Die Folgen der Islamkritik
Ein islamkritischer Artikel reichte aus, um zum Todes-Kandidaten zu werden: Der (französische) Philosoph Robert Redeker nahm im "Figaro" kein Blatt vor den Mund - und musste abtauchen. Dem Magazin "Gazette" erzählte er die Geschichte seiner Verfolgung.
Im September 2006 hatte ich für den "Figaro" einen Artikel geschrieben mit dem Titel "Was muss die freie Welt gegen die Einschüchterungen der Islamisten tun?" Der Artikel war ein scharfer Widerspruch gegen den Druck des Islam auf den Alltag der westlichen Länder. Die extremen Erscheinungsformen dieser Religion wurden dabei kritisiert. Mit dem Artikel nahm ich ein verfassungsmäßiges und ebenso ein intellektuelles Recht in Anspruch. Der Ton war lebhaft und ironisch. In der Geschichte der europäischen Intellektuellen hat die antireligiöse Kritik durch Philosophen und Schriftsteller eine gut belegte Tradition. Die Feststellung, diese Kritik sei ein Element der Freiheit, ist dabei nicht ausreichend: Die Kritik fördert vielmehr die Freiheit. Mein Artikel war also in dieser Hinsicht für einen Europäer nichts Ungewöhnliches.
Es erging ein Appell an alle Muslime der Welt, mir den Kopf abzuschneiden: "Diesem Schwein, das es gewagt hat, Mohammed zu kritisieren, muss der Kopf vom Leib getrennt werden." Diesem Todesurteil hinzugefügt wurden mein Foto, meine Adresse, meine Telefonnummer, die Adressen meiner verschiedenen Lehrtätigkeiten und eine genaue Wegbeschreibung zu meiner Wohnung. Die Mörder brauchten sich nur noch zu bedienen. Die Anweisung zum Mord und die Anfahrtsskizze wurden in der ganzen Welt verteilt, natürlich auch in den Vororten von Paris mit ihren islamistischen Netzwerken.
In diesem Augenblick brach mein Leben zusammen, ebenso das Leben meiner Frau und unserer Kinder. Die Familie wurde unverzüglich unter Polizeischutz gestellt. Gleichzeitig mussten wir unser Haus verlassen: Ein Foto davon war tatsächlich auf der Website der Terroristen zu sehen. Wir mussten uns verstecken, jeden Tag an einem anderen Ort, auf der Flucht, als wären wir Banditen. Man muss sich das einmal vorstellen: Wir konnten uns in unserm eigenen Land nicht mehr auf die Straße wagen; so schrieb die Polizei es uns vor, die uns in diesem Leben im Untergrund begleitete. Ich konnte nicht mehr zur Arbeit gehen: Von meiner Tätigkeit als Philosophielehrer wurde ich entbunden. Wir waren zwar noch am Leben, aber nicht mehr im Leben.
In den Lehrerzimmern der Gymnasien wurde ich in Aushängen am Schwarzen Brett bereits gelyncht: Da schrieben meine Ex-Kollegen, die Philosophielehrer, ich hätte die Meinungsfreiheit missbraucht. Die in Frankreich außerordentlich starken Lehrergewerkschaften unterstützten mich ebenso wenig. Praktisch der gesamte Berufsstand bezichtigte mich mehrerer in ihren Augen bei einem Lehrer unverzeihlicher Fehler: Ich sei reaktionär, anti-amerikanisch, pro-israelisch und islamophob. Einige Organisationen der Linken veranstalteten Podiumsgespräche zum Thema "Gibt es überhaupt eine Affäre Redeker?", bei denen immer nur ich auf der Anklagebank saß.
Ein normales Leben wird mir für alle Zeiten verschlossen bleiben: In dem kleinen südfranzösischen Dorf, in dem ich derzeit lebe, darf ich niemanden sehen, keine Bekannten haben; ich kann morgens nicht einfach aus dem Haus und Brot kaufen oder eine Zeitung, ich darf nicht ins Bistro, um da einen Kaffee oder ein Glas Rotwein zu trinken; ich muss meine Gewohnheiten aufgeben, ich darf nicht mehr Pétanque spielen auf dem Platz unter den Platanen; ich darf nicht mehr durchs Dorf spazierengehen, die Hände in den Hosentaschen, einfach so; ich darf nicht zum Arzt, nicht zum Zahnarzt, nicht zum Friseur. Bei den allernormalsten Alltagsaktivitäten zerbreche ich mir den Kopf, alles, was einfach war, ist jetzt kompliziert. Ich bin ein politischer Flüchtling in meinem Land.
Leben mit der Fatwa (islamisches Rechtsgutachten)