"Hellingers Verfahren ist reiner Humbug"
Bert Hellinger ist der derzeit wohl einflussreichste Psycho-Guru.
Seine "Familienaufstellung" wird von approbierten Psychotherapeuten ebenso angeboten, wie von zahllosen illegalen Seelen-Heilern, Psychomarkt-Anbietern sowie öffentlichen und privaten Fortbildungseinrichtungen.
"Protofaschist" (>>) Hellinger verharmlost Hitler und den Nationalsozialismus. Schuld an sexueller Gewalt sind für ihn das Schicksal und das Opfer. Dieses habe sich beim Täter zu entschuldigen.
Hellinger: "(Das) jüdische Volk (findet) erst dann seinen Frieden mit sich selbst, mit seinen arabischen Nachbarn und mit der Welt, wenn auch der letzte Jude für Hitler das Totengebet gesprochen hat" ("Mit der Seele gehen", 2001, S. 50).
Jetzt hat Hellinger auch noch Hitlers "kleine Reichskanzlei" bei Berchtesgaden bezogen.
Und eine Art Rede an Adolf Hitler veröffentlicht
Der Psychoguru
Anton Johann Hellinger, genannt Bert Hellinger, hat eine angebliche Psychotherapie namens "Familienaufstellung" erfunden.
Oder besser: Aus Elementen anderer Psychotherapien zusammengebaut.
"Aufstellung" ist wörtlich gemeint: Den Teilnehmern wird gesagt, wo sie sich hinzustellen haben.
Sie werden aufgestellt wie die Figuren eines Schachspieles.
Zum Beispiel auf einer Bühne oder wie auf einer Bühne.
Der Therapeut gibt präzise Regieanweisungen (vgl. Schlee >> Seite 25), der Dialog wird wie in einem Drehbuch vorgeschrieben. Die Gefahr ist gross, dass in Wahrheit garnicht auf den Kunden eingegangen wird, sondern dass auf Kosten des Kunden oder der Krankenversicherung ein für manche unterhaltsames Event veranstaltet wird.
Ein Event mit grossem Risiko, denn Psychotherapien haben Risiken und Nebenwirkungen wie Medikamente auch.
Familienaufstellen ist somit meist auch ein "Event", bei dem Akteure und Zuschauer austauschbar sind und zu bezahlen haben. Dritte werden einbezogen, die keine Zustimmung dazu gegeben haben, die aber oft genug leicht identifizierbar sind.
Bleibt abzuwarten wann die ersten Prozesse dagegen geführt werden.
Ein solcher Prozess könnte sich durchaus auch gegen den Therapeuten richten.
2000 Therapeuten, davon nur 10 % "offizielle", wenden die Methoden eines Heilers an, der seinerseits keine Zulassung besitzt und wohl glaubt, mit Show-Heilungen das Gesetz umgehen zu können. Einnahmen für eine vom Spiegel geschilderte Show: 155.000 Euro. Auf seiner Website bot er im Oktober 2003 Videos zum Gesamtpreis von 1.275 Euro an.
Meist ernennt der Therapeut andere zu Stellvertretern, etwa des Vaters, der des sexuellen Missbrauchs beschuldigt wird. Hellinger sagt zwar: "Der Vater ist immer unschuldig". Aber das weiss der Beschuldigte ja nicht und wird deshalb wohl kaum kommen. Der "Klient" muss sich vor dem Vater-Stellvertreter aufstellen und der Therapeut kommandiert: "Schau ihn an". Der Therapeut sagt dem Klienten, was er dem Vater zu sagen hat: "Lieber Papa!". Autor Jörg Schlee: "Im Zusammenspiel mit dem langen Blickkontakt erzeugt dieses Arrangement einen emotionalen Überdruck, der fast immer zu Tränen und innigen Umarmungen führt" (Goldner>> S. 34). Das gilt auch für viele Talkshows.
Der Protofaschist
"Familienaufstellen nach Hellinger" - so wird die Methode vielfach genannt und manche Therapeuten wollen damit angeblich aussagen, dass sie von Hellinger nur bestimmte Aspekte übernommen haben. Manche wollen sich damit gegen Hellingers obskure Weltanschauung absichern. Fritz R. Glunck bezeichnet im Titel eines Buchbeitrages (>>) nicht ohne Grund Hellinger als "Der Protofaschist": "Immer wieder drängt es ihn ... hinab in das verworrene Dunkel seiner politischen Mystik". So auch wieder 2004 (>>).
Zahllose Sekten und Anbieter des Psychomarktes benutzen ähnliche Methoden, um emotionale Spannungen aufzubauen und diese sich nach Kommando entladen zu lassen, wodurch Wohlbefinden entsteht.
Auch Scientology-Gründer L. Ron Hubbard behauptete, eine neue Psychotherapie entwickelt zu haben. Auch dabei spielen der intensive Blickkontakt und die dadurch erzeugten emotionalen Spannungen und deren Abbau eine erhebliche Rolle, vgl. Der starre Blick.
Helllinger war lange als illegaler Therapeut tätig. Inzwischen beschränkt er sich angeblich darauf, seine Methode zu lehren. Allerdings scheint er dabei nicht selten echte Patienten zu benutzen. Ob er sich im Einzelfall wegen verbotener Heilbehandlung strafbar macht, hängt davon ab, was diese von ihm erwarten (>>). Vielleicht war er deshalb lange überwiegend im Ausland tätig.
Derzeit scheint eine Unterrichtseinrichtung in Planung, im Aufbau oder bereits in Aktion zu sein. Das hängt wohl auch mit Hellingers Scheidung und Wiederverheiratung zusammen. Seine neue Ehefrau: Marie-Sophie Erdödy. Zu dieser und ihrer Firma mehr unter
Hellinger und Hitlers Reichskanzlei in Berchtesgaden
Das Buch mit der Bezeichnung Hellinger als "Protofaschist" war schon längere Zeit auf dem Markt, als bekannt wurde, dass Hellinger Hitlers "Kleine Reichskanzlei" bezogen hat. Hellingers gedankliche Nähe zu Hitler war also schon lange bekannt.
Wenn die Gerüchte stimmen, wonach die Hellingers in der Umgebung der Reichskanzlei Immobilien gekauft (die Villa Askania) oder sich deren Nutzung gesichert haben (die Rede ist insbesondere von einer benachbarten ehemaligen Kurklinik) und wenn man Hellingers esoterische Neigungen und Erdödys berufliche Herkunft berücksichtigt, dann muss man wohl daraus schliessen, dass dort ein grösseres Esoterik-Zentrum geplant wird.
Das Psycho-Hauptquartier
AUS BISCHOFSWIESEN
JÖRG SCHALLENBERG
Erst Mitte der Neunzigerjahre enthüllte ein amerikanischer Major eher zufällig, dass Hitler in Stanggaß eine Art zweite Reichskanzlei installiert hatte. In der "Dienststelle Berchtesgaden", wie das 1937 errichtete Gebäude offiziell hieß, ließ der Führer den Reichskanzlei-Chef Heinrich Lammers die Regierungsgeschäfte abwickeln, wenn er, wie so oft, in seinem Domizil in der "Alpenfestung" weilte.
Als die US-Soldaten 1996 abzogen, fiel das Gelände an den Bund, der es nach langen Querelen um die mögliche Nutzung als Museum oder Hotel an eine Gruppe privater Investoren verkaufte. Jetzt werden die Armeegebäude zu Wohnungen umgebaut - für einen Teil der ehemaligen Reichskanzlei hat sich allerdings bereits ein Mieter gefunden, ein prominenter sogar. Und zugleich ein ziemlich zweifelhafter. "Hellinger-Schule" steht auf dem Klingelschild unter dem nunmehr hakenkreuzlosen Holzadler. Wir klingeln.
Hier, genauer gesagt in Hitlers ehemaligem Arbeitszimmer, Urbanweg 28, Bischofswiesen, residiert seit einigen Monaten Bert Hellinger, hochumstrittener Psychoguru, der ein eigenartiges Verhältnis zum Nationalsozialismus und zu NS-Tätern propagiert. Hellinger, 78, ist durch die von ihm betriebenen so genannten Familienaufstellungen berühmt geworden.
Die Methode ist ziemlich simpel und gut geeignet, vor größerem Publikum angewandt zu werden: Um Konflikte innerhalb der Familie zu demonstrieren, stellen Betroffene zufällig ausgewählte Zuschauer auf eine Bühne, die dort die Rollen von Verwandten einnehmen sollen. Mit ein paar Sätzen Information zur jeweiligen Familiengeschichte und manchmal innerhalb einer Viertelstunde kann Hellinger so auch schwerste physische und psychische Probleme erkennen und ausräumen - zumindest behauptet er das.
Das Geheimnis seiner Methode, so erklärt Hellinger in diversen Büchern und Schriften, besteht in einem von ihm so bezeichneten "wissenden Feld", das während der Familienaufstellungen auf mysteriöse Art und Weise entsteht und das allein der Aufsteller, also er selbst, deuten kann. Diese Form der Therapie im Schnellstverfahren hat dem früheren Weltkriegssoldaten und Missionar in Südafrika innerhalb weniger Jahre einen gigantischen Erfolg beschert: Weit über eine halbe Million Lehrbücher und Videos hat Hellinger in Deutschland verkauft, mittlerweile werden seine Werke in diverse Sprachen übersetzt und verbreiten sich weltweit. Zu den Großveranstaltungen, auf denen auch intimste Probleme ausgebreitet werden, kommen oft über 500 Besucher.
Gern berichten Teilnehmer von der besonderen Ausstrahlung, die Hellinger auf der Bühne hat. Abseits der Bühne ist davon allerdings wenig zu spüren. Interviews mit kritischen Medien lehnt er seit Jahren ab - telefonische und schriftliche Interviewanfragen der taz blieben unbeantwortet. Und so schaut er etwas verwundert auf den unangemeldeten Besuch, als er die schwere Haustür öffnet: ein weißhaariger Mann im grauen Jogginganzug, der wesentlich jünger als 78 wirkt. Mittelgroß, mit einem fragenden Lächeln.
Antworten gibt er dagegen nur ungern - weder auf die Frage, ob es einen bestimmten Grund hat, dass er ausgerechnet in Hitlers ehemaliger Reichskanzlei-Außenstelle wohnt, noch auf die nach seinem Verhältnis zum Nationalsozialismus. "Da ist doch schon die Frage falsch gestellt", ärgert sich Hellinger, "warum ist das denn überhaupt ein Thema für Sie, dass ich hier wohne?"
In erster Linie, weil Bert Hellinger den Nationalsozialismus und den Umgang mit NS-Tätern selbst immer wieder zu seinem Thema macht - in seinen Werken und bei seinen Aufstellungen. Und leider oft verharmlosend. So findet sich auf seiner Homepage prominent platziert und ausführlich beschrieben das Beispiel einer Familienaufstellung, bei der es darum geht, dass der Großvater eines hyperaktiven Jungen bei der Waffen-SS war. Nachdem Hellinger das Problem im Handumdrehen löst, indem der Junge und sein Vater dem Großvater ihre Liebe erklären, liefert er den Publikum noch ein wenig Weltanschauung nach: "Waffen-SS heißt Täter. Nicht immer im bösen Sinn. Viele von der Waffen-SS waren keine Verbrecher. Aber sie haben gekämpft. Und da gab es Tote, viele Tote."
Und, etwas später: "Es gibt die weit verbreitete Auffassung, als seien die NS-Täter persönlich verantwortlich im Sinne von: Sie waren völlig frei, sich zu entscheiden, und all diese Verbrechen sind ihnen persönlich anzulasten." Das bestreitet Hellinger aufs schärfste: "Sie waren in Besitz genommen von einer gewaltigen Bewegung, gegen die die Einzelnen sich nicht wehren konnten, die meisten nicht."
Woher diese Bewegung kommt, ist für Hellinger klar: "Von Gott." Und weil die Täter demnach hilflos in den Klauen einer göttlichen Bewegung zappelten, folgert der 78-Jährige: "Die Täter sind nämlich die ärmsten Opfer. Sie haben es am Ende am schwersten." Im Buch "Anerkennen, was ist" untermauert er seine Einsichten noch: "Die Nazibewegung und den Kommunismus [
] betrachte ich als unausweichlich. Es gab keinen, der es in der Hand hatte, sie zu stoppen. Das sind Ausbrüche einer Macht, die größer sind als das Ich."
Kommentieren will Bert Hellinger diese Äußerungen ebenso wenig wie viele andere, die mit anderen Worten dasselbe sagen. Er spricht überhaupt ungern über seine Weltanschauung, er verkündet sie lieber: Eine Familie ist bei ihm ebenso wie eine Gesellschaft, die er lieber "Volk" nennt, strikt hierarchisch geordnet. Diese Ordnung wiederum ist von göttlicher Natur, also nicht zu hinterfragen. Wer sich gegen sie stellt, hat bei Hellinger von vornherein verloren. Ein geschlossenes, zutiefst autoritäres Weltbild also.
Zur Familienaufstellung hat Hellinger einmal gesagt: "Bei der Psychotherapie geht es einem wie einem guten Führer. Ein guter Führer sieht, was die Leute wollen, und das befiehlt er." Nun hat Hellinger also ein neues Führerhauptquartier.
Aber auch das wird er sicher empört als die übliche Hetze gegen ihn abtun. Wer ihn kritisiert, den charakterisiert Hellinger normalerweise mit großen Worten als politisch verblendet. "Die, die mich jetzt beschuldigen, mussten sich nie bewähren", lautet einer dieser Sätze, den er jetzt, im Türrahmen stehend, deklamiert. Und darum möge auch jeder, der nicht dabei war damals im Dritten Reich, lieber die Klappe halten.
Und doch wirkt Hellinger zusehends unsicherer. Während des Gesprächs hält er ständig die Hand in der Tür und überlegt offensichtlich, ob er sie gleich zuschlagen soll oder doch lieber noch etwas erklären. Dann sprudelt es aus ihm heraus: "Ich war im Dritten Reich selbst verfolgt. Ich bin nur entkommen, weil ich zur Armee gegangen bin." So steht es in seiner Biografie. Und: "Ich habe Versöhnungsarbeit in Israel geleistet, was wollen Sie mir denn vorwerfen?"
Überhaupt: Das mit der Reichskanzlei sei reiner Zufall, er habe sie nur übergangsweise gemietet. Dass er, der Hitler schon mal bei Familienaufstellungen mit auf die Bühne holt, sich in einem ehemaligen Zentrum der Macht von der "göttlichen Bewegung" des Nationalsozialismus inspirieren lassen wolle, bestreitet Hellinger mit verständnislosem Kopfschütteln: "Ich bin doch nicht wahnsinnig." Dabei hat Hans-Joachim Reinecke vom "Virtuellen Hellinger-Institut" im Internet, der nach eigenen Angaben die Pressearbeit für Bert Hellinger macht, am Telefon gesagt: "Er war neugierig, hat sich da reingesetzt und dann begonnen, über Hitler nachzudenken." Doch auch davon will Hellinger nichts wissen, außerdem: "Reinecke? Kenne ich nicht."
Noch ist die Tür auf. Zeit für Fragen, diese zum Beispiel: Wirkt es nicht befremdlich, wenn sich die "Hellinger-Schule" ausgerechnet in Hitlers Arbeitszimmer niederlässt, in dem noch der Konferenztisch des Führers steht? Da zeigt sich der freundliche ältere Herr, der stets sein stoisches Lächeln behält, dann ein wenig aufgeregt. Wie zur Abwehr streckt er die Hände aus und beteuert hastig: "Hier drin findet überhaupt nichts statt, das sind ganz normale Wohnräume." Und das Klingelschild? "Das macht alles meine Frau, damit habe ich überhaupt nichts zu tun." Man wäre in diesem Augenblick nicht verwundert, wenn er als Nächstes behaupten würde, er sei gar nicht Bert Hellinger, sondern nur sein Doppelgänger.
Seine Frau, die mit ihm zusammenarbeitet, hat in der Tat die Wohnung unter ihrem Namen gemietet. Toni Altkofer, Bürgermeister von Bischofswiesen, sieht sich getäuscht: "Wir wussten ja nicht, dass dann der Herr Hellinger da mit einzieht." Erst durch den Besuch eines Fernsehteams sei er darauf aufmerksam geworden, wer nun in dem historisch vorbelasteten Gebäude wohnt: "Das ist eine sehr ärgerliche Angelegenheit, darauf hätten wir gern verzichtet."
taz Nr. 7395 vom 29.6.2004, Seite 5, 333 TAZ-Bericht JÖRG SCHALLENBERG
Ein sauberes Früchtchen dieser Hellinger! Bin froh dass ich nicht in seine Fänge oder die Fänge seiner Anschauungen geraten bin
Ayana