Liebe Ping,
dass Du die Schriftgelehrten und die wissenschaftliche Betrachtung Bibel der Bibel in einen Topf wirfst, mag aus deiner Sicht schlüssig erscheinen, entspricht aber nicht den Tatsachen. Die Schriftgelehrten beschäftigten sich nicht mit den historischen Zusammenhängen und Fakten, sondern mit der Auslegung der Bibeltexte und den Lehrinhalten selbst. Schau dazu einmal zu den ultraorthodoxen Juden im heutigen Israel, da wirst Du deren beliebte Tradition des „Studiums“ der Thora und des Talmuds wiederfinden können.
Wie schon bei Jeremia hatte auch Jesus die biblischen Texte nicht infrage gestellt, sondern die Art ihrer Auslegung und das daraus entstehende Machtmonopol der scheinbar Wissenden. Jeremia hatte in klaren Worten davon gesprochen, dass jeder das Wort Gottes in der Bibel selbst lesen kann, ohne dazu die Auslegungen der Schriftgelehrten zu kennen. Das war übrigens auch das Anliegen Luthers, das ihn bewog, die Bibel zu übersetzen.
Jeremia 8[8] Wie möchtet ihr doch sagen: „Wir wissen, was recht ist, und haben die Heilige Schrift vor uns. Ist es doch eitle Lüge, was uns die Schriftgelehrten sagen?“
Lukas 11[52] Wehe euch Schriftgelehrten, den ihr habt den Schlüssel der Erkenntnis weggenommen. Ihr kommt nicht hinein und verwehrt denen, die hineinwollen.
Ja, es gibt in manchen von uns diesen Schriftgelehrten, der hier krampfhaft an einer überkommenen Lehre festhalten möchte. Die Bibel schildert eine Geisteswelt, die schon längst untergegangen ist und nun versuchen die „Schriftgelehrten“ verzweifelt, sie mit den Hoffnungen und Werten des Hier und Jetzt neu zu füllen.
Was bleibt aber dann von dieser Bibel, wenn alles bis auf das letzte Wort mit Neuem überschrieben wurde? Sollte nach der Lehre die Bibel nicht eine Konstante sein und nun wird sie zu einer Variablen der Beliebigkeit. Was ist das denn für eine Lehre, die ein einfacher Mensch nicht mehr verstehen kann und er dazu eines Schriftgelehrten bedarf? Sind wir denn seit Jeremia in diesem Punkt der Lehre einen Deut weitergekommen?
So wie es bei der Kanonisierung der christlichen Bibel klüger gewesen wäre, das Alte Testament zur Seite zu legen – so sollten wir auch einmal das Neue überdenken. In der Bibel wurde von den Menschen ja schon mehrfach Bündnisse mit Gott geschlossen – wäre es da nun nicht an der Zeit über ein neues nachzudenken?
In der Geschichte des Christentums gibt es viele Persönlichkeiten, die schon längst einen solchen Neuen Bund geschlossen hatten. Das Problem liegt aber an den „Schriftgelehrten“, die den Schlüssel der Erkenntnis nicht aus der Hand legen wollen.
Das Evangelium von Jesus bestand aus zwei schlichten Sätzen, die noch jeder verstehen konnte – auch wenn sie das Alte Testament nicht kannten:
Markus 1 [14] Nachdem Johannes überantwortet war, kam Jesus nach Galiläa und predigte das Evangelium vom Reich Gottes [15] und sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium.
Eventuell könnten wir ja aus der Geschichte des Christentums ja etwas lernen, aber warum sollte wir das gerade hierbei tun – wenn es uns im Allgemeinen schon nicht gelingt?
Merlin