Spirituelles Gehen

Breit und klobig ist dieser Baum im Auboden verankert - der grüne Moosmantel leuchtet auf im gedämpften Licht des Unterholzes. Erst beim zweiten Hinschauen fällt der dicke pelzige Stamm des Efeus im Auge, der sich über das Moos gelegt hat und am Stamm nach oben strebt - erst in einiger Entfernung vom Boden die ersten Blätter treibt, als wollte er dem Moos kein Licht wegnehmen ...

IMG_29471.webp

Eingefroren in der winterkalten Eisschicht des Weihers ist auch diese Büschelsegge gut verankert im nassen Boden, bildet eine kleine immergrüne Insel im Einheitsgrau des Frostes ....

IMG_2952.webp

Hingestreckt ins faulige Erdreich liegt er da, hilflos sein Wurzelteller in die Höhe reckend, das ihn einst im selben Erdreich verankerte .... Trümmer seiner Äste sind schon schwarzbraun verfärbt, so rasch erobern die winzigen Organismen im Boden ihre Energie zurück, die der Baum einst mit seinen Wurzeln aus ebendiesem Boden herausgesogen hat .... ein Kreislauf .... immerwährend ...
Ein Gedanke macht sich breit in meinem Hirn: Wir sind unbedingter Teil dieses Kreislaufes ....

IMG_2994.webp

Irgendwann war er jung - irgendwann wäre auch er beinahe Opfer von Sturm, Schnee oder Eis geworden! Doch er hat sich klug gebeugt, bis der Stamm zum zerreißen gespannt war - aber keinen Millimeter weiter! Und über Jahre hat er Holzring um Holzring gebildet, um die späteren Lasten des Schnees dennoch tragen zu können ... hat gleichzeitig sich nach oben geschoben, so weit er nur konnte, um nicht am Lichtmangel zugrunde zu gehen .... die Knorpel und Warzen, Schründe und Knoten an seinem Stamm zeugen von seinem Leid, aber auch von seiner urwüchsigen Kraft ... welch ein gewaltiger Baum hätte er werden können, wenn nicht damals genau zu diesem Zeitpunkt seiner jugendlichen Schwäche, die gleichzeitig seine Stärke war, diese Kraft ihn zu Boden gedrückt hätte ....
Aber niemals hat er aufgegeben .... niemals ... und immer noch wehrt er sich, und wächst - und wächst ....

IMG_2995.webp

Zwischen all diesen im Boden verankerten und jenen gefällten Bäumen tummeln sich vierbeinige, borstige, grunzende Giganten, wühlen im Boden, fressen einerseits die Früchte der Bäume, bedecken sie andererseits mit frischer Erde, die ihnen erst ein Keimen ermöglicht .... der aufsteigende Dunst läßt sie geheimnisvoll auftauchen, verharren, verschwinden ....

IMG_3001.webp

Immer mit auf der Suche und .... ohne ihre Mithilfe wäre die Wildsau unbemerkt geblieben, denn ich hatte der Stelle schon den Rücken gekehrt .... tja, eine Reservenase dabeizuhaben ist schon was Feines :)

IMG_2944.webp

Steht er noch? Liegt er schon? Während die Bäume rundum entweder stramm im Boden verankert stehen oder von irgendwelchen Unbillen gefällt wurden, ist dieser zarte Stengel nur sanft vergangen im Jahreskreis, bildet - obwohl ihm der Schmuck des Mooses fehlt - ein zartes Muster, während er in den Himmel ragt und dabei versucht, den himmelsnahen aber ihm so fernen Baumwipfeln Konkurrenz zu machen ....

Manchmal, wenn man sich bückt, bringt unser Auge Dinge sehr sehr nah zusammen, die einander doch so fern sein müßten ....

IMG_3009.webp

Ich wünsche ALLEN hier offene Augen auch im neuen Jahr 2013 und jede Menge Glück, Gesundheit und Zufriedenheit auf allen Wegen!!

Nachdem die letzten "Bildgeschichten" alles Nachträge von den Vorjahren waren, deren Bilder (wegen zu langer Zugriffspausen gelöscht) verlorengegangen sind, wünsche ich hiermit nachträglich allen Leserinnen und Lesern ALLES GUTE und Gesundheit für das nicht mehr ganz so neue Jahr 2015!

... und ich bedanke mich auch für die vielen positiven Rückmeldungen! Mein Anliegen ist immer das Gleiche: Mut zu machen für's "einfache" Schauen, das einfache Erleben herauszustreichen und es immer als etwas Besonderes wahrzunehmen, und Hemmungen abzubauen, das Erlebte einfach zu empfinden, so wie es sich darbietet, so wie es sich seinen Weg bahnt ins Wahrnehmen, ins Gedächtnis ... und zu animieren, hinauszugehen .... einfach hinaus ... ins Leben!

GLG cerambyx
 
Werbung:
Lieber Cerambyx...

Hab Dank für deine Geschenke die du uns bescherst ...deine Sicht lädt ein in die
Zwischenwelten zu trifften ...wunderbar ...deine Kommentare beleben deine Bilder zusätzlich .

Wir Feen lauschen dir gerne , wie du den Naturwesen auf der Spur bist .

Liebe Grüsse von der Fee :)
 
Hallöchen Cerambyx,

heute Nacht bin ich zufällig in deinen Thread hier gelandet und war von der ersten Seite an gleich gefesselt. Obwohl, ich muss gestehen, die Berge nicht so mag. Anschauen ja - aber das auf- und absteigen ist nicht meine Welt.

Die Bilder sind einmalig, deine Geschichten dazu kaum noch zu toppen. Du hast mich abgeholt....ich habe mit dir geatmet, mit dir gefroren, mit dir gelacht, mit dir die Luft angehalten und mit dir geweint.

Vielen lieben Dank für deine Touren, an die du uns mit Worte und Bilder teilhaben lässt.

Ganz liebe Grüße aus dem Norden

IbkE
 
Du bist wieder da!

Ich liebe diesen Thread.

Die perfekte Symbiose von wundervollen Bildern und tiefgehenden Worten.

Das lesen und schauen in diesem Thread macht mich ganz ruhig und längst hab ich es aufgegeben, jedes Bild zu liken. Ich liebe jedes einzelne Bild und jeden einzelnen Beitrag.
 
... Obwohl, ich muss gestehen, die Berge nicht so mag. Anschauen ja - aber das auf- und absteigen ist nicht meine Welt ...

Danke für Deine Worte - und die Berge sind halt nicht jedermanns Sache! Aber Natur ist überall zu finden in all ihrer Schönheit: im Flachland, am Ufer, auf kleinen Inseln in Bächen, in Parkanlagen und manchmal eben "nur" in den Fugen zwischen Fahrbahn und Gehsteigen ...

Das lesen und schauen in diesem Thread macht mich ganz ruhig und längst hab ich es aufgegeben, jedes Bild zu liken

Danke für das Lob, es freut mich sehr! - und ich poste ja nicht wegen der "likes", sondern um anzuregen zum Schauen und Sehen und Fragen und Begreifen und Verstehen .... so viele haben schon über die Tagesarbeit, die Routine, den Konsumzwang und sonstige Stressfaktoren verlernt, verlernen müssen, die Natur um sich herum zu sehen. Ich möchte Mut machen, dies Natur auch in den kleinen Dingen in unserer nächsten oft ganz leicht erreichbaren Umgebung zu suchen und zu finden ....

Liebe Grüße auch an alle anderen, die diesen Thread besuchen (y)
cerambyx
 
Ein Fichtenforst - nein, kein Wald, sondern ein Forst aus lauter durch Mensch gesetzten Einheitsbäumen - beherbergt nur eine kleine Menge verschiedener Tiere. Es ist zu dunkel, es ist zu "einheitlich", es bietet zu wenig Verstecke, zu wenig Nahrung (außer man fragt die Borkenkäfer - für die ist reichlich gedeckter Tisch!) ... und dennoch, wenn ich mich bücke, mich hinlege, bin ich in einem anderen Kosmos, und der ist voll von Verschiedenheit! Abgestorbene Nadeln werden zu knisternden und knackenden, sich krümmenden Bestandteilen, die sich ganz ganz langsam in Erde verwandeln. Zweiglein werden zu gefallenen Baumstämmen, und die winzigen Samen-Mützchen an einem hauchzarten Stengel einer Moosart wird zu einem lockeren Wald. Kleine Fächer eines anderen Mooses werfen Schatten und bieten also doch Verstecke; ein kaum wahrnehmbares Hügelchen wird zu einem windüberbrausten Berg mit Felsen durchsetzt, und dahinter dehnt sich eine weite Ebene bis zur drohenden Mauer der riesigen Fichtenstämme ...dazwischen wie ein Fremdkörper ein schwarzes Etwas, sperrig, plump und schwer wirkend, niedergekracht aus größter Höhe, verloren von einem riesigen Etwas, das laut rauschend weit oben über den winzigen Hügel flog ...

Hier wirkt die Schwanzfeder eines Schwarzspechtes plötzlich wie ein Gruß aus der Welt des Grossen ... starr und steif liegt sie da - sie muss immerhin das Gewicht des Rabengrossen Vogels abstützen, wenn er am Stamm eines Baumes sitzt. Aber was tut sie hier, mitten im Forst? Eigentlich schätzt der Schwarzspecht die Buchenwälder der Vorgebirge ...

Na wenn wieder mal einer vorbeiliegt, werde ich versuchen ihn zu fragen ...

IMG_4686.webp

Ich: Heh, Schwarzer, was tust Du hier im Fichtenforst? Wir Menschen sissen genau, dass Du im Buchenwald lebst !!!
Er: Woher weißt Du das?
Ich: Aus den Büchern ....
Er: Ach so die Bücher ... hab ich nicht gelesen - aber Du wirst nix Neues entdecken, wenn Du immer nur machst was gedruckt steht ...
Ich: ..... bin still ....

Nachdenkliche Grüße
cerambyx
 
Manchmal bin ich auf der Suche. So viel wird unseren Ahnen angedichtet, unbewiesen übernommen und kaum reflektiert .... über ihre Kriege wissen wir so gut Bescheid, aber wie haben unsere Altvorderen gedacht, gefühlt? Ich habe in Ansätzen gelernt, wie Tiere sich verständigen, sich artikulieren, ihre Reaktionen zu erkennen ... daher versuche ich auch zu erlernen, wie unsere Altvorderen gedacht oder gefühlt haben, grabe daher nach Wurzeln in dem was sie uns hinteralssen haben ...

Bei einer uralten Kirche fand ich diesen später angebrachten Prellstein, ein Radabweiser für Kutschenräder in engen Gassen und Kurven ... das eingeritzte Kreuz brachte mich zm Nachsinnen .. wozu hier ein Kreuz, wenn doch die ganze Kirche dem Kreuz gewidmet ist, ein sogar mächtiges, ausserordentlich schönes Kreuz den Turm schmückt?

IMG_4719.webp

Und dann die Fuge zwischen Stein und Asphalt mit dem kleinen Moospölsterchen, ein wenig Algenbeflug an der Fläche - und das herbeigewehte herbstliche Ahornblatt, das die Gedanken abschweifen läßt auf das Kommen und Gehen von Zeiten, denen auch wir unterliegen ...

Fröhliche Grüsse
cerambyx
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich stehe auf der Brücke und schaue in das dunkle, fast schwarz wirkende Wasser - und je länger ich schaue, umso mehr scheint es einfach vor meinen Augen zu verschwinden, sich aufzulösen in Luft. Das Spiegelbild der zahllosen Äste und Zweige vermischt sich mit den wirklichen Zweigen, und alles bekommt ein seltsame Tiefe, so als ob man weit in den Boden hineinblicken würde.

Ist dies das Geheimnis der Alten, die glaubten, dass Gewässer das Tor zur Erdmutter bilden? Sind es diese Tore, durch welche die Priester, Druiden oder Seherinnen - egal wie man sie nennen mag - ihre Seele schickten um mit der Goßen Göttin zu sprechen? Sind es diese Plätze, welche noch heute oft geheimnisvolle Namen tragen und auf diese Rituale hinweisen? So mancher alte Flurname benennt einen Seeboden, ohne dass weit und breit jemals ein See zu finden gewesen wäre ... handelt es sich um Orte, wo die Seherinnen ihrer Berufung nachgingen?

Unwissenschaftlich - wird mancher sagen. Aber hier zu stehen und diese Gedanken ziehen zu lassen, hineinzufühlen in den Ort, hineinzuspüren in die Situation .... es macht einfach Freude .... und es ist eine gute Gelegenheit, die Alten respektvoll zu grüßen ...

IMG_5057.webp

Nur ein paar Schritte weiter, und der Wald umfängt mich mit seinen warmen Baumstämmen. Der Wind hat die Schneeflocken zwischen den Stämmen durchgetrieben, aber so manche hat sich an die rauhe Rinde geklammert und danach auch noch viele ihrer Schwestern bei sich Platz nehmen lassen. So bildeten sie langsam aber sicher ein geflecktes, wärmendes Schild für so manchen Baumstamm. Verschwunden sind die harten Konturen des aufrechtstehenden Holzes und hat einem weichen Verfließen mit dem Boden Platz gemacht ....

IMG_5065.webp

Die Schritte knirschen, knackend gibt der Schnee unter den Schuhen nach - es ist ein schönes Hineinwandern in die Stille des Waldes ...

Winterliche Grüße
cerambyx
 
Werbung:
Mein Weg der Spiritualität war eng verbunden mit dem Erleben von und mit Tieren, mit der gemeinsamen Zeit draußen in der Natur. Viel durfte ich dabei erlernen, viele Einblicke wurden mir gewährt, Ängste wurden mir genommen und das Leben im Jetzt erklärt, so manches Wort ihrer Sprache lernte ich verstehen ... und den Tod nur als Angst des Menschen begreifen - und als Teil des Lebens belächeln ...

Anhang anzeigen 21274

Poooh, wieso bin ich auch in die Wiese rausgegangen ... nur wegen der paar Hasenböhnchen, die so verlockend gerochen haben, bin ich über die Büschel hingestolpert ... ich kanns einfach nicht lassen! Dabei wackeln die Hinterbeine wie Espenlaub, torkeln und straucheln, und ich weiß nicht warum ... naja, ich hab ja noch kräftige Vorderbeine, die müssen eben mehr ziehen, was die Hinteren nimmer schieben vermögen ...

Anhang anzeigen 21275

So, jetzt bin ich wohl lang genug hier rumgelegen - ich war sooo müde, dabei waren wir ja nur kurz unterwegs. Schon aus dem Auto herauszukommen war alleine unmöglich, aber die Gerüche und Düfte sind einfach herrlich. Auch wenn ich kaum noch sehe, was rund um mich ist ... Herrchen hat aus einer seiner zahllosen Taschen meinen Kamm gezaubert und mich sanft gestriegelt ... schon toll, dieses locker-duftige Gefühl, wenn der Wind in meine langen Haare fährt ... aha, auf geht's, wieder heim geht's .... na dann, hab lang genug gerastet, und jetzt geht's ja wieder ...

Anhang anzeigen 21276

Aufsteigender Rauch von Räucherwerk aus Eibe und Weißem Salbei weist den Weg, weg von allem Irdischen ... im Hintergrund baumeln Eulenfedern vom vertrauten Wanderstock, kleine Frühlingsblumen schmücken den stillen Körper, und andere vergehen in den Flammen ...
Die sanft streichenden Hände am Fell geben Ruhe und Sanftheit, und langsam werden die Berührungen leiser und verschwinden in einer hellen Ferne ...


Die vier Pfoten neben mir ... gehen jetzt ihren eigenen Weg ....

14 Jahre trabten diese vier Pfoten neben mir, in Wind und Wetter, bei Sturm, eisiger Kälte und Schnee, bei sengender Hitze ... vor kaum einem Jahr wurden diese letzten Bilder gemacht ... aber wenn die Federn am Wanderstock rascheln, ist das Traben immer wieder da ....

Vielleicht erzähl ich mal die ganze Geschichte ....

Es grüßt ohne Trauer
cerambyx



Ohhh schööön. :) sie hatte ein wundervolles Leben.

Unsere alten Katze geht es zur Zeit genauso. Schleppt sich mal raus, trinkt noch ein wenig, isst nichts mehr. Schurrt jedoch und zeigt keine Anzeichen von Schmerz. 17 Jahre alt. Sie darf auch gehen wenn sie möchte. Sie mag nur nicht alleine sein.

Lg
Lumen
 
Zurück
Oben