evy52 schrieb:
Mich irritiert bei diesem Thema etwas - und zwar kann man in diesem Thread immer wieder Aussagen lesen wie: jemand, der ermordet, geschändet, missbraucht, gequält, vergewaltigt wird, hätte sich das quasi selbt ausgesucht bzw. das wäre sein Karma etc.....
Nun frage ich mich : wäre dann nicht auch die (Todes)strafe für den Deliquenten karmisch - bzw. schicksalhaft? Hätte er sich das nicht ebenfalls ausgesucht?
Entschuldigt bitte - aber wer soll da noch was verstehen?
evy
Hallo evy,
mit dieser Schlußfolgerung hast du Recht - und wenn man sie weiterdenkt, dann kommt am Ende heraus, daß alles vorherbestimmt ist (was rein naturgesetzlich ja auch stimmt!), aber keineswegs alles vorhersehbar ist.
Aussagen wie diese von dir angeführten irritieren mich auch immer wieder.

Wobei ich mal den Tip riskiere, daß sie zum allergrößten teil von menschen stammen, die sich derlei Erfahrungen nicht "ausgesucht haben", d.h. sie nicht durchleben mußten.
Ich schrieb schon an anderer Stelle mal hier im Forum, daß es für mich ein gewaltiger Unterschied ist, ob ich aus einem schlimmen Erlebnis, das nun mal passiert ist, noch etwas gutes, positives zu machen versuche. Oder ob ich auf der anderen Seite von vornherein festlege, daß jedes Schlimme letztlich doch "einem guten zuweck diene" - und damit am Ende alle Abscheulichkeiten dieser Welt zu rechtfertigen oder zumindest zu rationalisieren vermag.
Zugleich ignoriert diese "Karma-Vorstellung" weitgehend die Möglichkeiten der Entscheidung, die nahezu jede/r in nahezu jeder beliebigen Situation hat (in diesem Falle die des Mörders, oder die des vergewaltigers, etc.) und ignoriert zugleich paradoxerweise diejenigen Situationen, wo mensch diese Entscheidungsmöglichkeiten eben nicht hat (s. weiter unten)!
Ich halte dieses ganze Gedankenkonstrukt, daß wir uns solche Schicklsalsschläge "aussuchen" oder sie erleben um X oder Y dabei zu "lernen" für blanke Rationalisierungsversuche, um den schlimmen Dingen irgendwie was positives abzugewinnen. Es ist in meinen Augen ein "Vorbauen", denn es besagt, auf den Punkt gebracht: "was immer mir (oder anderen) an schrecklichem künftig widerfahren mag, es dient etwas gutem, es ist meine (des anderen) Bestimmung - um daraus zu lernen, zu wachsen...."
ich denke, daß das zuweilen helfen kann, über schwere Schläge zunächst etwas leichter hinwegzukommen.
Allerdings birgt es m.E. auch die Gefahr des permanenten Ausweichens, sich der Situation wirklich zu stellen.
Ich bestreite nämlich, daß jedes schlimme Ereignis einen guten Sinn hat, oder überhaupt einen Sinn hat, der sich dem menschen irgendwie erschließen muß. ich bestreite beispielsweise, daß die 300.000 Todesopgfer des Tsunamis in Süd- und Südostasien "sich das ausgesucht" haben oder daran noch irgendwas lernen konnten/können.
Lernen können daraus allenfalls die (Über)Lebenden, z.B. maximale Vorkehrungen gegen eine Wiederholung derartig katastrophaler Folgen zu treffen (Aufbau von Frühwarnsystemen, andere Siedlungs- und Bebausungspolitik in Küstenbereichen etc.)...
Falls in 100 oder 1000 Jahren oder nächstes Frühjahr irgendeine kosmische katastrophe unsere Erde aus der bahn werfen sollte, die Sonne kollabieren läßt oder ähnliches - dann passiert die Auslöschung der Menschheit und höchstwahrwscheinlich jeden irdischen Lebens - und zwar dann in Übereinstimmung (Ursache-Wirkung) mit den (physikalischen) Naturgesetzen, aber es muß keinesfalls irgendeinen "Sinn" aus menschlicher Sicht haben...
liebe Grüße
Stephan