dass er etwas Böses getan hat - kann er dann überhaupt schuldig sein?
Wenn einer z. B. jemanden anderen emotional sehr verletzt, und dieser jemand diese Verletzung nicht anerkennt, weil das seiner Ansicht nach nicht verletzend gewesen sein kann, und der Mensch vielleicht sogar noch geglaubt hat, er tut etwas Gutes. Ist der Mensch dann überhaupt schuldfähig?
Hängt Schuld daran, dass man versteht, dass man falsch gehandelt hat?
Ich denke erstens nicht, dass es einen personalen Gott gibt, der moralische Normen, wie man es aus den meisten Religionen kennt, festgelegt hat. Und ich glaube auch nicht, dass philosophische Positionen haltbar sind, die eine objektive Ethik begründen wollen (wie Utilitarismus, deontologische Ethik usw.), wobei moralische Systeme nützlich sein können wenn man zum Beispiel sich selbst auf die Schliche kommen will, sofern man zumindest für sich beansprucht, dass es zum Beispiel irrational ist sich selbst etwas zu erlauben, was man anderen nicht zugesteht. Und da kann ein Wertesystem für Konsistenz sorgen.
Dass Menschen insgesamt oft ähnliche ethische Positionen vertreten hängt aber daran, dass ethisches und soziales Verhalten eine evolutionäre Grundlage hat. Und das kann man positiv sehen, denn die Evolution bringt nur Dinge hervor, die auch funktionieren, insofern ist es keinesfalls so, dass die Schurken quasi immer einen Vorteil haben. Haben sie nicht jederzeit, denn sonst wären die meisten von uns nicht moralisch, empathisch usw.
Aber es ist am Ende subjektiv. Wenn dein inneres Programm nicht so läuft, dass du etwas für böse hältst, was andere für falsch halten, dann bestraft dich vielleicht die Gesellschaft, aber es ist tatsächlich nicht garantiert, dass du es auch so siehst, dass es falsch war. Davon abgesehen gibt es natürlich auch Leute, die gegen ihren inneren ethischen Kompass gehen, und die müssen dann auch innerlich mit der Schuld leben (plus mögliche Strafen durch die Gesellschaft). Es könnte aber tatsächlich sein, dass jemand quasi eher wie ein weißer Hai ist, Psychopath usw.
Aber das ändert nichts an meiner Auffassung, dass man einen "menschlichen Hai" stoppen muss, weil mich Schuld da nicht wirklich interessiert. Mir geht es darum mich und andere zu schützen und zusätzlich müssen Strafen abschreckend sein, um Leute unter Kontrolle zu halten, bei denen Empathie und Gewissen nicht ausreichend sind.
Ganz abstrakt gesehen führt das dennoch dazu, dass ich auf der allerletzten Ebene nicht demonstrieren kann, dass ich irgendeine Wahrheit auf meiner Seite habe, gegenüber "Superschurken" auf der anderen Seite. Es ist mehr eine Auseinandersetzung zwischen meiner Seite und denen die ich unterstütze, gegenüber anderen, die mir/uns quasi in die Quere kommen. Trotz allem (wie Mobbing in der Schule) mag ich Leute mehr oder weniger und Kriegsverbrecher zum Beispiel tun das nicht. Sie sind der Gegner, und es ist mir egal, ob sie sich für schuldig halten oder nicht. De facto ist es sogar so, dass jemand, der sich schuldig fühlt, potentiell integrierbar ist. Ist das nicht der Fall besteht eine größere Gefahr für die Gesellschaft.
Natürlich sollte ein moralischer Subjektivist (wie ich) aber ziemlich liberal sein und nicht wild für alle möglichen Verhaltensweisen (wie dass zum Beispiel Homosexualität nach Bibel verboten sein soll, oder dass Sex vor der Ehe falsch ist usw. usf.) Strafen und gesellschaftliche Ächtung fordern. Im Zweifel lässt man die Leute dann in Ruhe, die eigene ethische Intuition ist keine göttliche und/oder objektive Wahrheit.
P.S: Ein subjektiver Moralist antwortet quasi auf den Religiösen, der die Frage in den Raum stellt, warum Atheisten nicht wild morden, wenn es ihnen kein Gott verbietet, dass er das schlicht nicht will, es seiner eigenen subjektiven Natur zuwider ist.