Einer der Gründerväter des Staates Israel, David Ben-Gurion (1886-1973), hatte noch während des Ersten Weltkrieges erklärt, es sei nicht „unsere Absicht, die Araber zu verjagen, zu enteignen und ihr Land zu übernehmen“.
Er änderte 1937 seine Auffassung. Die Ursache war: Am 7. Juli 1937 schlug die Peel-Kommission erstmals die Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat vor. Gedacht war dabei auch an ethnische Säuberungen. Der „Bevölkerungstransfer“ hätte ca. 225.000 Araber auf der einen und 1250 Juden auf der anderen Seite betroffen.
Ben-Gurion erklärte begeistert: „Die Zwangsumsiedlung der Araber aus den Tälern des vorgeschlagenen jüdischen Staates“ – gemeint ist Galiläa – „könnte uns zu etwas verhelfen, was wir nie hatten. Uns wird eine Gelegenheit geboten, von der wir in unseren kühnsten Fantasien nicht zu träumen wagten… Jeder Zweifel unsererseits an der Notwendigkeit dieser Umsiedlung, jeder Zweifel, den wir an der Möglichkeit ihrer Durchführung aufwerfen, jede Unsicherheit unsererseits über ihre Gerechtigkeit könnte [uns] um eine historische Chance bringen, die vielleicht nicht wiederkehren wird. … Falls es uns nicht gelingt, die Araber aus unserer Mitte zu entfernen, wenn eine königliche Kommission diesen Vorschlag England unterbreitet, und sie in arabisches Gebiet umzusiedeln – das wird nicht leicht (und vielleicht überhaupt nicht) zu erreichen sein, wenn der [jüdische] Staat erst einmal errichtet ist … Das muss jetzt getan werden – und der erste Schritt – vielleicht der entscheidende – besteht darin, uns für [die] Durchführung zu rüsten.“
Die Durchführung fand während des sogenannten Israelischen Unabhängigkeitskrieges 1947/48 statt. Zu ihm gehörte das Niederbrennen von Dörfern, Erschießungen der Bewohner, Vergewaltigung der Frauen. Darum nennen die Palästinenser das Ereignis Nakba, Katastrophe.
Im April 1948 stürmten jüdische Truppen Haifa, wo mehr als dreißig Jahre später Omri Boehm geboren wurde. Innerhalb weniger Tage wurden 67.000 von den 70.000 palästinensischen Einwohnern aus der Stadt verjagt und getötet.
Die spätere israelische Premierministerin Golda Meir (1898-1978) war kurz nach der Übernahme Haifas durch jüdische Truppen dort und erklärte im Mai 1948: „Die tote Stadt bietet einen entsetzlichen Anblick. In der Nähe des Hafens fand ich Kinder, die Alten, die auf eine Möglichkeit warteten, wegzukommen. Ich ging in die Häuser, es gab Häuser, in denen noch Kaffee und Pitabrot auf dem Tisch standen, und konnte mir [den Gedanken] nicht verkneifen, dass dies in der Tat das Bild in vielen jüdischen Städten [im Zweiten Weltkrieg in Europa] gewesen war.“
Ich schlage nach: Golda Meir hatte mit fünf Jahren Europa verlassen und war mit ihren Eltern in die USA gezogen. 1921 war sie nach Palästina gekommen. Sie konnte also nicht wirklich vergleichen. Aber sie tat es trotzdem. Das war damals selbstverständlich.
Der Holocaust war noch nicht zu etwas Unvergleichlichem, zu einem Fetisch geworden, sondern erschreckend präsent. Noch trennte ihn kein Abgrund von den eigenen Untaten.
Der israelische Staat ist ein Produkt von Holocaust und Nakba. Die weitgehende Vernichtung der europäischen Juden durch Nazideutschland führte den überlebenden Juden vor Augen, dass sie ohne eigenen Staat, ohne Militär und Gewalt niemals aufhören würden, Opfer zu sein.
Mit der weitgehenden Vertreibung der Palästinenser wurden sie zu Tätern und errichteten ihren Staat. Beides lässt sich nicht rückgängig machen. Beides muss erinnert und muss vergessen werden. ...