Toffifee schrieb:
Hi Wyrm!
Eine schlüssige Antwort auf die Frage kann ich Dir leider nicht bieten, da ich kein Philosoph bin. Aber ich würde mich dieser Frage von Seiten der Verhaltensforschung oder Psychologie nähern... Affen können sich z.B. im Spiegel sehen, begreifen aber nicht, daß ihr Spiegelbild sie selbst darstellt. Und dann fällt mir spontan der Satz von René Descartes ein:
Cogito ergo sum.
Liebe Grüße
Toffifee
Fühlen und Sein
Wie entsteht Bewusstsein?
Von Birgit Dahlheimer.
Weshalb erkennen wir unsere Umgebung, wie können wir sie mit uns selbst in Zusammenhang bringen, wie und warum wissen wir überhaupt? Nicht mehr und nicht weniger als die Frage, wie Bewusstsein vom menschlichen Gehirn konstruiert wird, versucht Antonio Damasio in seinem Buch zu beantworten.
Essenzielle Voraussetzung dafür, dass wir um unser Selbst wissen, ist unsere Fähigkeit, zu fühlen, ist der kunstsinnige Neurologe überzeugt, der letzte Woche in Wien war, um die Konzerte des Beethoven-Zyklus' zu hören. Der Zusammenhang zwischen Gefühl und Selbst-Sinn wird in "Ich fühle, also bin ich" dargelegt. Wichtig für das Verständnis dafür ist, Emotion und Gefühl auseinanderzuhalten.
Antonio Damasio: "Gefühle unterscheiden sich von Emotionen insofern, als Gefühle unsere mentale Repräsentation einer Emotion sind. Das heißt: Eine Emotion äußert sich in Verhalten, der Organismus antwortet, in den Organen verändert sich etwas, das Herz schlägt zum Beispiel schneller, Muskeln und Hormone verändern sich, das sind alles irgendwie nach außen gerichtete Antworten. Das Gefühl auf der anderen Seite ist etwas sehr Inwendiges, es ist privat, etwas, das im Geist passiert, aber es ist die mentale Repräsentation der Emotion."
Mit der Fähigkeit zu fühlen steigt die Bedeutung der Emotion. Ein Objekt, das Verhalten auslöst, wird so mit etwas inwendig Gefühltem verbunden. Auch die Gefühle ihrerseits basieren aus biologischen Vorgängen:
Antonio Damasio: "Wenn Sie ein Gefühl haben, dann gibt es die verschiedensten Hirnregionen, die zum Beispiel den Zustand des Herzens registrieren, oder der Lunge, oder des Magens. Sie registrieren die Chemie, wie etwa bestimmte Peptide oder Chemikalien durch das Blut fließen, oder in welchem Zustand die Muskeln sind - für all das gibt es bestimmte Hirnregionen. Und all diese Regionen zusammen geben ihnen das Gefühl."
Hirnregionen, Netzwerke aus Nervenzellen, in denen einige Zellen aktiver sind als andere und so neuronale Muster entstehen lassen. Das, was ein Gefühl ausmacht, geht aber über diese Nervenzell-Muster im Gehirn hinaus.
Antonio Damasio: "Aus diesen neuronalen Mustern, die durch Nervenzellen und deren Aktivität zustande kommen, entsteht nun ein mentales Bild. Das neuronale Muster ist also die Basis, der Teil, den wir Neurowissenschafter beschreiben, aber wir wissen, dass dieses Muster in etwas anderes konvertiert wird, das genau so physikalisch, genau so biophysikalisch ist, und das ist diese mentale Vorstellung, das mentale Muster."
Viele Facetten des Bewusstseins hat die Neurowissenschaft in den vergangenen Jahren aufgedeckt. Bekannt ist etwa, was - im Gehirn - den Unterschied zwischen Koma, Schlaf und Wachsein ausmacht, oder welche Hirnareale bei welchen Reizen aktiviert werden. All das erklärt auch Antonio Damasio in seinem Buch auf anschauliche Weise - und er zeigt, wo das größte noch zu lösende Rätsel liegt: nämlich genau darin, die Essenz dieser mentalen Vorstellung zu beschreiben, ohne die es nicht möglich wäre, in jedem wachen Moment zu wissen, wer und wo man ist. Voraussetzungen für dieses Wissen sind zweierlei:
Antonio Damasio: "Zum einen ist es der Film im Hirn, wie ich es nenne. Damit meine ich die Fähigkeit, Bilder zu schaffen - also zum Beispiel das visuelle Bild von mir, von diesem Raum, von den Geräuschen hier, und so weiter. Zum anderen braucht man aber auch ein Selbst-Bewusstsein.
Wenn Sie sich ihrer selbst nicht bewusst sind in diesem Prozess, dann gibt es keine Möglichkeit, dass Sie davon wissen. Die Fähigkeit, zu wissen,
Bewusstsein zu haben, hängt also sowohl von der Konstruktion mentaler Vorstellungen der Objekte eines Moments ab, als auch davon, eine mentale Vorstellung des eigenen Selbst zu konstruieren, damit man das Subjekt, der Wissende in dem System sein kann."
"Die Entschlüsselung des Bewusstseins" ist der Untertitel zu Damasios Buch, aber auch, wenn die allerneuesten Erkenntnisse der Forschung zusammengetragen werden, um Bewusstsein und Gefühle zu erklären, so ist das immer noch nicht das Gleiche, wie Bewusstsein und Gefühle zu haben, räumt auch der Autor ein:
Antonio Damasio:
"Es ist ein Unterschied, zu erklären, wie etwas funktioniert, und dieses Etwas zu erleben. Sie können alle Erklärungen der Welt haben, und es ist immer noch nicht das Gleiche wie die Erfahrung. Die Erfahrung ist etwas sehr Einzigartiges.
Aufgabe der Wissenschaft ist es, zu erklären, wie Dinge funktionieren, was die Mechanismen dahinter sind - aber das ist etwas anderes. Das ist etwa so wie der Unterschied zwischen einem Buch, das erklärt, wie eine Boeing 774 zusammengebaut wird, und einem Flugzeug, das tatsächlich fliegt."
Ein spannendes Buch, das erklärt, wie unser Bewusstsein zusammengebaut ist, hat Antonio Damasio geschrieben - das Fliegen bleibt weiterhin jedem Einzelnen überlassen.
Antonio R. Damasio, "Ich fühle, also bin ich"
Karuna