Ich halte den Begriff "Putinversteher" ehrlich gesagt für ein Unwort, weil damit impliziert wird, dass Verstehen etwas Schlechtes sei, während "Verstehen" ja keine einfache Sympathiebekundung ist oder auch nur Zustimmung, und nie schlecht sein kann. Alle Konflikte tragen ja vor allem "Nicht-Verstehen" und den Unwillen die andere Perspektive auch nur als gültig zu bedenken in sich. Zudem hat nichts davon mit Begeisterung zu tun.
Ich z.B. würde für mich in Anspruch nehmen, dass ich mir einige Mühe gegeben habe den Konflikt insgesamt zu verstehen, also aus welchem Kontext heraus er entstand und wie er sich dann entwickelte. Und ich habe auch viel darüber nachgedacht welche Alternativen es gegeben hätte, inwiefern die jeweiligen Kräfte anders hätten handeln können und vielleicht sollen. Und alles was ich sage ist: Es ist nicht nur die Schuld Russlands.
Das alles zu erklären würde zu einem E-Book werden, aber was schon interessant ist: Es gibt viele Strategen auf allen Seiten, u.a. in Deutschland aber auch in den USA usw., die ein solches Szenario vor langer Zeit vorhersagten und selbst v.a. die Nato-Osterweiterung verantwortlich machten. Ein paar Beispiele:
1997, damaliger russischer Außenminister:
Primakow versammelte wieder eine Reihe von westlichen Versprechungen über eine Nicht-Erweiterung der NATO. Dabei präzisierte er, dass die NATO-Erweiterung im Moment nicht als eine militärische Bedrohung wahrgenommen würde, aber als die "Errichtung einer neuen Trennlinie in Europa". Sie würde zwangsläufig "in eine neue Konfrontation führen, die das Vertrauen zwischen Russland und den westlichen Ländern untergraben wird." Er schloss mit Worten, die jedem Leser heute zum Nachdenken bringen sollten: "Wir sprechen hier über eine Entscheidung, deren Konsequenzen die Europäische Gestaltung für die nächsten Jahrzehnten bestimmen werden. Politiker, die heute an der Macht sind werden hierfür die historische Verantwortung tragen."
1997, US - Historiker / Diplomat:
"Es wäre
der verhängnisvollste Fehler amerikanischer Politik in der Zeit nach dem Kalten Krieg, die NATO bis zu den Grenzen Russlands auszuweiten.
Diese Entscheidung lässt befürchten, dass nationalistische, antiwestliche und militaristische Tendenzen in Russland entfacht werden könnten. Sie könnte einen schädlichen Einfluss auf die Entwicklung der Demokratie in Russland haben, wieder zu einer Atmosphäre wie im Kalten Krieges führen und die russische Außenpolitik in eine Richtung lenken, die uns sehr missfallen wird."
1997, Egon Bahr:
Es gibt keine Stabilität in und für Europa ohne die Beteiligung Russlands. Entweder sind wir stabil und sicher mit Russland, oder wir müssen in überschaubarer Zeit Sicherheit vor Russland neu organisieren. …
Weitere Runden von NATO-Osterweiterung bedeuten, dass wir mindestens für die nächsten zehn Jahre eine Gegnerschaft zu Russland aufbauen. … Ich halte das wirklich für einen riesigen Fehler.
2014, ehemaliger US-Botschafter:
Wir wussten, wenn man ein Instrument des Kalten Krieges - die NATO - in dem Moment vor bewegt, wo die Barrieren fallen,
schafft man neue Barrieren in Europa. … Es war ein Fehler, die NATO in den Osten auszudehnen. … 2008 entschied die NATO, die Ukraine auf eine Spur zur Mitgliedschaft zu setzen. Ein in seinem Inneren tief gespaltenes Land, direkt vor Russlands Türe. Das alles waren sehr dumme Schachzüge des Westens. Heute haben wir die Reaktion darauf.
Und ich halte das hier für sehr richtig:
Angesichts der frischen Ukraine-Krise 2014 präsentierte Matlock ein sehr hilfreiches Denkspiel, um scheinbar unüberwindliche Denkbarrieren zu überwinden: "Wenn China anfangen würde, eine Militärallianz mit Kanada und Mexiko zu organisieren, würden die USA das nicht tolerieren. … Wir würden das verhindern. Mit jedem Mittel, das wir haben. Jedes Land, das die Macht dazu hat, würde das tun. …
Ich entschuldige nicht, was er (Putin) tut. Und ich billige es auch nicht. Aber ich sage, es war komplett vorhersehbar."
Quelle:
Jetzt freigegebene Dokumente belegen US-amerikanische Versprechen an Boris Jelzin, dass Russland Teil einer europäischen Sicherheitsstruktur werden würde.
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