Na ja.. Krieg halt
Was ich verstehe, aber ausgleichende Gerechtigkeit kann es am Verhandlungstisch nicht geben, weil Putin auf ein gemeinsame Regeln als Grundlage scheißt, wäre es nicht so, hätte er nicht angegriffen. Genau so wenig wie ein Gerichtsurteil bei einer Vergewaltigung Gerechtigkeit bringen kann, kann das ein Kompromiss hier.
Egal wie man es dreht und wendet, die Ukrainer sind die Verlierer. Das ist kein Western wo die Guten immer gewinnen. Faktisch spielt Putin noch nicht mal im gleichen Film mit. Das muss jedem bewusst sein, bevor aus "Getechtigkeitssinn" den eine Schritt zu weit gegangen ist.
Gutheißen hin oder her... JEDE Unterstützung der Ukraine ist alternativlos. Ob man jetzt Waffen schickt oder nicht, Befürworter oder nicht.. Beide Seiten spielen mit dem Schicksal der ukrainischen Bevölkerung und glauben es besser zu wissen als alle anderen. Wer sich den Schuh des besserwisserischen Kriegstreiber hier anzieht muss jeder selber wissen.
Dich nehm ich davon explizit aus..
Naja, dem allem hier liegt denke ich ein großes Gefühl der Ohnmacht zu Grunde, sowie der Wunsch, dass es doch einen Weg geben müsse, der irgendwie noch zum Erfolg führt und das meiste für die Ukraine noch rausholt. Dabei führt alles auf die eine oder andere Art in eine Katastrophe.
Wer ein Stop der Waffenlieferungen fordert, fordert de Fakto die Ukraine auszuliefern. In der Position wird es keine Kompromisse geben, mit denen "beide Seiten leben können", sondern Putin wird seine Liste genüsslich abhaken: Krim-Halbinsel, sowie die Ost- und Süd-Ukraine werden abgeschnitten, zu Russland einverlaibt oder als "unabhängig" abgespalten, was in der Praxis aber der anektion Russlands gleichkommt. Der Rest der Ukraine bekommt auch eine prorussische Marionette an die Spitze, verspricht demütig nie in die NATO (und möglicherweise auch nie in die EU) einzutreten... und muss danach versuchen die Infrastruktur etc. wieder aufzubauen. Dabei wird es von vielen Hilfszahlungen abhängig sein... und evtl. auch sehr langfristig bleiben.
Der Satz, man solle dann einen Kompromiss aushandeln, "mit dem beide Seiten leben können", ist insofern naiv, weil Putin sich in solchen Verhandlungen nicht mit so einem Kompromiss zufrieden geben wird. Warum sollte er das tun, wenn er alles haben kann, was er sich wünscht.
Diejenigen, die sich Waffenlieferungen wünschen bzw. diese gutheißen - also auch ich - sind dabei mitunter nicht weniger naiv. Meine leise Hoffnung ist dabei, wie schon beschrieben, dass die Ukraine wehrfähig bleibt und somit mit der Zeit auch Mitsprache-Gewicht in Verhandlungen bekommen könnte. Dieser Erfolg ist aber sehr ungewiss... nicht unmöglich, aber unwahrscheinlich. Und selbst, wenn es so klappt, wird das ein längerer blutigerer Krieg inklusive der Gefahr, dass er sich noch ausweitet.
Ein Unterschied ist, welches man als das kleinere Übel betarchtet... sowohl für die Ukraine, als auch, was das weiter geopolitisch bedeutet. Was bedeutet Solidarität? Was bedeutet es, eine Tat scharf zu verurteilen?
Man stelle sich mal folgendes Szenario vor: Deuscthland (ohne Verteidigungsbündnis) wird angegriffen von einer militärischen Übermacht. Die Hauptforderungen sind:
Nicht der NATO beitreten.
Die aktuelle Regierung wird gestürzt, stattdessen wird Björn Höcke an die Regierungs-Spitze gesetzt.
Schleswig-Holstein, Hamburg, MeckPom, Bremen und Nord-Niedersachsen werden abgeschnitten (also keine eigenen Hochseehäfen mehr).
Wer wäre bereit diese Forderungen so zu erfüllen?
Das Deutschland aktuell in der NATO ist, hat uns eine Menge Sicherheit beschert in den letzten Jahrzehnten. Ohne starkes Bündnis steht man bei einem Angriff entweder alleine dar oder ist darauf angewiesen, dass sich jemand "moralisch verpflichtet" fühlt, zu helfen (und sich damit mitunter selbst in Gefahr zu bringen).
Die Seehäfen in Deutschland - insbesondere Hamburg und Bremerhaven - sind für Deutschland ein extrem wichtiger Wirtschafts-Umschlagsplatz. Ohne diese Infrastruktur wird der wirtschaftliche Wiederaufbau extrem erschwert werden. Export und Import über die Schiffahrt wäre dann nur noch mit Zollbeiträgen der abgespaltenen Gebiete möglich.
Björn Höcke an der Spitze ist zwar der feuchte Traum so mancher rechter Blogger... in so einem Deutschland will ich aber eigentlich nicht gerne leben (und sollte es mal so ähnlich kommen, dass die AfD oder eine ähnliche Partei signifikante Regierungsgewalt bekommt, werde ich mir überlegen, auch die Staatsbürgerschaft und nicht nur den Wohnsitz zu wechseln).
Auf der anderen Seite würde es eben ein längerer blutiger Krieg sein, wenn Deutschland diese Forderungen nicht erfüllt.
Spinnen wir mal weiter: Olaf Scholz oder F. W. Steinmeier bitten also viele andere Länder um Hilfe. Angenommen die Antwort wird ziemlich geschlossen sein: "Wir verurteilen den Angriff aufs schärfste, Sie haben unsere volle Solidarität. Aber wir wollen nicht militärisch helfen, damit sich der Krieg nicht auf uns ausweitet. Sie müssen schon verhandeln. Da wird sich doch sicher ein Kompromiss ergeben, mit dem alle leben können."
Wer würde sich da nicht verarscht fühlen? Und im Falle der Verhandlungen: Auf welche der Forderungspunkte würde man eingehen, welche würde man ablehnen wollen? Und zu guter letzt: Warum glaubt man, der Angreifer würde in dieser Situation irgendwie auch nur eine Sekunde daran denken der Ablehnung von auch nur einem Teil einer solche Forderung nachzugeben?
Gleichzeitig ist die Aussicht auf einen längeren Krieg mit viel mehr Zerstörung, Leid und Tot extrem hässlich. was ist das kleinere Übel? Denn einen goldenen Weg, der nur geringe tragbare Nachteile hat, gibt es hier nicht.
Oder eben nochmal kurz und knapp: ALLES SCHEISSE!