Dauer viel Kraft. Wenn ich da einiges halbwegs korrekt interpretiere, dann möchtest Du umgekehrt in gewisser Weise nicht auch einmal so werden, eine derartige Belastung für andere.

Ist durchaus legitim, im Kontext deratiger eigener Erfahrungen, keine Frage, die Frage wäre vielleicht, ist es umgekehrt dann tatsächlich so viel einfacher, so viel besser, oder erzeugt das nur etwas andere Probleme, an anderer Stelle?

Steht mir natürlich nicht zu, mich da einzumischen, ich versuche da nur, aus meiner Warte ein paar Dinge ein wenig zu beleuchten, auch um da vielleicht ein paar Eindrücke, die Du von meiner Situation gewonnen haben magst, ein wenig zu korrigieren.

Aber das was Du hier beschreibst, war tatsächlich auf sehr ähnliche Art eines unserer Kernprobleme. Ist also für mich durchaus seltsam, das so hier zu lesen.



Denn das Leid meiner Lieben wäre das Schlimmste für mich.

Das kommt mir sehr bekannt vor. Was daran wäre für Dich so schlimm, und warum?
Geht's darum, dass Du daran nicht schuld sein willst, nicht dafür verantwortlich?

Anderereits, was kannst Du denn dafür, wenn es so ist? Auf Distanz, mit einer entsprechenden Entfernung dazwischen magst Du davon weniger mitbekommen, das ist das Eine, aber das bedeutet doch nicht, dass damit Deine Liebsten vom Leiden verschont bleiben würden.

Wirkt auf mich wie so eine Art Versteckenspiel, bei dem man selbst die Augen zumacht, und dann glaubt, weil man selbst nichts mehr sieht, sehen einen die Anderen auch nicht mehr.

Ich kann nachvollziehen, dass jemand eine derartige Einstellung hat, das schon, aber ehrlich gesagt, der Sinn, der tatsächliche Hintergrund dazu erschließt sich mir nicht.

Eine ganz andere Seite davon wäre ja, wenn ich mal so direkt frage, wäre es Dir lieber, wenn Du den anderen dermaßen egal, gleichgültig wärst, dass sie in einer derartigen Situation nicht auch mit-leiden würden?

Es ist ja auch ein Zeichen dafür, dass einem jemand nicht egal, nicht gleichgültig ist, eine Art von Wertschätzung, dafür, dass jemand jemandem anderen etwas bedeutet.

Energetisch ohenhin, das kannst Du tun was Du willst, so lange die Verbindungen da sind, werden die nun einmal auf die eine oder andere Art wirken, und damit auch einiges anderen wehtun können. Das ist nun einmal die Kehrseite von Nähe, von Verbundenheit.

Ich hatte bei Britta eher das Gefühl, entweder ist da ein Denkfehler mit im Spiel, eine Art Verwechslung im eigenen Konzept, so ferne es um so etwas wie eine Art "nicht daran schuld sein Wollen" ginge. Oder aber man ist mit allem anderen bereits dermaßen überfordert, dass man sich sozusagen diesen zusätzlichen "Stress" nach Möglichkeit ersparen möchte.


Diese symbiotische Liebe von Angehörigen kann auch sehr ungut sein, Faydit. Es ist wichtig, dass Du in Dir selbst allein bestehen kannst.

Keine Frage, allerdings hast Du anscheinend mit dieser Art von symbiotischer Liebe eher für Dich nicht so angenehme Erfahrungen gemacht, weil das in Deinem Fall anscheinend eher recht einseitig läuft.

Symbiotisch ist im Grunde genommen jede Interaktion, sogar wenn jemand etwas kauft, ist das eine Art von symbiotischer Beziehung. Die Frage ist meiner Ansicht nach viel eher, wie ausbalanciert der Austausch ist, einseitig, oder in etwa gleichwertig. Wenn er (zu) einseitig ist, wird das früher oder später immer zu Problemen führen, besonders dann, wenn einer langsam an das Ende dessen gelangt, das er geben kann, und der Andere immer noch das Gefühl haben mag, zu wenig bekommen zu haben. Ist auf Dauer ziemlich ungesund so.

Etwas ganz Anderes ist es jedoch, wenn das Ganze tatsächlich interaktiv und weitgehend gleichwertig läuft, somit jeder etwas einbringt, und danach dennoch jeder mit ein wenig mehr geht, als er selbst eingebracht hatte.
Ist leider nicht wirklich der Normalfall, obwohl er es eigentlich sein sollte.

Ist mir klar, wie mein "Halt verlieren ohne Gegenüber" bei Dir ankommen muss. Ist aber dennoch ein wenig anders. Mir ist, sagen wir einmal, etwas passiert, vor inzwischen längerer Zeit, was dazu geführt hatte, dass ich mich tatsächlich irgendwie selbst verlor. Etwas von mir ist, wenn man so will, nicht wieder zurückgekommen, woanders geblieben, erklären kann ich es nicht einmal mir selber. Und danach war alles anders, wurde alles erst recht anders.

Vielleicht kann man es am Ehesten so beschreiben, dass ich mein Ego verloren hatte, aber so wie ich das erlebte, war das alles andere als lustig oder großartig. Vor allem aber macht es einen hier ziemlich lebensuntauglich. Wenn man irgendwo in einem geschützen Raum ist, in einem Kloster in einer Zelle oder so etwas, mag das funktionieren, aber im ganz normalen Alltag wird es zu einer Art Alptraum, vor allem aber, weil man selbst dem Ganzen ziemlich hilflos ausgeliefert ist.

Man verliert die eigene Mitte, die zwar in den meisten Fällen auch nur eine Art Konstrukt ist, basierend auf diversen Irrümern und Erfahrungen, aber eben doch eine bestimmte Funktion hat. Menschen, die tatsächlich ihre eigene Mitte gefunden oder nie verloren haben, und aus der heraus agieren, sind ohnehin rar. Aber so ganz ohne, selbst wenn diese fehlerhaft sein mag, ist's sehr schwer.

In der Zeit, als ich Britta kennenlernte, hatte ich auch ein etwas seltsames Erlebnis, ich bekam sozusagen mich selbst wieder mehr zurück. Nach elf ziemlich schwierigen Jahren, in denen so ziemlich alles schiefging, das nur schiefgehen konnte.

Ganz am Anfang, als von einer Beziehung zwischen uns noch lange keine Rede war, war Britta klar, auf ihre Art, was bei mir los war, in vielerlei Hinsicht, ebenso klar war ihr, dass sie mich genau so lieben könnte, wie ich das brauchen würde. Davor. Ohne dass wir uns real überhaupt kannten oder erlebt hatten. Umgekehrt war von mir zu ihr auch von Anfang an ein ganz spezieller Draht da, den ich so noch nie erlebt hatte.

Und in der gemeinsamen Zeit war sie dann in jeder Hinsicht genau der Halt, den ich so nie hatte. Und ich war für sie auch etwas, das sie so davor nie hatte. Das war also nicht nur einseitig. Wir funktionierten alleine, sie ohnehin, ich zumindest besser als bis dahin, aber - aus meiner Sicht - auch deshalb, weil es sie in meinem Leben gab. Zusammen, gemeinsam war es dann nochmal anders, da funktionierten wir beide irgendwie besser, als Team, im Austausch.

Was aber stimmt ist, mir macht, ganz egoistisch gesehen, ihr Verlust ziemlich Angst, ganz einfach, weil ich einen tiefen Fall, eine Art recht langer Depression bereits erlebt hatte, und das ist nichts, das man gerne ein weiteres Mal erleben möchte, vor allem dann nicht, wenn weit und breit niemand da ist, der einem da wieder raushelfen könnte.

Dass jetzt, nach ihrem Tod doch unerwarteter Weise einiges anders ist als gedacht, überrascht mich selbst. Anscheinend ist doch viel mehr bei mir passiert, bin ich doch inzwischen wieder weitaus stabiler geworden, als ich es noch am Anfang war. Was aber auch heißt, dass eine Menge richtig gelaufen sein muss. Sonst wären die Resultate jetzt andere.

Aber das war für mich selbst davor nicht wirklich abschätzbar. Jetzt ist es so, und das ist auch gut so, aber es hätte sich ebensogut anders entwickeln können.

Aber, wenn ich ehrlich bin, was mich am Leben hält, ist, dass das so Brittas Wunsch war. Sie wollte, dass ich lebe, gut lebe, auch ohne sie. Warum ihr das so wichtig war, habe ich erst nach ihrem Tod wirklich verstanden, also kann ich damit immerhin noch etwas tun, das nach wie vor uns beide betrifft. Macht es etwas einfacher. Es ist kein Ersatz für das, was ich eine Weile mit ihr hatte, weil es dafür keinen gibt, das war in vielerlei Hinsicht viel zu einzigartig, aber das Kapitel ist zu Ende, das jetzt ist etwas Anderes.

Das wirklich Faszinierende an dem Ganzen ist aber, wieviel von ihr, von uns nach wie vor geblieben ist. Hätte ich auf die Art nie erwartet, eben weil ich auch das bsiher so ganz anders erlebt hatte, in jedem anderen Fall. Wenn es auch nur einigermaßen so bleibt, wie es inzwischen ist, kann ich davon tatsächlich für den Rest meines Lebens zehren, und es wird immer noch mehr als genug übrigbleiben. Das ist neu, sehr neu.


Gerade weil Britta Dich geliebt hat, zog sie sich vor Dir zurück, so mein Eindruck.

Es stimmt so auch in gewisser Weise, leider war die Kommunikation darüber etwas unglücklich.

Nachdem wir da doch einige der gröberen Probleme auf die Reihe bekommen hatten, ließ ich sie, so weit das ging, auch in Ruhe, in den letzten Monaten. War nicht einfach für mich, zumal noch so vieles offen geblieben war.

Und dann, kurz vor ihrem Tod, der zu dem Zeitpunkt noch nicht wirklich so bald absehbar gewesen war, passierte dann etwas sehr Schönes. Sie kam von sich aus, von selbst wieder ein wenig auf mich zu, ganz unerwartet, wollte selbst, dass sich einiges zwischen uns wieder ein wenig mehr normalisierte.

Es kam dann leider doch nicht mehr so dazu, wie angedacht, aber immerhin, das war eigentlich das schönste Abschiedsgeschenk, das relativierte alles noch Unerledigte, das Wichtigste, genau das war zumindest (wieder) in Ordnung.

Das war der Moment, in dem ich mit dem Ganzen, obwohl eine Menge nicht so war, wie ich es gerne hätte haben wollen, wirklich meinen Frieden machen konnte.

Wir waren wieder wir, jeder war sich selbst treu geblieben, auch wenn dabei in diesem Fall viele sehr gegensätzlich war, und dennoch war der Platz für beides nebeneinander da, es konnte so stehen bleiben. Zwei Wahrheiten, die doch wieder eine bildeten. Das was wir davor waren, waren wir immer noch, konnten wir immer noch sein, sogar unter diesen erschwerten Umständen.

Vermutlich kam ich gerade deswegen dann mit Britta's Tod weitaus besser klar als erwartet. Wäre das so nicht davor geschehen, wäre das vermutlich weitaus schwieriger geworden.

Im Nachhinein betrachtet war es perfektes Timing. Auch wenn das zu dem Zeitpunkt keiner so absehen konnte.

...
 
Meine Schwester sagt mir oft, dass sie ohne mich nicht mehr leben will. - Was für eine Belastung für mich. Sie lebt eine Symbiose zu mir, als wär ich ihr Zwilling. Ich leide darunter. Ich möchte, dass sie lernt, sich selbst zu sein, ohne mich.

Der Grund, warum ich versuche, Dir hier so ausführlich zu antworten, ist genau dieser Absatz. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, sowohl das Verhalten Deiner Schwester, als auch Deine Probleme damit.

Mir ist auch klar, warum bei Dir anscheinend der Eindruck entstehen musste, dass die Verbindung zwischen Britta und mir in gewisser Weise ähnlich "ungesund" war.
War sie nicht, sonst wären die Resultate jetzt andere. Dann wäre ich jetzt tatsächlich ins Bodenlose gefallen.

Ich weiß ja nicht so viel über Dich, Deine Situation, nur das was Du hier geschrieben hast.

Britta hatte auch so ihre Probleme damit, dass ich ohne sie nicht mehr leben wollte. Auch wenn das einen anderen Hintergrund hatte.

Für mich war das, was ich mit Britta hatte, das in jeder Hinsicht Beste, das mir jemals passiert ist. Wenn man so will, nicht nur in diesem Leben. Was soll danach noch kommen? Wenn ich ehrlich bin, auch wenn sich das inzwischen gelegt hat, war eine der mitspielenden Komponenten auch eine ziemliche Verlustangst. Was sollte ich da alleine, ohne sie?
Ich kam mit anderen Menschen nie so gut klar, bin einfach in vielem zu anders, und noch einmal so jemandem wie ihr werde ich mit Sicherheit nicht noch einmal in diesem Leben begegnen.

Also war für mich meine Entscheidung, mit ihr sterben zu wollen, sonnenklar. Für mich wäre das etwas Schönes gewesen, vielleicht gar nicht so einfach, aber - wenn man so will - eben der krönende, letzte, gemeinsame Abschluss unserer Liebe. Alles erledigt, das möglich war, also können wir auch gemeinsam gehen.

Britta gefiel das gar nicht so gut. Aber sie sagte dazu auch zu wenig, als dazu noch die Zeit war, es hebelte sie sogar etwas aus. Also war ihr zu mir auf Abstand gehen umgekehrt wohl zumindest auch der Versuch, genau das zu verhindern.

Sie tat das aus Liebe, wollte mich, wenn man so will, vor mir selbst schützen, ich wollte etwas anderes aus Liebe tun. Leider passte das auf die Art so gar nicht zusammen.

Es gibt immer wieder ältere Ehepaare, die, weil der eine Teil schwerstkrank ist, beschließen, gemeinsam aus dem Leben zu scheiden. Finde ich sehr schön. Auch wenn die Motivation in einigen Fälle auch eine Art Hilflosigkeit, Ohnmacht sein kann, oder die Frage, was mache ich denn dann ohne den Anderen.
Und dann kann es auch passieren, dass das einer doch überlebt, und dann auch noch wegen Beihilfe zum Selbstmord angeklagt wird und tatsächlich ins Gefängnis kommt. Mit über 80 Jahren.
Ok, so alt waren wir noch nicht, aber so in etwa stellte ich mir das vor.


Nicht ohne den Anderen leben zu wollen, ist eine Sache, nicht ohne den Anderen leben zu können, eine andere. Das Ganze als Art Druckmittel zu verwenden, nochmal etwas Anderes. Also ein sehr komplexes Thema.

So wie ich das mitbekomme, scheinst Du für Deine Schwester eine Art Elternersatz geworden zu sein, also ist sie irgendwie anscheinend nie wirklich erwachsen geworden, oder hat gelernt, auf eigenen Füßen zu stehen, oder etwas hat sie dermaßen ausgehebelt, dass sie sozusagen in ein früheres Programm, Muster zurückgefallen ist.

Das mag für Deine Schwester ja durchaus angenehm sein, für Dich scheint das aber eher eine ziemlich problematische Sache zu sein, was ja nachvollziehbar ist, weil das natürlich sowohl von der Rolle als auch der Belastung weit über eine Geschwisterbeziehung hinausgeht.

In dem Fall wäre eine Art Abnabelung, auch in Deinem eigenen Interesse, durchaus nötig, denke ich. Da Du in der Konstellation, wenn ich das richtig verstehe, ja auch zu kurz kommst, also die Gebende bist, umgekehrt das aber für Dich nicht dieselbe Bedeutung hat wie für Deine Schwester. Ungesunde Sache auf Dauer.
Vor allem aber hilft es Deiner Schwester ja auch nicht wirklich, sondern es lässt sie selbst auf der Stelle treten, so lange die Konstellation so bleibt, gibt es für sie ja gar keinen Grund, daran selbst etwas zu verändern, oder auf eigenen Füßen zu stehen.

Jede wirkliche Verbindung zu jemandem ist in gewisser Weise auch eine Art Abhängigkeit, was eben positive und negative Seiten haben kann. Das Wichtigste ist aus meiner Sicht die Balance. Ist die gegeben, so wird es die geringsten Probleme geben, ist sie es nicht, wird das Ganze einseitig, sind die Probleme unvermeidlich. Aber leider lösen sich die dann nicht mehr von alleine in Luft auf.
Programme, Muster haben sich gebildet, und die geben nicht einfach so auf, oder lassen Veränderungen gerne zu.

Deine Schwester wird daran von sich aus nichts ändern, also kannst nur Du ihr - auf welche Art auch immer - Grenzen setzten, Stops verordnen, was vermutlich nicht so einfach sein dürfte.

Ich hatte einmal eine Art Beziehung mit jemanden, die ich gar nicht wollte, aber ich wurde die Frau nicht mehr los, die klammerte an mich, und egal was ich tat, es nützte nichts, ich stand völlig selbst an, ihr war alles egal. Das ging in den schlimmsten Zeiten sogar bis zu Stalking - scheint es mitunter auch von Frauen zu geben - und anderen Übergriffen. Sie akzeptierte kein nein von mir. Dass sie dazu auch noch Schweralkoholikerin war, machte eine Menge auch nicht einfacher.

Manchmal muss man wohl auch riskieren, der "Böse" zu sein, oder ein Arschloch jemandem gegenüber, besondern, wenn derjenige ohnehin nach ganz anderen Spielregeln als man selbst agiert. Und manchmal zerschlägt man dabei auch einiges Porzellan.

Aber man kann auch nichts geben, wenn man nichts mehr hat, selbst am Limit ist, oder ausgebrannt, etwas die eigenen Kräfte überfordert. Geben kann man nur aus der Fülle, und vor allem, freiwillig, wenn möglich.

Falls Du magst, würde ich gerne noch ein wenig über diese Symbiose mit Deiner Schwester erfahren, muss aber auch nicht hier sein. Für mich ist das eine ziemliche, einseitige Abhängigkeit, auf Deine Kosten, also würde ich Dir nur empfehlen, in Deinem eigenen Interesse, versuche, daran was zu verändern.


Warum denkt sie, ohne diese Symbiose nicht mit mir verbunden zu sein? Warum denkst Du das bei Britta und Dir?

Deine Schwester braucht Dich mit Sicherheit tatsächlich. Oder glaubt das zumindest. Aber für Dich ist es anscheinend nicht gut.
Es wäre ok, wenn es für Euch beide so ok wäre. Kann man tun. Wenn es das aber für einen nicht ist, und der das eben aus einer Art von Verantwortungsgefühl heraus erträg, ist das aus meiner Sicht keine gute Basis dafür, daran festzuhalten.

Ich versuche Dir, den Unterschied zu Dir und Deiner Schwester und Britta und mir ein wenig verständlich zu machen.

War haben beide die Verbindung zwischen uns erlebt, alss von einer beziehung zwischen und noch gar keine Rede war. Die Verbindung, die Verbundenheit, der Draht zueinander, wenn man so will, auch die Liebe, waren trotzdem bereits da.

Die Realität hat das Ganze vertieft, um viele Facetten bereichert, aber in der Substanz war die Sache von Anfang an fertig.

Und die Grundbasis dafür waren vor allem neben der gegenseitigen Liebe die Achtung voreinander, der Respekt im Umgang miteinander, auch im Umgang mit der Andersartigkeit des Gegenübers, und vor allem der Austausch, die Interaktion auf Augenhöhe, gleichwertig, die Kommunikation. Wir besprachen alles, redeten Dinge aus, klärten Unstimmigkeiten, obwohl Kommunikation ja nicht nur auf Worte beschränkt ist. Aber alles war authentisch, wahrhaftig, echt.
Ich hätte nie etwas gemacht, das Britta nicht wollte, und sie umgekehrt auch nicht. Vor allem nicht gegeneinander.

Deshalb war dann heuer auch auf einmal einiges so schwer, weil es auf einmal anders lief, wenngleich in Summe der Großteil doch eher kommunikative als tatsächlich inhaltliche Missverständnisse waren.

Was wir aber beide in dieser Zeit - wenn gleich auf unterscheidlichen Wegen - wollten, war, unsere Liebe zu bewahren, über dieses Leben hinaus. Britta auf ihre Art, ich auf meine.
Am Ende ging es uns beiden kaum mehr um uns beide, eigentlich nur darum, überlebt diese Liebe Britta's Tod unbeschadet, oder nicht. Und das hat sie anscheinend. Sonst würde sich eine Menge ganz anders anfühlen.

Ich weiß nicht, wie, was Britta jetzt ist, aber was ich wahrnehme ist, dass der Draht, die Verbundenheit noch da ist, die ist nicht, wie sonst bei einem Todesfall, zerrissen. Also muss etwas von ihr sie als Mensch überlebt haben. Sonst würde meine Organismus das ganz anders registrieren, ganz anders darauf reagieren.

Es ist natürlich irgendwie befremdlich, auch ungewohnt, aber wenn ich ehrlich bin, auch das Beste das mir in der Situation hat passieren können. Etwas von ihr ist noch da, irgendwie in mir selbst, irgendwie außerhalb von mir. Aber ich kann dazu nichts tun. Wenn sie das so nicht mehr möchte, dann liegt es an ihr, daran etwas zu verändern. Und das dürfte ich dann wohl ziemlich schmerzhaft merken, erleben.

Die Verbindung ist, aus meiner Sicht, real, nach wie vor, aber Britta, oder was das inzwischen auch immer sein mag, weiß umgekehrt auch, dass sie, wenn sie das möchte, jederzeit gehen kann. Ich wüsste ja gar nicht, wie ich sie halten sollte, wenn es sich in die Richtung entwickelt.

Es ist auf eigenartige Weise eine Verbindung woandershin, die eine ähnliche Funktion zu erfüllen vermag, als die, die zwischen Britta und mir existierte. Inwieweit die aber mit ihr als realer Person noch etwas zu tun hat, oder ob da andere Kräfte mitspielen, kann ich von hier aus nicht wirklich abschätzen. Aber es hilft mir dabei, nicht zu fallen. Und es ist definitiv keine Einbildung.


Auch wenn Du Britta jetzt noch sehr deutlich spürst, wird es irgendwann nachlassen.

Das mag so sein, oder auch nicht. Ich glaube es inzwischen nicht einmal so sehr.
Dann wäre bisher einiges auch anders verlaufen.

Deshalb wäre es gut, wenn Du Dich rechtzeitig um einen Therapieplatz bemühen würdest, bevor Du womöglich nach dieser Phase (die jeder Trauernde ähnlich durchlebt) in ein depressives Tief kommst, wovor Du Dich fürchtest.

Ich denke, wenn ich dieses Jahr bisher überstanden habe, und damit auf meine Art klargekommen bin, kann mir kein Therapeut in irgendeiner Weise helfen.

Ich habe meine äußerst intensive Therapie-Phase bereits hinter mir. War in einigem interessant, in einigem hilfreich, in Summe hat es aber eine Menge Schaden auch angerichtet, vieles völlig auf den Kopf gestellt. Und danach habe ich elf Jahre gebraucht, um eine Menge auch nur halbwegs wieder auf die Reihe zu bekommen, und vor allem, um all das wieder aus mir herauszubekommen, was mir davor eintherapiert wurde, und das sich großteils als völliger Unsinn herausgestellt hatte.

Wäre ein großes Thema, Therapie, und die (nicht existente) Verantwortung der Therapeuten für etwaige Folgen. Aber auch das führt hier wohl zu weit.

Die Depression macht mir inzwischen keine Angst mehr.

Die beste Therapie ist ein funktionierender Austausch mit dem richtigen Gegenüber. Im Grunde genommen ist jede Therapie - wenn man einmal tatsächlichen psychischen Defekten ausklammert, die psychiatrisch behandelt gehören - zumindest oft eine Art Ersatz für eine nicht funktionierende Kommunikation, oder eine Fehlkommunikation mit den falschen Leuten. Was leider der Normalfall zu sein scheint.

Wir werden alle darauf gedrillt, mit allen anderen möglichst gut klarzukommen, mit so vielen anderen wie möglich möglichst kompatibel zu sein, angepasst, werden darauf trainiert, uns selbst zu verleugnen, für ein bisschen Applaus, für ein paar Likes, zu funktionieren, in einem System, das uns, je mehr wir da tun, selbst krank macht.

Am Ende wissen wir selbst nicht mehr, wer wir sind, noch weniger, was wir eigentlich bräuchten, was uns gut tut, was nicht. Noch weniger, welche Menschen uns gut tun, welche nicht, welche man wie nahe an sich heranlassen kann, darf, welche nicht.

Wir sind nicht beliebig kompatibel, und das ist auch gut so. Wir sind Individuen, jeder ein wenig anders, jeder mit anderen Stärken, Schwächen, jeder auf einer anderen Suche nach etwas, das ihm fehlt.

Aber jede Begegnung, jeder Interaktion hinterlässt Spuren, schöne ebenso wie weniger schöne, verändert jemanden selbst, etwas in einem. Vermag zu heilen, oder zu schaden.

Am Ende bleibt die Frage, bist Du dorthin gekommen, wohin Du kommen wolltest, welchen Preis hast Du dafür bezahlt, und war es das wirklich wert?

Ich hatte etwas, das alles andere wert war. Mir. Und das zugleich mit keinem Geld der Welt zu bekommen gewesen wäre.

Aber anscheinend hatte auch das seinen Preis. Davor, und jetzt danach.
Dann soll es so sein.


Bitte denke an Brittas Wunsch, dass Du Dich nicht aufgibst und nicht für sie stirbst. Sie möchte das nicht. Es ist kein Geschenk für sie. Das wäre es für mich auch nicht, wenn ein Angehöriger das tun würde. Es wäre für mich der absolute Alptraum, denn ich möchte, dass meine Lieben leben - glücklich - auch ohne mich.

Das hätte ohnehin nur gemeinsam funktioniert. Und schon gar nicht gegen Brittas Wunsch.

Trotzdem, das worum es mir ging, das was ich erleben wollte, habe ich erlebt. Es wird also nichts damit Vergleichbares, nichts ähnlich Bedeutsames mehr passieren.

Wird also anscheinend Zeit, mich mit etwas kleineren noch unerledigten Dingen zu befassen.
 
Lieber @Faydit

Danke für Deine erklärenden Worte. Weißt Du, die Beziehung zwischen mir und meiner Schwester ist einzigartig, wir haben als Kinder gemeinsam ein Trauma erlebt, das eine ähnliche Bindung entstehen ließ wie bei Dir und Britta. Und das würde meine Schwester auch nie verlieren, doch glaubt sie, sich stets neu meiner versichern zu müssen, obwohl es nichts gibt, was uns trennen kann, auch über den Tod hinaus.

Es geht ja weiter nach dem Tod. Ich habe Übergänge von Sterbenden miterlebt, sie auch teilweise begleitet. Es geht weiter. Nur dieses Festhalten-Wollen und Klammern ist eben nicht gut. Und das tust Du, denn Du willst ohne Britta nicht voll weiterleben. Du hast Deinen Lebenssinn vollständig in Britta definiert. Und das macht auch meine Schwester bei mir. Auch sie war jahrelang depressiv und suizidgefährdet. Ich gab ihr den Halt, ich führte sie aus der Depression und der Todessehnsucht raus wie ein Licht im Dunkeln.

Und so beschreibst Du es auch in Deiner Beziehung mit Britta. Du denkst, dass meine Schwesterbeziehung unreif ist, sie nicht auf vollster Liebe beruht. Aber das stimmt nicht. Wir haben etwas gemeinsam erlebt, das unsere Seelen für immer verbunden hat. Ich würde mir wünschen, dass sie eigenständig ist, sich meiner Liebe gewiss ist, ohne sich rückzuversichern, ohne mich täglich anrufen zu müssen, es einfach zu fühlen, denn wir haben eine starke Telepathie zueinander. Gerade weil ich sie liebe, möchte ich, dass sie nicht auf mich hinschaut, sondern sich selbst als Persönlichkeit entfaltet und wahrnimmt, sich selbst definiert, aus sich selbst Motivation und Kraft entfaltet, eine eigene Beziehung zu Gott aufbaut und nicht mich als Mittler braucht.

Faydit, Du sagst selbst, dass Du den Alltag nicht mehr so gut schaffst, weil Dir Dein ICH verloren ging mit Britta. Aber genau das wollte Britta nicht, sie wollte, dass Du Dich selbst anschaust, aus Dir selbst lebst und einen eigenen Lebenssinn entwickelst, ganz allein aus Deiner Persönlichkeit heraus. So wie Du es beschreibst, hat sie sich wohl auch Sorgen um Dich gemacht, dass Du Dich so sehr über sie und eure Beziehung definierst, als wärest Du nur vollständig mit ihr und nicht ohne sie, als bräuchte es das, um mit ihr verbunden zu sein. Aber das ist nicht so: Symbiose ist in jeder Form ungesund, weil sie den anderen vollständig vereinnahmt. Du hast unter dem Rückzug von Britta gelitten, doch brauchte sie ganz einfach einen eigenen Freiraum - ohne Dich. Das heißt nicht, dass sie Dich weniger liebte um diesen Anteil, den sie für sich allein sein sollte. Es ist ein Grundbedürfnis, erst recht in einer Krankheitsphase.

Ich gebe Dir Recht, dass Du Britta nicht verlieren kannst. Das tust Du auch nicht, wenn Du sie weniger spüren solltest, weniger Rückversicherung und Symbiose spüren würdest. Sogar wenn Du Dich entschließt, Dich anderen Menschen zuzuwenden, womöglich sogar einer anderen Frau, würde es eure Liebe nicht schmälern und nicht weniger einzigartig machen. Das ist allein Deine Wertung dazu, so wie Du in vielerlei Hinsicht idealisiert und dann wieder den Krankheitswert siehst bei Britta, ohne dabei Deinen eigenen Krankheitswert aus den vorangegangen Depressionen zu berücksichtigen. Es könnte sein, dass sie nicht ganz so falsch lag in ihrem Rückzug, sondern Du einfach zu bedürftig warst, sie nicht loslassen wolltest, sie nicht gehen lassen wolltest, obwohl sie den Rückzug wollte und brauchte.

Sie noch eine Weile zu begleiten, sie zu spüren, ist völlig normal nach dieser kurzen Zeit, aber irgendwann könnte es sein, dass Du tief in Dir spürst, dass sie gehen möchte - dann lass sie gehen, denn es ist ihre Entscheidung. Verlieren wirst Du sie dadurch nicht.

Und schau, was Du selbst in Deinem Leben noch für große Aufgaben hast, große, nicht nur kleine. Du hast Gaben und Fähigkeiten, die ausgedrückt sein wollen. Sei Dir selbst Dein Begleiter, führe Dich zu neuen Ufern, denn Du lebst - also will jemand da oben, dass Du lebst und Deinen Lebensauftrag erfüllst. Es geht nicht nur um Dich und Britta, Du hast einen Auftrag an diese Welt! :)
 
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Schön wär's, tut's aber nicht.

Alles heilt irgendwann, wenn es weitergehen soll und wird. Würde ich denken. Man kann sich ja vllt. bisschen mit dem Wissen trösten, dass bei einem selbst auch alles 'endlich' ist, spätestens dann ist man wieder zusammen und bis dahin versucht man noch was zu leben. Und in der Zeit dazwischen wird man besucht, beobachtet, berührt, von denen, die schon "voraus" sind. ;)
 
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