Liebe Kashi,
Was mich beschäftigt, sind die Stimmen, die mir weiß machen wollen, ich befände mich im Glück. Verliebt sein ist dafür ein gutes Beispiel.
Um mal kurz klarzustellen, ich bin zur Zeit nicht verliebt, und leide auch nicht unter Liebeskummer.
Deshalb bin ich in der Lage, mir Gedanken darüber zu machen.
Um ehrlich zu sein, ich fühle mich jedoch von den eigenen Gefühlen gelegentlich verarscht.( Das ist etwas verkrasst dargestellt) Um beim Beispiel Verliebtheit zu bleiben:
Wenn ich verliebt bin, geht es mir insgesamt gut. Alles wird leichter, fühlt sich ein bißchen heller an usw. Das kennt doch wohl jeder von uns. Nur, seit ich zu den Inneren Kindern Kontakt habe, läuft es anders ab.
Da ist dieses Gefühl des Glücklichseins und ich nehme es für wahr. Ist aber auch heftig schön! Dann passiert es aber, dass durch irgendeinen äußeren Anlass sich ein "Schleier hebt" und dieses ach so schöne Gefühl wird als "Farbanstrich" für etwas ganz andersartiges entlarvt. Nämlich immernoch die Sucht, der Zwang, was auch immer des Kindes, geliebt zu werden.
So,.. hätte sich der Schleier nicht gehoben, wäre das Glück perfekt. Zumindest solange, bis die kleinen Streitereien beginnen.Auch vom liebeshungrigen Kind inszeniert.
Jetzt frage ich mich, Frage an Euch:
Ist das Gefühl des Verliebtseins, das des Inneren Kindes?
Wenn man sich alle Liebe, die man braucht selbst geben kann, verliebt man sich dann nicht mehr?
Verliebt man sich dann anders?
Eure Erfahrungen bitte...bitte...
mir scheint es hier wieder ganz wichtig, zu verdeutlichen, dass die Titel der Bücher zwar oft "Aussöhnung mit dem inneren Kind" lauten, dass dann aber auch auf den ersten Seiten gleich verdeutlicht wird, dass dies ohne einen liebevollen Erwachsenen nicht möglich ist.
Das "innere Kind" und der "liebevolle Erwachsene" gehen Hand in Hand. Und die Aussöhnung mit dem inneren Kind führt immer auch zu einer Reifung des Erwachsenen - oder sie vollzieht sich nicht, weil der Erwachsene und das Kind aneinander vorbeiagieren.
Das lässt sich sehr schön am Beispiel des "Verliebens" zeigen, wie mir scheint.
Wenn in der Kindheit irgendwann die Offenheit, das liebevolle Fenster, zu den Eltern immer dünner wurde - wenn wir uns also mit unserem ganzen Kind ihnen nicht mehr öffnen und zeigen konnten, weil sie an uns bestimmte Anforderungen stellten, sich vielleicht überfordert fühlten und weil wir vielleicht auch einfach das Gefühl hatten und die Verpflichtung spürten, "erwachsen" zu werden, so dass wir begannen, die Rollen des "erwachsenen Kindes" zu spielen und uns mit diesen zu identifizieren, z.B. dass wir auf "Leistungen" stolz wurden, weil wir keine unbedingt Liebe mehr erfuhren - dann sehnten wir uns doch noch nach Liebe und auch nach Anderen, die in uns wunderschöne Gefühle auslösen können.
In dieser Zeit begannen wir uns dann vielleicht ab und an "unglücklich" zu verlieben. Wir sahen ein anderes Kind, seinen Blick, sein Wesen, und fühlten uns zu diesem hingezogen. Aber wir konnten es vielleicht nicht ausdrücken und wir spürten vielleicht auch gleich, dass es "einseitig" war.
In der Jugend gab es dann vielleicht auch so manche Beziehungen, wo wir uns in andere verliebten, so dass wir ein "wundervolles" Bild von den anderen hatten. Wir merkten aber dann nach einiger Zeit, dass das, was wir in uns fühlten und das Bild, das wir von dem anderen hatten, vielleicht gar nicht so viel mit dem anderen zu tun hatte. Vielleicht war es nicht nur einseitig, sondern der andere merkte das dann auch nach einer gewissen Zeit. Plötzlich merkte man, dass der andere eigentlich ganz anders war, als er am Anfang vielleicht auftrat. Und vielleicht gab es sogar eine Stimme, die uns das gleich zu Beginn zuflüsterte, auf die wir aber nicht hörten.
Wenn sich das Verliebtsein in dieser Weise vollzieht, dann ist es meiner Erfahrung zufolge vor allem Ausdruck der Einsamkeit des inneren Kindes. Wir projizieren dann auf die anderen Bilder, Wünsche, Hoffnungen, idealisieren sie zu tollen Menschen, aber wir agieren an ihnen eigentlich vorbei, sind nicht wirklich liebevoll für sie geöffnet.
Das liegt auch daran, dass der Erwachsene in uns sehr nachlässig, nicht-liebevoll zu uns ist, weil er uns einfach diesen idealisierenden Gefühlen überlässt.
Der Erwachsene hat die Aufgabe, vernünftig zu sein, das Reale zu sehen, gelingende Handlungen zu planen, so dass es uns gut geht. Wenn der Erwachsene und das Kind Hand in Hand miteinander liebevoll umgehen, dann kann sich ein solches Verlieben nicht wirklich vollziehen, weil entweder die Offenheit des Kindes gleich spürt, dass etwas nicht stimmt, dass da etwas nicht passt mit dem anderen oder weil der Erwachsene das Bild real einschätzt.
Wenn wir uns zu sehr mit dem Kind identifizieren, wenn wir zu sehr im Wunsch aufgehen, mit anderen zu verschmelzen und uns bei ihnen sicher und geborgen zu fühlen, dann zeigt das, dass unser Erwachsener noch nicht in der Lage ist, uns selbst dieses Gefühl zu schenken.
Das soll nun nicht bedeuten, dass sich ein Mensch, dessen Erwachsener liebevoll mit seinem Kind umgeht und dessen Kind authentisch seine Gefühle auszudrücken vermag, sich nicht verlieben würden. Aber das "Verliebt"-Sein hat hier einen anderen Charakter. DAs Kind fühlt sich mit seinem Erwachsenen wohl, wird nicht von Süchten und Einsamkeit getrieben, immer mit dem anderen zusammen sein zu "müssen". Es besteht die Möglichkeit, dass man sich auch einfach mal ganz alleine zurückzieht, einfach bei sich ist, sich genügt, liebevoll mit sich umgeht, also auch DISTANZ zu dem anderen einnehmen kann.
Und diese DISTANZ ist sehr wichtig, damit sich ZWISCHEN den beiden Menschen auch wirklich LIEBE vollziehen kann, denn Liebe benötigt manchmal auch Distanz und zieht sich zurück, vergeht oft in Beziehungen, weil Menschen viel zu sehr aufeinander fixiert sind, sich deshalb verletzen, viel zu viel von einander erwarten und sich nicht distanzieren können.
Wenn der liebevolle Erwachsene und das Kind also eine Einheit bilden, dann werden viel weniger "Erwartungen", "wünsche" an den anderen gesendet, der andere muss deshalb auch nicht zu einer Idealfigur stilisiert werden. Hierdurch entsteht dann aber ein Raum für LIEBE, die wirklich frei ist, die nichts erwartet, die OFFENSEIN ist. Hierdurch spürt man dann auch, was man wirklich an dem anderen hat, weil das Offensein für den anderen da ist.
Das sind nun wieder zwei recht verschiedene Bilder:
Einerseits der Mensch, dessen Kind einsam, verletzt ist, der sich nicht mit seinen Problemen, seiner Einsamkeit auseinander setzt, der deshalb auch Süchten nachgeht, sich ablenkt. Dessen Erwachsener für diese Wünsche und diese Problematik keine Verantwortung übernimmt, sondern entweder sehr autoritär und hart mit sich oder aufmerksamkeitslos, laissez-faire, vernachlässigend mit sich und seinen tieferen Gefühlen umgeht. In der Beziehung besteht hier eine große Abhängigkeit und dann wird oft viel gestritten, so dass vor allem Abhängigkeit bleibt und die Liebe vergeht, oder es werden vielleicht auch gar keine Beziehungen einegegangen, weil man nur seine eigene Karriere verfolgt oder man wechselt von einer Beziehung zur nächsten, sobald die ersten Probleme auftauchen, die mit den inneren Problemen konfrontieren.
Andererseits der Mensch, der sich mit seinem Kind ausgesöhnt hat und hierbei auch als liebevoller Mensch gereift ist. Das Kind fühlt sich nicht mehr einsam, weil es seine Bedürfnisse aussprechen darf und seinen Leidenschaften nachgehen darf: es lebt sich aus, spielt, macht das, was ihn wirklich innerlich berührt. Der Erwachsene nimmt für seine Schmerzen, die Wünsche des Kindes, seine Vergangenheit Verantwortung und geht weder zu autoritär mit sich um, gönnt sich auch Auszeiten, aber vernachlässigt sich auch nicht, strebt also auch an, Ziele zu verwirklichen, die ihm wirklich gut tun. In Beziehungen merkt dieser Mensch, der mit sich verbunden ist, sehr schnell, ob diese Beziehung für ihn gut ist oder nicht, ob der andere für seine Gefühle selbst Verantwortung übernimmt, ob der andere für ihn offen ist, ob der andere mit ihm agiert, oder ob der andere sich etwas von ihm erhofft, für ihn nicht wirklich offen ist und an ihm vorbeiagiert.
Die Entwicklung des Menschen, der die Aussöhnung beginnt oder vielleicht eine Therapie macht oder auf einem anderen Wege diesen Prozess vollzieht, spielt sich natürlich "zwischen" diesen beiden Polen ab. Dennoch bin ich mir ganz sicher, dass beide hier skizzierten Bilder keine Idealbilder sind, sondern dass es viele Menschen gibt, die dem ersten Bild recht nahe kommen, es aber auch zahlreiche Menschen gibt, die den zweiten Weg erfolgreich gehen und gegangen sind.
Liebe Grüße
Energeia