Spirituelles Gehen

Hallo cerambyx!

Ich finde es ganz toll, wie du hier deine Erfahrungen beschreibst und uns sogar noch Bilder zuteil werden lässt! Ich mache das, was du als "spirituelles Gehen" bezeichnest auch, und du sprichst mir dabei aus der Seele! Danke dafür! (y)

Darf ich dich fragen, wie du deine Wanderungen planst? Was hast du so mit, reist du leicht, oder bist du lieber auf alles vorbereitet? Du hast ja eine Kamera dabei, das mache ich z.B. nicht, ich versuche, alles wegzulassen, was geht. Wie entscheidest du, wo du als nächstes hingehst? Diese Steinwüste im Atlasgebirge sieht sooooo wunderschön aus, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, da wandern zu gehen - bin da etwas von meiner lieben Mama geprägt, die mit mir früher immer durch die Alpen gewandert ist.

Mach auf jeden Fall weiter so!

Servus, @Anahata !

Danke für Deinen positiven Kommentar (igitt, klingt das förmlich :rolleyes: )

Tja, die Antwort auf Deine Frage ist nicht so ganz einfach, da ich mich oft von der aktuellen Situation tragen lasse - und oft ja doch wieder nicht. Hinzu kommt noch die sogenannte persönliche Entwicklung *lach* in meinem Fall sagt man auch Alterungsprozess dazu ;)! Diese drei Ausgangssituationen kombinieren sich nun wieder mit Spontaneität, Planung und/oder Bedürfnissen ... naja, und dann "ziehts" mich manchmal einfach hinaus und dann wiederum gehe ich rein aus Gesundheitsbewußtsein ... und um das Ganze kompliziert zu machen: manchmal gehe ich aus EINEM Grund hinaus und komme aus einem ANDEREN Grund wieder nach Hause ... *lach*

Generell reise ich aber "leicht", habe also nur das Notwendigste dabei - aus diesem Grund hab ich ja auch nur eine leichte kompakte Digitalkamera am Gürtel hängen! Viele fragen mich immer nach meiner fototechnischen Ausrüstung, aber ich hab keine Spiegelreflex - der einzige technische Luxus ist ein ausschwenkbares Display, das brauch ich für meine bodennahen Pflanzen und Kleinsttiere. Den Rest macht immer die Natur selber, weil da ist alle Schönheit ja vorhanden - und ich bring sie hoffentlich nur in den richtigen Rahmen!

Tja, das Wandern in der Steinwüste .... das ist mehr als Wandern oder Bergsteigen wollen, sondern der Wunsch nach dem "Empfinden vor Ort", der Wunsch, sich gefühlsmäßig hineinfallen zu lassen in diese grandiose Umgebung - wobei die Gefahren nicht zu unterschätzen sind. Ich hab mich früher viel in der mitteleuropäischen Steinwüste "Totes Gebirge" in Oberösterreich herumgetrieben, auch dort hat man mal am Hochplateau 40 Grad in der schattenlosen Sonne, und man ist sehr sehr nahe an der "Natur", und die ist gar nimmer recht lebensfreundlich, weil Quellen dort einfach Mangelware sind ... von dort hab ich auch meine ersten meditativen Erfahrungen im Gedächtnis verankert, dieses "SEIN" ....

"Du bist von Deiner Mama geprägt" ... höre ich hier, im negativen Sinn? Dann solltest Du unbedingt einen Neustart (mit den Alpen, anfangs mit den Voralpen ;)) versuchen - ich habe viele Menschen kennengelernt, die in der Jugend "verbrannt" wurden, denen die Lust am Erleben (und also auch am "dort-SEIN") durch übertriebenes falsches Wandern gehörig ausgetrieben wurde. Und ich habe schon viele beim zweiten Versuch begleitet und "bekehren" können - bei solchen Touren ist allerdings eine gewisse Planung und Vorbereitung sinnvoll, wobei man andererseits auch wieder nicht übertreiben sollte.

Es freut mich, wenn meine Bilder und die Texte anregen, rauszugehen, es selber auch versuchen zu wollen! Ich möchte damit ja auch zeigen, dass die Natur überall, nicht nur bei Extremwanderungen oder auf Klettersteigen, sondern auch beim Sitzen am Waldrand irgendwo in der Ebene gefunden werden kann. Viele sind ganz einfach nur aus der Übung, leider allerdings sind immer mehr ganz und gar der natur schon "entzogen" worden .... mal schauen, was ich da noch machen kann ;) ...

Ich mach sicher weiter so - und melde Dich ruhig auch per PN wenn du fragen hast ...

cerambyx
 
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Irgendjemand hat diese Allee gepflanzt, um das "Hinleiten" an den Gipfel des Georgsbergs noch markanter, noch intensiver erleben zu lassen, den Wanderer förmlich heranzuziehen an das endliche Ziel ... und dort?

Fragende Grüße
cerambyx

Die Winkel sind so perfekt "gesetzt", links und rechts das Abfallende... sodass man ja nur geradeaus gehen mag. Ja, es erscheint mir auch eine Art Einladung zu sein: "Wanderer, geh weiter!" Und das könnte auch gleichzeitig eine Antwort sein. Geh weiter! :)
 
Das Tote Gebirge, eine der größten Steinwüsten Mitteleuropas - eine wilde Karstlandschaft, scheinbar unbelebt ab der Baumgrenze, und nur wenige Menschen gehen abseits der Hütten- und Gipfelwege oder der zahlreichen Klettersteige, die den hellen Kalk durchziehen ... aber abseits findet man die totale Stille, die totale Abgeschiedenheit, aber auch die unmittelbare Gefährlichkeit der wüsten Natur. Kaum Quellen, oft schattenlose Weite, und abseits der Pfade ein vom ewigen Wasser geprägter Untergrund, der das Gehen zur Konzentrationsübung werden läßt ....

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Noch durchziehen schmale Grasbänder den Boden - der Weg, den ich hier verlasse, ist ohnehin nur mehr an den Markierungen erkennbar - aber schon nach kurzer Zeit ist auch das zu Ende, und höchstens die speziellsten Pflanzen, die sich über Äonen den Gegebenheiten im Gebirge anpassen konnten, finden sich hier und da hineingeduckt in Ritzen und Spalten, jede Kühlung am Tag und jede Wärme für die Nacht nutzend .... irgendwo dort weit hinten ist ein uralte Höhle, die auch schon steinzeitlich genutzt wurde, und die ich aufsuchen möchte ...

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Aber zuerst gehts über riesige Kalkfelsplatten, aus deren Wasserrillen vorwitztig immer noch Büschel von hartgrad hervorschauen, teilweise die Blattspitzen braun, versengt von den unbarmherzigen UV-Strahlen der Sonne ... hier ist die Zeit steinhart geworden - stehengeblieben - und doch in den Ritzen und Spalten zu fühlen .....

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Nur kein Bein brechen ... alle Erde, wenn sich jemals welche hier festgekrallt haben sollte, wurde schon lange vom Regen weggewaschen, nachdem sie die Sonne ausgedörrt hat und krümelig werden hat lassen. Hier findet sich nichts mehr außer Fliegen, die der Schweiß in Schwärmen angelockt hat. Es gilt, trotz des lästigen Volkes genau auf den Boden zu achten ... und für einen größeren Unfall ist der Erste-Hilfe-Kasten im Rucksack zu klein ...

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Nach vielen Stunden des Wanderns endlich kühle Luft ... die gesuchte Höhle lockt mit ihrem flachen Einstieg, und das andere Extrem tritt zutage: die Zugluft läßt erst genußvoll aufatmen, dann frösteln, dann frieren ..... Zeit für kleine Expeditionen in die Umgebung ....

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Gierig saugt sich das Auge schon von weitem an dem kleinen rosa Fleck fest ... der Blütenpolster ist optimiert-kugelig, um so wenig Oberfläche wie möglich zu bieten und die übermäßige Verdunstung dadurch zu verhindern; Feuchtigkeit ist kostbar! Die grünen Pflanzenteile sind klein, um wenig Oberfläche zu bieten für den Wärmeverlust, wenn der Wind daruüberstreicht. Einige Hartgrashalme finden Unterschlupf zwischen den Blütenpflanzen, und sogar ein Silberfrauenmantel hat sich dazwischen etwablieren können, der aber die Blattspreiten zusammenfaltet, um Energie zu sparen, Wärme und Feuchtigkeit festzuhalten ....

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Im Schatten eines vom Frost zerrissenen Felsblockes hat sich genug Feuchtigkeit gehalten, um mehreren kleinen Pflänzchen Nahrung zu geben. Manche sind wieder abgestorben und auf ihren vermodernden Rückständen, die sich zwischen den Steinchen dem Abtransport durch das Wasser widersetzt haben, wachsen nun weitere anspruchslose Spezialisten. Winzigst sind die Blätter des kleinen Enzians, aber groß und kräftig bunt versuchen die Blüten, irgendwelche Insekten auf sich aufmerksam zu machen, um die Bestäubung zu sichern ...

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Schipisten, Wanderwege, Outdooraktivitäten, geführte Wanderungen, Seilbahnen, Themenwege, Forststraßen, technische Einrichtungen, Steighilfen ... alle diese Einrichtungen sind, seit diese Bilder entstanden, mehr geworden ... die Gefahren werden nicht mehr so empfunden wie früher; eher genießt man das gruselige Gefühl, dass es einmal gefährlich war. Das Handy nimmt den Gefahren ja die Spitze ... und so wird auch das Erleben anders ... und es wird durch "Angebote" konsumierbar.

Aber noch gibt es genug Gebiete, wo man "IST", wenn man "SEIN" will ....

Hitzige Grüße
cerambyx
 
Die Kunst ist manchmal, nicht zu suchen .... und dennoch zu finden! Vollkommen erwartungsfrei zu sein, die Natur in ihrer Größe oder auch in ihrer Kleinheit geschehen zu lassen, sich dem Takt des Waldatems zu überlassen, das Flimmern der Wärme über dem braunen Herbstgras unbewertend wahrzunehmen; die Landschaft langsam an sich vorbeiziehen zu sehen, und unbemerkt die Beine ihre Arbeit machen zu lassen, Schritt für Schritt, gleichmäßig wie der Atem, regelmäßig wie der Herzschlag .... alles im Eins ...

... und dann das Finden ....

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... und angeregt durch das glänzende Weiß, das man bewundern darf, findet sich auch gleich das Nächste, das hell aufglänzt im Gegenlicht ...
Und am Boden kniend bin ich glücklich, die Finger ausstrecken zu können, die grünen Wunder zu umfassen ..... und unversehens wird sogar das Pflücken der einzelnen Blätter zu einem meditativen Vorgang, während der intensive Geruch des Bärlauchs sich breit macht. Nicht büschelweises Entreißen, sondern konzentriertes, ausgewähltes Entnehmen läßt jedes Geräusch intensiv wahrnehmen; das Rascheln des ausweichenden Laubes, das schmatzende Reißen des Blattes ....

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Sprituelles Gehen .... symbolisiert durch einen Schuh, der exakter und schöner durch eine frische Borte verziert ist, als es ein Schuster könnte. Wie langsam ist dieser grüne Schmuck wohl entstanden? Wann war es, als ein Fuß das letzte Mal einen letzten Schritt durchgeführt hat?

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Ein unbenutzter, achtlos weggeworfener, und doch so lebendiger Schuh ...

Es grüßt Euer gehfreudiger
cerambyx
 
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