Die Neugier hat mich hierhergetrieben - und jetzt fahre ich in einem Bus über den großen Atlas irgendwo in Marokko, und ich staune durchs Fenster in die grandiosen Landschaften hinaus, welche unter dem gleichförmigen Gedröhn des Motors an mir vorbeifliegen ... Wüst war die Landschaft der letzten Stunden, trocken und leer - und doch immer wieder tief durchwühlt von irgendwann einmal geflossenen Wassern; und doch ab und zu eine Oase mit kleinen Streifen von Palmen; und doch ab und zu ein beweglicher Fleck in der steinigen endlosen Weite, der sich als Esel mit seinem Reiter entpuppt ... aber unbarmherzig schleppt mich der Bus dahin und spult Landschaft um Landschaft vor meinen Augen ab, drückt ein Empfinden in mich hinein, noch ehe das letzte Empfinden ankommen durfte ...
... aber nicht nur die Augen kommen fast nicht nach, die Eindrücke fassen zu wollen! Es juckt in den Beinen, es drängt sich im Fühlen, und ich muss irgendwelche Schleusen in mir öffnen, um nicht zu platzen vor lauter kleinen Wünschen, doch diese Landschaften mit meinen eigenen Schritten, meinen eigenen Geschwindigkeiten, meinen eigenen Erlebensmöglichkeiten ertasten, erspüren, erfühlen zu dürfen. Aber ich war ja neugierig, und das Land ist einfach zu groß für mein Gehen, für meine Schritte ...
Endlich ein Anker in der verschneiten Steinwüste des Atlasgebirges ... der starre Körper eines urigen Baumes steht im schneidenden Eiswind und trotzt Wind und Wetter und Sonne - und er läßt sich Zeit, huscht nicht wie so Vieles einfach an mir vorbei, sondern läßt sich finden von meinen Augen, die sich auf ihm ausrasten dürfen ... ich werde ruhiger, denn jetzt weiß ich, dass es auch Situationen gibt, die sich ganz gleich wie daheim in den heimatlichen Gebirgen im Winter anfühlen ... und der Baum wird zum winkenden Freund und gibt mir den Gruß mit nach Haus an seine Brüder ...
Ich brauche den Kopf nicht zu drehen, um ihn verschwinden zu sehen, denn er bleibt da, vor meinem Auge im Inneren, und während ich hier schreibe, spüre ich seine harte knorrige Rinde, und wie der Wind in die Ritzen eintaucht und wirbelnd und flatternd wieder aus den Fugen heraussäuselt und dabei meine warme Haut streift ...
Wie freue ich mich auf's Gehen und - Erinnern ...
GlG cerambyx