schneekönigin;3250748 schrieb:
Leider wird hier trotzdem nur weitergetreten. Das ist schade.
Ist es Zufall, dass du die Einzige bist, die ansatzweise verstanden hat, was ich sagen wollte? Dass es mir lediglich darum ging, dass ZUVIEL in diese "Zeichen" hinein interpretiert wurde bzw. dass nicht immer alles Zeichen sind, was man gerne so hätte?
Ich denke nicht. Und weil zumindest ich auch ein wenig Feingefühl besitze, werde ich nun auch zu anderen Dingen meinen Schnabel halten. Für mich ist es nur kaum aushaltbar. Interessiert es jemanden? Das sowieso nicht. Aber dann lasst es bitte auch allesamt euch als soooo feinfühlig zu beschreiben.
Ja, ich kann das gut verstehen, Schneekönigin, daß das schwer aushaltbar ist. Mir ging es ebenso. Ich glaube die Feinfühligkeit besteht in der Auswahl des Zeitpunktes, an dem man beginnt, eine Trauernde mit ihrer Illusion zu konfrontieren. Denn ohne Weiteres kann man ja das Leben als Trauernder als "Desillusionierung" betrachten. Ein Mensch löst sich von seinem "geplanten", seinem angenommenen und erhofften Lebensweg, nachdem ein Schock eingetreten ist.
Es ist normal, den Verstorbenen nicht gehen lassen zu können. Weniger "normal" ist der Zusammenhang im Trauernden, von dem er normalerweise nicht berichtet: seine innere Welt, in dem sich das bisher gelebte Gefühl für einen Menschen aus dem eigenen Gefühl trennt.
Der Weg, diese Trennung vermeiden zu wollen, ist letztlich glaubensabhängig. Es gibt Kulturen, deren Glauben besagt, daß Verstorbene ihr Leben weiterführen, in einem Paralleluniversum. Dort leben sie, nur feinstofflicher als wir, noch immer mit uns zusammen.
Andere Kulturen erklären sich den Weg des Verstorbenen als von uns fortführend, z.B. hin zu Gott. Zurück bleibe der Lebende, der Verstorbene bliebe in der Erinnerung, habe aber keine eigene Form mehr und könne daher auch nicht mit uns in Kontakt treten. (Ausnahme: Heilige und Seelige, was den Katholizismus betrifft. Ein Kontakt mit einem Verstorbenen und z.B. das Empfangen einer Botschaft von ihm ist ja mitunter Anlaß für Seeligsprechungen, denen nicht selten dann eine Heiligsprechung folgt.)
Dieses Kontakthaben zu Toten hat also etwas mit der Silbe "heil-" zu tun. Die Toten leben in einem "Heiligen Raum" - dieser Aspekt ist mehr oder minder allen Kulturen gemein. Unser Kontakt dahin "heiligt" die Toten und "heilt" uns selber in unserer Trauer.
Eine spirituelle Frage ist nun, wie man hier als Lesender den Weg der trauernden Puschel empfindet. Ich persönlich bin westlich orientiert in dem verstehenden Teil meines Lebens, ich habe einen westlichen Verstand, der sich im westlichen Wissen orientiert. Hier im Westen reden die Meisten von Geist, Körper und Seele als eine Ganzheit, die den Menschen darstellt. Diese Ganzheit stirbt beim Tod und damit auch ihre drei Teile in der Form, in der wir sie als Menschen wahrgenommen haben.
Der Geist bleibt uns erhalten: wir können den Verstorbenen erinnern, also ist er Teil unsere Geistes, wenn auch in der Vergangenheit. Wir können aber auch unsere Erinnerung nutzen um die Zukunft zu planen, z.B. indem wir eine Sichtweise oder den Blickwinkel eines Verstorbenen einnehmen und seine Wahrnehmungen unsere Handlungen der Zukunft mitgestalten lassen.
Der Körper bleibt uns ebenso erhalten: er wandelt seine Form, wird zu Asche, Erde, Staub. Er geht zurück in die Mutter Erde, bleibt ein Bestandteil der planetaren Masse, die uns alle hervorgebildet hat. Er geht also zurück in einen Kreislauf des Werdens und Vergehens.
Die Seele, wie man sagt, "transformiert" zeitlebens. Daß die Seele das Wandelnde ist, der Geist das Lernende und der Körper das Experiment, das erlebbarste Phänomen in uns, ist so in etwa allen Kulturen bewußt. Der Unterschied liegt jedoch in der Vorstellung der Seele und dem Vorgang der in ihr geschieht, wenn es zur Geburt bzw. zum Tod kommt.
In sehr vielen Kulturen wird angenommen, daß die Seele einen außerordentlichen Prozeß bei der Inkarnation durchläuft, um in einem Menschenkörper mit einem Menschengeist wandeln zu können. Es wird berichtet, daß die Inkarnation als Mensch "die höchste Form" des Seins anbiete, der Mensch sei die Krone der Schöpfung, ein Leben als Mensch biete den meisten Lebens- und Lernstoff an. Daher sei auch die Möglichkeit zur Wandlung der Seele in einem Menschenleben grösser als die Möglichkeit zur Wandlung in einem Tier- oder Pflanzenkörper. In manchen Kulturen glaubt man auch, man würde als Stein wiedergeboren, wenn man in einem Menschenleben allzuviel falsch gemacht habe.
Diese ganzen, sehr diversen inneren Glaubensvorstellungen von dem, was Seele ist und welche Bedeutung sie für uns hat, macht uns beiden, schneekönigion, meines Erachtens diese "Verdrehung", die wir spüren, wenn wir lesen, daß ein Mensch nicht loslassen will so, wie wir das verstehen. Wie wir es lernen mußten.
Aber bei Tageslicht gibt es unzählige Arten, den Tod als Phänomen zu lösen, damit er sich nicht allzu schädlich auf uns auswirkt. Es geht letztlich um Heilung, denke ich, und wer heilt, hat Recht. Und solange Puschel von ihrem Trauma heilt, ist doch alles in Ordnung.
lg
(dennoch finde ich es wichtig, daß auch eine Orientierung in diese Richtung gegeben wird, in die ich mich schreibend bewege: den Verstorbenen loslassen, ihn in's Licht gehen lassen, denn dahin ist er längst aufgebrochen. Dafür ist es nötig, sich erinnern zu lernen, damit der Verstorbene langsam zur eigenen Vergangenheit wird und der Schockzustand, der durch den Tod eingetreten ist, heilt. Jeder einzelne Mensch braucht dafür Wochen, Monate, Jahre. Immer wieder lasse ich daher an Jahrestagen und Feiertagen "meine" Verstorbenen in's Licht gehen. Ich erinnere sie als Teil meines Lebens, sie sind Teil von mir und ich kann in mir drin mit ihnen sprechen, kann sie mir vorstellen und kann sie als einen Teil von mir wissen. Aber ich weiß: sie sind tot. Der Kontakt mit ihnen ist "nur" in mir drin. Daß das so noch sein kann, ist der Trost, würde ich sagen.)
Und damit möchte ich noch mein ganz, ganz herzliches Beileid aussprechen an den armen, lieben Menschen, der sich hier offenbart und dem ich dafür dankbar bin, daß ich es lesen kann. Es hilft mir auch selber noch einmal, mit meinen eigenen Toten umzugehen. Sie sitzen gerade alle da und fragen mich: "Hast DU mich wirklich schon losgelassen?" Will ich das überhaupt, antwortet es da in mir zurück.