Judenräte - Instanzen der Ohnmacht
Die Funktion der Judenräte kann man wie folgt zusammenfassen: "Die Diskussion um die Judenräte rührt an das jüdische Selbstverständnis nach 1945 und verdeutlicht zudem, dass der Mensch durch die nationalsozialistische Vernichtungspolitik sogar noch der Würde des Opfers beraubt wurde."
Eines der Beispiele beschreibt den Fall des "Gruppenführers" Wilhelm Reisz, der zunächst freiwillig für die israelische Kultusgemeinde tätig war, wobei er sich als besonders geschickt erwies, ausreisewilligen Juden Pässe zu beschaffen, dann aber von der SS für "Judenaushebungen" angefordert wurde. Nach dem Krieg zu 15 Jahren Haft verurteilt, erhängte er sich. In vielen Fällen wurden jüdische Opfer, die sich unter den Nationalsozialisten unter permanenter Lebensgefahr befanden, erneut zu Opfern gemacht, indem sie sich für ihr Überleben rechtfertigen mußten. Wilhelm Reisz war kein "verhinderter Nazi", sondern war in äußerster Not und unter Zwang in das Verbrechen verstrickt worden: Er musste immer genügend Opfer zum Abtransport finden, sonst haftete er mit seinem eigenen Leben. Zur Kooperation zwang man ihn durch die Drohung, an seiner statt könne auch die Hitlerjugend tätig werden. Kooperation schien das geringere Übel zu sein.
Sie (die Judenräte) versuchten, die Lebensmittelverteilung zu organisieren, Krankenstationen, Altenheime, Waisenhäuser und Schulen aufzubauen. Zugleich versuchten sie mit den ihnen verbliebenen Möglichkeiten, den Zwangsmaßnahmen entgegenzuwirken und Zeit zu gewinnen. Dazu verzögerten sie die Umsetzung der Befehle und bemühten sich, diese abzuschwächen, indem sie Rivalitäten verschiedener Besatzungsstellen auszunutzen versuchten. Sie stellten ihre Arbeitskräfte als möglichst unentbehrlich für die Deutschen dar, um ihre Versorgungslage zu verbessern und die Deutschen zur Rücknahme einiger Kollektivstrafen zu bewegen.
Dies gelang jedoch nur sehr begrenzt; auch führte die allgemeine aufgezwungene Notlage vielfach zu persönlichen Vorteilsnahmen, Günstlingswirtschaft und Protektionismus der relativ Begüterten. Dies führte in den jüdischen Gemeinden zu heftiger Kritik und teilweise Ablehnung der Judenräte.
Es wurden also ganz gezielt auch die menschlichen Schwächen der Menschen ausgenutzt. Diese menschlichen Schwächen sind aber in allen Gruppierungen zu finden und nicht nur bei den Juden. Die Nazis missbrauchten die Judenräte zu ihrem Zweck, gaben ihnen aber keinerlei Autonomie oder Gestaltungsspielraum. Somit waren die Judenräte Instanzen der Ohnmacht. Den Juden dieses vorzuwerfen ist eine ungeheure Unverschämtheit und soll nur von den grausamen Verbrechen der Nazis ablenken.
Judenräre I
Judenräte II