......dass der Ring verloren war.
Irgendwie machte sich Resignation breit. Ich war ziemlich erschöpft und wollte mich erst einmal etwas ausruhen, nach den ganzen Anstrengungen. Mum und Michael blieben noch auf und verabredeten wechselnde Nachtwache. Morgen wollten wir dann früh aufbrechen und die Hütte verlassen.
Ich kuschelte mich in meine Decke und versuchte einzuschlafen. Eine Frage ging mir immer wieder durch den Kopf: Warum das alles? Warum wurde diese Geschichte heute, 3000 Jahre später, noch einmal derartig an die Oberfläche gespült? Was machte es für einen Sinn? Ging es nur darum, alten Hass zu befriedigen. Den Hass meiner Schwester?
Sie war damals unter Qualen und in dem Glauben, ich hätte sie verraten aus ihrem Körper heraus getreten. Bilder kamen und gingen und irgendwann verschwammen sie - wohltuende Ruhe breitete sich in mir aus und ich schlief endlich ein.
Doch der Traum war noch nicht zu Ende.....
Ich wurde immer unruhiger. Ich fühlte mich, als würde ich durch einen Sturm katapultiert. Verschwommen nahm ich steinerne Wände wahr. Quader. Sandiger Steinboden. Das Licht mehrerer Fackeln erhellte die Szene. Träumte ich noch?
Ich wollte mich aufrichten. Es ging nicht! Panik erfasste mich - ich war gefesselt! Mit einem Schrei riss ich meine weit Augen auf. Und erblickte.......
Ankh su namun... meine Schwester.
Ich lag gefesselt auf der Opferstätte! Allein mit meiner Schwester! Krampfhaft versuchte ich, die Fesseln zu lösen, doch ich hatte keine Chance. Selbst sprechen konnte ich nicht. Sie hatte mir einen Knebel in den Mund gesteckt.
Kalter Schweiß brach mir aus und ich war der Ohnmacht nahe.
Mit einem kalten Lächeln trat meine Schwester an mich heran. Ein reich verzierter kleiner Kasten stand am Fußende. Mit theatralischer Geste öffnete sie ihn und brachte den mir wohlbekannten Inhalt zum Vorschein. Er lag auch schon in meiner Hand...... der goldene scharfe Dolch.....
Nun empfange Deine gerechte Strafe, falsche Schlange, sprach sie und kam langsam auf mich zu. Die Angst schnürte mir die Kehle zu. Ich warf meinen Kopf hin und her. Es war ausweglos.....
Und mitten in dieser Szene - ich konnte es kaum fassen! - tauchten Bilder in mir auf - Bilder aus unserer gemeinsamen Vergangenheit. Wir waren zwei kleine Mädchen, rannten über den Vorplatz des Palastes und jauchzten. Wir schwammen im Meer, tauchten, hatten Spaß und lagen uns glücklich in den Armen.....waren engste Freundinnen, die niemals ein anvertrautes Geheimnis der anderen an jemanden verraten würden.
Dieses Gefühl der Nähe und der Schwesterliebe breitete sich in mir aus. Ich sah den Dolch in ihren Händen. Sie wusste es nicht besser und ich hatte keine Möglichkeit, mich zu erklären. Langsam hob sie ihre Arme, die den Dolch umfasst hielten. Plötzlich wurde ich ganz ruhig. Gleich würde es vorbei sein....
Ich hatte einen Gedanken - nur einen einzigen - und den schickte ich ihr in ihr 3. Auge. Ich öffne Dir meinen Geist ! Sie holte zum tödlichen Stoß aus...
Die Szene bei der Sphinx tauchte plötzlich auf. Ich war es nicht. Ich habe Dich nicht verraten. Es war der Kamelführer. Er hat seine Strafe erhalten. Dies war das erste, was ich veranlasste, als man Dich abführte. Ich schloss meine Augen und erwartete den letzten tödlichen Schmerz....
Plötzlich hörte ich ein metallisches Geräusch. Der Dolch war auf den Steinboden gefallen. Ich riss die Augen auf. Ankh su namun starrte mich mit entsetzten Augen an.
Ich wusste nicht, was passiert war. Sekundenlang sprach sie kein Wort. Dann vernahm ich völlig überrascht ihre weinerliche Stimme: Neferteri, Neferteri,
ich habe es gesehen! Was hast Du gemacht, das ich es sehen konnte?
Ich verstand immer noch nicht ganz. Was war passiert? Was hatte sie zu diesem Sinneswandel bewogen? Waren meine Gedanken so stark, hatte meine Schwesterliebe sie so erreicht, dass sie endlich verstand? Ja, so musste es gewesen sein!
Sie löste meine Fesseln und entfernte mir den Knebel. Oh Neferteri, verzeih' mir, bitte verzeih' mir. Ich war so blind vor Wut! Ich setzte mich auf und plötzlich lagen wir uns schluchzend in den Armen. Ich spürte ihre Wärme. Sie fühlte sich so zart an - wie damals - vor 3000 Jahren.... meine große Schwester. Es war wie ein Glücksrausch, der uns beide erfasste....
Ich hatte wieder eine Schwester!
Inmitten dieses wundervollen Gefühls bemerkte ich, wie er mich erfasste. Dieser seltsame Strudel, dem ich in letzter Zeit öfter begegnet war. Es wurde unruhig und wirbelnd kam ich zurück. Zurück in die Gegenwart. Etwas unsanft landete ich auf meinem Bett. Vor Schreck entwich meiner Kehle ein kleiner Schrei. Keine 5 Sekunden später flog die Tür auf und Mum stand mit dem Ankh in der Hand kampfbereit im Türrahmen. Kind!, rief sie und blickte mich fragend an.
Alles gut Mum, sagte ich nur, ich habe wieder eine Schwester.