... In Studien hat sich auch herausgestellt: Joggen, Boxsack oder Wutanfall bauen die Wut-Spannung nur kurzfristig ab. Langfristig hilft nur: »Die Gefühle spüren, sich aber nicht davon mitreißen zu lassen, sondern die Freiheit zu haben, die Energie der Emotion in gewünschte Bahnen zu lenken«, erklärt der Psychiater und Burn-out-Experte Georg Schürgers.
Wie das funktionieren kann, zeigt der amerikanische Rock-Musiker und Spoken-Word-Performer Henry Rollins: Alljährlich an Silvester fragt sich Rollins, ob er wütender ist als zu Beginn des Jahres. »Nur ein Jahr, das mich wütender macht, ist ein gutes Jahr!«, gibt er als seinen Wahlspruch aus. Wut ist seine Kraftquelle. Rollins ist wütend darüber, dass Menschen verdursten, während anderswo auf der Welt Wasser hektoliterweise verschwendet wird. Er ist wütend, weil totalitäre Regime in der Weltwirtschaft Erfolge feiern.
Bei seinen »Spoken-Word«-Auftritten überall in der Welt verwandelt er seine Wut in Überzeugungskraft. Er spricht zu seinem Publikum über Begegnungen in Burma, Vietnam oder Tibet, mit Witz und Selbstironie reißt er die Menschen mit. Er schont sein Publikum nicht, führt es auch zu den Abgründen der Globalisierung, zu Armut, Krieg und Kinderprostitution. Sein Ziel: Er will, dass sich jeder für das Wohl der Welt mitverantwortlich fühlt. Sich aktiv gegen Kriege und totalitäre Regime stellt. Dass man die Welt als Freund und nicht als Ausbeuter bereist. Tausende hören ihm zu – dem Wüterich im besten Sinne.