Wie wird man eine "post-covid"-Dauermüdigkeit los?

-Was ich immer so oft von anderen zu hören kriege, ist das "post-Covid" ein Ammenmärchen ist, keiner so recht dran glaubt und allgemein solche Leute gern als Hypochonder abgestempelt werden.
Wir haben einen Mann in der Firma, welcher Covid-19 kriegte, noch bevor es eine Impfung gab. Alter ungefähr 45 Jahre, sonst normale Gesundheit und normales Fitnessniveau, keine sonstigen Erkrankungen oder Übergewicht oder sonstwas. Dieser Mann war 8 Wochen lang ununterbrochen krank, bevor die Krankheit dann wegging. Danach hatte er einen Tinnitus, welcher bis heute andauert, und derartige Müdigkeitschübe, dass an eine normale Arbeitsbelastung nicht zu denken war. Das Problem war, dass die Müdigkeit so stark war, dass wenn er sich mal verausgabte (z.B. die Idee, er könne jetzt auch nur ansatzweise Sport machen oder eine längere Strecke zu Fuss gehen), er zwei Tage später die Rechnung kriegte, und er sich kaum mehr bewegen konnte.

Zuerst ging er zu verschiedenen Ärzten, die allesamt einzelne Symptome behandelten, bis er am Ende zig verschiedene Medikamente gleichzeitig schluckte. Diese nützten allesamt jedoch eher wenig. Das ging dann solange weiter, bis er zum ersten Mal von "Long-Covid" hörte. Als seine Ärzte auf dieses Phänomen aufmerksam wurden, änderte man seine Behandlung komplett, ging die Sache viel ganzheitlicher an, im Sinne dass man das alles als Symptome derselben Ursache verstand. Erst mit diesem Wechsel der Sichtweise begann sich seine Situation bedeutend zu verbessern. Mittlerweile sind ca 2 Jahre vergangen, und er arbeitet immer noch erst nur Teilzeit, weil die Müdigkeit zwar bedeutend besser ist, aber er eben noch immer nicht auf demselben Niveau wie vor der Krankheit ist.

Das ist sicher ein Extremfall, aber es gibt sie eben. Ein anderer Kollege in der Ausbildung mit ziemlich vielen Muskeln (macht Krafttraining), hatte vor wenigen Wochen Covid-19. Man sieht ihm die Müdigkeit schon von weitem an, und er meint auch, er sei zwar jetzt nicht mehr krank, aber noch immer oft derart müde, dass er sich kaum auf die Ausbildungsinhalte konzentrieren könne. Übrigens ist dieser Herr geimpft und geboostert. Keine Ahnung, wie es für ihn gewesen wäre, ohne Impfung.

Immerhin scheint es bei vielen Personen nach einigen Wochen dann abzuklingen und die Energie zurückzukommen.
 
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Nun fürchte ich sogar mit den Öffis zu fahren, weil ich ja meinen Ausstieg verschlafen könnte ...
Was auch immer du tust: Fahr bitte noch nicht Auto, bis das Problem gelöst ist! Die Haltestelle verschlafen ist nur ärgerlich. Aber man lebt dann anderswo noch genauso.

Es gibt Medikamente gegen Fatigue. Diese fallen teilweise unter das Betäubungsmittelgesetz. Ich hatte die mal, wegen MS. Die hießen Vigil, ich musste die selber zahlen, und jede Tablette hat 1 Euro gekostet. Ich weiß auch nicht, ob dir das was hilft, und ob du es bekommst. Aber fragen kannst du mal. (Bei einem Neurologen.)

Ansonsten ist meine Müdigkeit (auch wieder wegen MS) zwar nicht so ausgeprägt wie bei dir, aber ich behelfe mir mit so kleinen Tricks. Zum Beispiel geht es mir oft so, "was wollte ich jetzt noch? Ich habe keine Lust. Ich bin so müde." Was auf Dauer natürlich doof ist.

Daher habe ich eine Excel-Datei in der alle Sachen drin stehen, die ich tun muss bzw. sollte, mit Datum. Also auch die Termine, aber auch so etwas wie Wohnung putzen etc. Dann kann ich es zumindest schon mal nicht ganz vergessen.

Zusätzlich habe ich immer einen Block neben meinem Schreibtisch liegen. Da schreibe ich ganz banal die nächsten fünf Dinge auf, die ich jetzt tun werde. Derzeit z.B: "Kleidung herrichten, Bett machen, duschen, Mails lesen, Geschirr spülen". Dann beginne ich mit Punkt 1. Und sobald ich den erledigt habe, streiche ich ihn durch (was ich sehr motivierend finde) und schreibe unten den nächsten Punkt dran, z.B. "Yoga machen". Und so mache ich das den ganzen Tag. ... Es ist sicher nicht perfekt, aber es hilft, und ohne diese Stütze würde ich wohl noch viel weniger gebacken kriegen, und vor allem wäre es ohne diese beiden Hilfsmittel sehr viel stressiger. Also probier es mal aus, vielleicht hilft es auch dir. :-)
 
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Hier ein kurzer Eindruck von Personen mit Long-Covid: https://www.spiegel.de/panorama/ges...gel-tv-a-1ce98935-7d12-4938-a97b-b26f87d174f8

Eine der Patientinnen ist 28 Jahre jung. Sie schläft 16 Stunden am Tag, wenn sie keine Therapie hat. Eine andere erzählt, sie schaffe es oft kaum zum Briefkasten, sie benötigt jetzt einen Rollator, um überhaupt zu gehen.

Und nein, "Sport und Ernährung" helfen da nicht weiter, für Personen mit solchen Erkrankungen ist Sport gar nicht möglich.
 
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Ich hol das mal (in Auszügen) ins Forum, für jene, die bei Twitter nicht lesen können:

Ich empfehle die Lektüre nur für Menschen, die sich ausreichend resilient fühlen.

- Schwerpunkt für LongCovid sind die 36-50er Lebensjahre und damit die produktive Phase des Erwerbslebens

- Bei einem Teil der LongCovid-Symptome wird davon ausgegangen, dass sie bis zum Tode nicht verschwinden werden

- Bereits nach der Erstinfektion steigt das Risiko, im Folgejahr Herzstillstand, Tod, Diabetes, Herzinsuffizienz, Lungenembolie oder Schlaganfall zu erleiden um ca. den Faktor 2 an

- Als Grund für LongCovid werden persistierende Corona-Reservoirs in Geweben und/oder Immundysregulation vermutet

- Kinder (keine Hospitalisierung) leiden u.a. unter Leberschäden, akuter Lungenembolie, Myokarditis und Kardiomyopathie, venösen thromboembolischen Ereignissen, Lungenfunktionsstörungen, akutem Nierenversagen und Typ-1-Diabetes

- Bei LongCovid wurden virale Proteine und/oder RNA im Fortpflanzungssystem, im Herz-Kreislauf-System, Gehirn, Muskeln, Augen, Lymphknoten, Blinddarm, Brustgewebe, Lebergewebe, Lungengewebe, Plasma, Stuhl und Urin gefunden

- LongCovid geht einher mit dem Verschwinden bestimmter T-Zellen und dem erhöhten Auftreten von Autoantikörpern

- Blutzellen verändern sich so, so dass sie weniger Sauerstoff aufnehmen können

- Die Gefäßdichte verringert sich

- Herz-MRT-Studien ergaben bei 78% der untersuchten Personen eine Herzinsuffizienz; es wird davon ausgegangen, dass die Herzanomalien erhalten bleiben

- Bei Erkrankten hält das erh. Risiko kognitiver Beeinträchtigungen (Hirnnebel), Krampfanfälle, Demenz, Psychosen + andere neurokognitive Erkrankungen mind 2 Jahre an

- Corona führt zu Nervenfaserverlust in der Hornhaut des Auges und zu veränderter Pupillen-Reaktion

- etwa die Hälfte der Personen (Erwachsene/Kinder) mit LongCovid erfüllt die Kriterien für MECFS

- 20-40% der LongCovid-Personen litten mind. 7 Monate nach der Infektion immer noch unter Kurzatmigkeit und Husten

- Die Zusammensetzung der Darmmikrobiota ist bei Patienten mit Corona und LongCovid signifikant verändert

- Gelenk- und Rückenschmerzen, Haarausfall, Sehstörungen, Schwellungen der Gliedmaßen treten nach einem Jahr häufiger auf als nach 2 Monaten

Die Quelle von @olewin@mastodon.social ist eine Studie (Englisch)
https://www.nature.com/articles/s41579-022-00846-2
 

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