Rechtsradikalismus und Familienaufstellung

Hallo Christoph

Ich glaube, dass die meisten Therapeuten sehr verantwortungsvolle Leute sind. Weiter bin ich davon überzeugt, dass eine wirkliche Therapie in der Regel einen längeren Zeitraum braucht. So etwas kann man nicht übers Knie brechen. Wenn man allein bedenkt, was sich beim Patienten an falschen Vorstellungen im Laufe seines Lebens entwickelt hat. Schon allein dieses zu verändern, braucht sehr viel Zeit. Andererseits denke ich, dass die meisten Therapeuten gar nicht in der Lage sind, solche Arbeit zu leisten. Eigentlich müssten die meisten Therapeuten genau so in Therapie wie ihre Patienten. Und so beschränkt sich die Arbeit vieler Therapeuten darauf, den Patienten irgendwelche Psychopharmaka zu verabreichen. Die Gefahr einer Therapeut-Patienten-Abhängigkeit ist natürlich immer vorhanden. Aber ich sehe auch keine Möglichkeit, wie man dieses ändern könnte.

Ich habe zwar noch nie an einer Familienaufstellung teilgenommen, habe aber ein paar vage Ideen, wie so etwas ablaufen könnte. Meinem Gefühl nach, scheint mir eine Familienaufstellung keine ernsthafte Alternative zur Psychotherapie zu sein. Eine Familienaufstellung kann zwar das eine oder andere Problem offen legen. Aber damit ist ja noch niemandem geholfen. An dem Punkt beginnt ja erst die schmerzhafte und langwierige Arbeit einer Therapie.

An dem, was Du über Täter und Opfer im dritten Reich sagst, ist viel wahren dran. Wahrscheinlich konnten die Täter wirklich nicht anders handeln. Sie waren gefangen in ihrer eigenen Vorstellung von Recht und Unrecht. Der Satz: "Wer Hitler und die Nazis verteufelt, bindet sich und uns an Hitler und hält ihn wach in uns." gefällt mir allerdings nicht. Alle, die über eine gewisse Bildung und Moral verfügen, sind verpflichtet daran zu arbeiten, dass so etwas nie wieder passiert. Aber vielleicht siehst Du das ja genau so. Und dem Satz "Liebe deine Feinde" stimme ich vorbehaltlos zu.

Ich sehe keinen Sinn darin, dem Krieg als Vater aller Dinge einen Platz einzuräumen. Es gibt genügend Leute, die schon den nächsten Krieg vorbereiten. Und wenn's nicht gleich der dritte Weltkrieg ist, so sind es viele kleinere Kriege auf der ganzen Welt. Selbst der dritte Weltkrieg ist nicht auszuschliessen. Ich jedenfalls gehe nicht davon aus, dass alle Politiker so vernünftig sind und die Waffen nie einsetzen werden. Darum sollten wir versucht sein, das Bewusstsein über die Gefährlichkeit unserer Situation wach zu halten. Aber die grosse Masse der Bevölkerung befindet sich sowieso im Tiefschlaf.

@Mara

Natürlich hast Du recht. Die Menschen waren natürlich mit ihrem Überleben beschäftigt. Ausserdem war es eine Zeit, in der die Vorstellungen von Pflicht und Gehorsam schon mit der Muttermilch aufgesogen wurden. Und das streift man nicht so einfach ab.

AL Goldfisch
 
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Lieber Goldfisch,

ich glaube dir, dass du das glaubst. Hab ich auch mal.

Mittlerweile weiß ich: wenn man sie lässt, dann macht die Seele das von ganz alleine am Besten. Man braucht meist nur einen kleinen Anstoß in eine neue Richtung. Die Erfahrung mit vielen Teilnehmern und die von Kollegen aus dem therapeutischen Feld bzw. die von Teilnehmern und aus eigener Teilnahme, beweisen das.

Ich empfehle dir die Lektüre von "Ordnungen des Helfens", ein sehr interessantes und lehrreiches Buch. Dort findest du auch, wie man das mit der Abhängigkeit ändern kann. Vorab empfehle ich dir die Lektüre des Grundlagenartikels zum Thema.

In einigen Fällen hast du aber auch Recht: da geht es um die einschränkenen Überzeugungen usw. Die sind - entgegen der von dir vertretenen und weit verbreiteten Annahme - mit TimeLineTherapy™ sehr schnell (oft in Minuten pro einschränkender Annahme) gründlich und langfristig zu lösen.

Ich habe zwar noch nie an einer Familienaufstellung teilgenommen, habe aber ein paar vage Ideen, wie so etwas ablaufen könnte.
Was immer du dir da vorstellst - es hat garantiert nichts mit der Wirklichkeit der Aufstellungsarbeit zu tun. Das zeigt deine weiter unten getroffene unrealistische Einschätzung:

Eine Familienaufstellung kann zwar das eine oder andere Problem offen legen. Aber damit ist ja noch niemandem geholfen.
Da muss ich dir als Begleiter von Familienaufstellungen widersprechen. Das Gegenteil ist nach meiner Erfahrung der Fall. Es geschieht viel mehr.

Meinem Gefühl nach, scheint mir eine Familienaufstellung keine ernsthafte Alternative zur Psychotherapie zu sein.
Sie ist keine Alternative, sondern etwas ganz anderes! Wäre sie eine alternative, dann wäre sie eine psychotherapeutische Methode wie andere auch und mit ihnen austauschbar. Das ist aber nicht der Fall. Sie wirkt weit jenseits der Psychotherapie in der Tiefe. Und sie erfasst etwas, das durch herkömmliche Verfahren der Psychotherapie zuvor noch nie auch nur bemerkt wurde und macht weit reichende Entwicklungen möglich, die PT nicht bewirken KANN.

An dem Punkt beginnt ja erst die schmerzhafte und langwierige Arbeit einer Therapie.
Das ist ein weit verbreiteter Irrglaube. Er setzt voraus, Therapie habe per se langwierig und schmerzhaft zu sein. Das ist nur der Fall, wenn Therapie wirkungslos ist. Wer mit einem stumpfen Gummimesser zu schneiden sucht, wird diese Erfahrung machen. Heilung geschieht meistens von einem Moment zum anderen, wenn die Seele einen Anstoß in eine neue Richtung bekommen hat. Und den Rest - der kann mitunter auch (wie der Anstoß) schmerzhaft sein - macht die Seele am besten allein. Wenn die Liebe wieder fließen kann, dann kann man ihr vertrauen. Aber dann sind Therapeuten, die ihr das WIE vorschreiben wollen eher der Entwicklung hinderlich - und evtl. arbeitslos, wenn ich damit Recht habe. Und das erkennt keiner gerne.

Der Satz: "Wer Hitler und die Nazis verteufelt, bindet sich und uns an Hitler und hält ihn wach in uns." gefällt mir allerdings nicht.
Das glaube ich. Es ist leichter, sich über sie zu erheben und sie zu verurteilen - womöglich mit mehr Täterenergie als die Täter selbst. Hier empfehle ich "Frieden und Versöhnung" und den bereits empfohlenen Artikel von Prof. Dr. Haim Dasberg.

Alle, die über eine gewisse Bildung und Moral verfügen, sind verpflichtet daran zu arbeiten, dass so etwas nie wieder passiert.
Gerade das tut Bert Hellinger und das mache ich, wo mir dies vergönnt ist. Aber die eigentliche Bewegung kommt von woanders her und geht über uns weit hinaus. Allerdings können wir so ein Geschehen nicht verhindern, denn da wirken Kräfte, die wir nicht einmal erfassen können. Wer meint, das er das könnte, der erhebt sich über das Schicksal und das Leben an sich. Wer das tut, meint es besser zu wissen, als das Leben selbst.

Ich maße mirnicht an, anderen zu sagen, wozu sie nach der Moral verpflichtet seien. Moral ist ein kleines Maß, das an eine große Welt angelegt wird. Der Moralist ist nur ein Kleinkrämer. Ihm entgeht das Wesentliche.

Ich jedenfalls gehe nicht davon aus, dass alle Politiker so vernünftig sind und die Waffen nie einsetzen werden.
Ich auch nicht. Auch fragt sich, ob sie wirklich die Macht haben, die wir ihnen zuschreiben. Politik ist ein Geschäft, das Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge herstellt, die es gar nicht gibt. entweder um eine Machtposition zu rechtfertigen oder um eine anzugreifen. Da wird sich selbst und gegenseitig viel auf die Fahnen geschrieben, was ganz woanders seinen Ursprung hat.

AL
Christoph
 
Hallo Christoph

Ich danke dir für deine Informationen. Mittlerweile kann ich dich viel besser verstehen. Wenn ich bedenke, welchen Weg Du mittlerweile in deinem Leben zurückgelegt hast, dann ziehe ich sogar den Hut vor dir. Du bist eine starke Persönlichkeit.

Ich würde wirklich gerne die Literatur lesen, die Du mir empfohlen hast. Aber ich weiss jetzt schon nicht, wo ich die Zeit hernehmen soll, all das zu lesen, was ich gerne lesen möchte.

Weiterhin viel Spass und Erfolg bei deiner Arbeit.

AL Goldfisch
 
Hallo Goldfisch,

ich hab heute mal meine schwierigsten Teilnehmer (überwiegend binationaler oder "ausländischer" Herkunft) ganz direkt gefragt - nachdem wir uns wieder vertragen hatten und sie den Mund ganz offen aufmachen konnten mir gegenüber (war anfangs heftige Kritik) - ob sie denn finden, dass ich ein Nazi wäre oder wie ein nazi wirken würde. Sie meinten, dass ich wohl einer der letzten wäre. Sie fühlen sich ernst genommen, geachtet und geliebt und sind immer wieder überrascht, wie sehr ich ihre Herkunft achte. Fühlte sich auf dem Hintergrund dieses Threads ein wenig an , wie geadelt werden. *schmunzel*

Ich hab dich ernst genommen und sicherheitshalber mal nachgefragt. Danke für deine Kritik!

Liebe Grüße
Christoph
 
Hallo Christoph,

Christoph schrieb:
Das glaube ich. Es ist leichter, sich über sie zu erheben und sie zu verurteilen - womöglich mit mehr Täterenergie als die Täter selbst.

Also ist Deiner Meinung nach derjenige, der die Täter verurteilt, ein umso größerer Täter?

Als Beispiel verurteile ich folgende Leute:

Adolf Hitler
Gab Befehl zur Erklärung der Kriege gegen die Nachbarstaaten, gab Befehl zur "Endlösung" (Tötung) von den deutschstämmigen Juden sowie politischen Gegnern

Josef Mengele
"Selektierte" im Konzentrationslager Auschwitz zwischen zu tötenden und zu Tests brauchbaren Probanden für seine Forschung, welche in seinen Tests in Massen ums Leben kamen, um seine "Rassen"-Ideen zu untermauern.

Adolf Eichmann
Planer der "Endlösung", Eichmann war die zentrale Figur zur Planung der Deportationen von über 4 Millionen Juden in die Ghettos und Konzentrationslager.

Alois Brunner
Einer von Eichmanns Helfern. Schlüsselfigur in der Ausführung der Endlösung, dem Mord an 6 Millionen Juden während des zweiten Weltkrieges.

Klaus Barbie
Bekannt als "Der Schlächter von Lyon", er war verantwortlich für die Folter und den Tod von über 26000 Menschen.

Es gibt Taten, die unverzeihlich sind. Und diese Menschen haben diese unverzeihlichen Taten durchgeführt. Vergebung ist hier fehl am Platze.

Und weil ich diese Leute verurteile, bin ich nun ein schlimmerer Mensch, als die, die die Massentötungen/Folterungen oder kurz Endlösung betrieben haben?

Überlege Dir Deine Antwort gut, Christoph.

Eine weitere Frage habe ich noch:

Stell Dir vor, in einer Deiner Sitzungen sollte ein Kind befragt werden, und dieses äußert ganz verschrocken, sein Vater hätte es sexuell oder körperlich mißbraucht.

Gilt dann für Dich auch vornehmlich die Versöhnung mit dem Täter? Auch, wenn dieser garnicht einsehen würde, seine Taten zu unterlassen?

Christoph schrieb:
[...] meine schwierigsten Teilnehmer (überwiegend binationaler oder "ausländischer" Herkunft) [...]

Dieser Teil-Satz unterstreicht Deine Einstellung wirklich passend wie die Faust aufs Auge.

Gruß,
lazpel
 
Hallo Christoph,

kamst Du zu Deiner Haltung (der Versöhnung, der Vergebung und der Liebe) erst durch Deine Arbeit mit der Familienaufstellung, oder orientierte sich Deine Moral schon immer so am Infinitiven, am Kosmos, am "größeren Zusammenhang", den wir nicht kennen, aber irgendwie ahnen? Ich meine, war es Dir vielleicht schon als Kind unmöglich, irgendjemanden zu verdammen oder zu verurteilen?

Ich frage deswegen, weil ich so ähnlich fühle wie Du: ich war schlechterdings nie in der Lage, einen Menschen für seine Taten zu verurteilen, weil ich nicht den Handelnden sah, sondern die Seele, die in jenen "größeren Zusammenhang" eingebettet war, ich spürte, daß Opfer und Täter hier eine Einheit bildeten und beide in der Tat nichts anderes erfahren konnten als dies. Ich war traurig darüber, eben dies ist das große Leid, wie es vielleicht Buddha sah. Aber wie konnte ich jemanden dafür verurteilen?

Mir ist bewußt, daß es nicht leicht ist, dies zu verstehen. Natürlich muß die Moralität unserer Gesellschaft sich an bestimmten Prinzipien orientieren: Pflichten, Rechte, Regeln, Verträge, Gewissen, Respekt, Werte, Ordnung, Gebote, Konventionen, Wohlfahrt, das Gute, Mitgefühl... Wer tiefer schaut, sieht andere Kräfte wirken, ja Christoph.

Liebe Grüße,
M.
 
Hallo Metanoia,

Metanoia schrieb:
ich spürte, daß Opfer und Täter hier eine Einheit bildeten und beide in der Tat nichts anderes erfahren konnten als dies.

Das wird die Nachkommen der 4.000.000 vergasten Menschen durch das NS-Regime sicherlich beruhigen.

Das wird das Kind, welches durch seine Eltern mißbraucht wird, sicherlich beruhigen.

Oder?

Oder gehen wir mal davon aus, es gäbe keine "kosmische Bewandnis", kein "Leben nach dem Tod".. sondern nur diese Inkarnation, nur dieses Leben, was uns von anderen verlitten und zur Pein gemacht wird..

Man kann die Notwendigkeit des Humanismus natürlich mit einer fanatischen Religionssicht einfach negieren.

Im übrigen: Wenn die Taten "vergeben" werden, werden sie vergessen. Und Fehler, die vergessen werden, werden wiederholt.

Gruß,
lazpel
 
@ lazpel:

Lieber Lazpel,

dein Beitrag zeigt ganz erhebliche Täterenergie.

Schon dein Satz:

Überlege Dir Deine Antwort gut, Christoph.
zeigt das, denn er impliziert eine schlimme Drohung. Du drohst mir unterschwellig, wie es die Täter tun würden.

Du willst mich aufs Eis locken und dann....? Mein Eindruck: du wähnst dich besser und verurteilst mich und meinst, ein recht zu haben, mir Böses anzutun, wenn du das willst. und die Argumente, die dein Gewissen entlasten sollen, nimmst du aus der Verteufelung der Täter. Auch die Täter wähnten sich besser und meinten aus diesem Besser-sein, mehr Rechte - sogar das Recht zum Genozid - ableiten zu können. Sie wähnten sich unschuldig.

Natürlich hast du noch nicht zu meiner Vernichtung aufgerufen. Das stimmt. Aber das brauchst du bei der Haltung vielleicht auch gar nicht. In Bezug auf ein Internetforum wäre "Vernichtung" der Ausschluss. Um den geht es.

Insofern bist du es - bei dieser Haltung - der ihnen ebenbürtig ist.

Ich habe nicht gesagt, dass man so tun muss, als wären die Taten der Täter nicht geschehen. Sie sind geschehen. Und die Täter haben ihre Schuld auf sich geladen. Wenn ich mich aber über sie erhebe und glaube, ich könne besser sein, als sie und hätte daher mehr Rechte, dann verwende ich den gleichen Maßstab wie sie und werde ihnen gleich in der Haltung. Das Kleid in dem sich die Haltung versteckt, ist unerheblich.

Wenn ich die Täter ebenso achte und eingebunden sehe in Größeres, wie die Opfer, wenn ich die Schuld der Täter ebenso als unausweichlich achte und bei ihnen lasse, wie ich das Leid bei den Opfern lasse und achte und mir nicht anmaße, so zu tun, als hätte ich das Recht, die Täter in ihrem Auftrag zu verurteilen und das Urteil gar zu vollstrecken; erst dann achte ich auch die Opfer wirklich.

Lazpel, ich gehe mit dem, was sich offensichtlich an Wirkungen zeigt. Und was ich sehe ist, dass die Verteufelung und Anprangerung der Täter, wie du sie vornimmst, dazu führt, dass das Leid mehr wird in der Welt. Wenn es sich mir in Aufstellungen von Nachkommen von Opfern und Tätern so zeigt, dass die Nachkommen erst frei sind, wenn auch die Täter geliebt werden - mit ihrer unabweisbaren Schuld; wenn die Nachkommen erst dann nicht mehr verrückt werden, wenn die Liebe auch zu den Tätern fließen kann und beide - Täter und Opfer - im gleichen Grab ruhen; dan ist das für mich der Maßstab: die Frieden stiftende Wirkung.

Wir haben deshalb heute so viele Neo-Nazis, weil diese Kraft ausgesperrt wurde so lange. Und was wir aussperren, das wird stärker.

wer so handelt, wie du, der gibt den Tätern unglauibluihce Kraft und sorgt dafür, das sie und ihre Energie witer getragen werden und blühen.

Du wirfst die Frage nach dem

Stell Dir vor, in einer Deiner Sitzungen sollte ein Kind befragt werden, und dieses äußert ganz verschrocken, sein Vater hätte es sexuell oder körperlich mißbraucht.
Schon deine Schilderung soll militarisieren und den Leser gegen den Vater des Kindes einnehmen und aufhetzen. "Missbrauch" ist so ein militarisierendes Wort. ein Hetzwort, das die Unbeteiligten aufhetzen soll. Das ist Täterenergie und diese entehrt das Opfer. Du willst den Zorn der Leser schüren. Und der soll dem Vater gelten wie auch mir, falls ich entsprechend antworte. Will ich diesem Zorn entgehen, kann ich nur noch antworten, wie du es vorsiehst: Hängt ihn höher.

Ich lasse mich von dir aber nicht ins Bockshorn jagen.

Natürlich sorge ich dafür, dass das Kind dem Vater wieder als Kind begegnen kann. Und wer kommt dann oft ins Licht? Die zweite Täterin: die Mutter, welche dem Vater das Kind zugeschoben hat. Die ist es ,meist, welche am lautesten schreit: hängt ihn höher. So versucht sie von ihrem Teil der Schuld abzulenken.

Aber in erster Linie ist die Tochter einfach Tochter dieses vaters. Und sie zur Hälfte genetisch der Vater. Was mache ich mit ihr, wenn ich sie davon abschneide? Sie wird zum Schutz eine gegenbewegung machen.

Ich habe Frauen erlebt, welche dieses Schicksal hatten. Und sie wurden von sogenannten Therapeuten gegen den Vater bzw. Bruder aufgehetzt. Von ihnen habe ich gelernt. Die Therapeuten haben sie genötigt, den Vater/ Bruder anzuzeigen und ins Gefängnis zu bringen. Und wer hat den Preis gezahlt? Die Töchter/Schwestern. Sie wurden verrückt und haben versucht, zu sterben. Die Liebe zum Vater oder Bruder war stärker. Für wen war die Anzeige eigentlich wichtig? Einzig für die "Helfer"! Die gingen sogar über Leichen, um sich im Recht zu fühlen. Die "Gerechten" sind die Schlimmsten!

Gilt dann für Dich auch vornehmlich die Versöhnung mit dem Täter? Auch, wenn dieser garnicht einsehen würde, seine Taten zu unterlassen?

JA. Unbedingt. Zum Nutzen der Töchter! Und die Erfahrung - die du diesbezüglich nicht hast - zeigt: dann werden die Täter weich. Nur wenn die Liebe wieder gesehen wird, kann es Heilung geben.

Zitat von Christoph
[...] meine schwierigsten Teilnehmer (überwiegend binationaler oder "ausländischer" Herkunft) [...]



Dieser Teil-Satz unterstreicht Deine Einstellung wirklich passend wie die Faust aufs Auge.
Dieser Satz unterstreicht wieder deine erhebliche Täterenerigie und Gewaltbereitschaft. Du drohst mit der Faust aufs Auge und deutest dabei nur etwas an. Somit verwendest du ein Tätervokabular.

Welche Einstellung genau unterstreicht denn mein Halbsatz deiner Meinung nach?

Ich sprach davon - wenn du den engen Blick etwas weiter mache würdest, fiele es dir auf - dass sie sich geachtet fühlen: meine Tielnehmer aus Russland, der Ukraine, Kasachstan, Kirgisien, der Türkei, Polen und was weiß ich woher. Sie strahlen, wenn ich von ihrer heimat spreche. Un dwas glaubst du, was sie sagen - strahlend - wenn ich sie frage, wo sie die meiste Kraft haben?

Eine Teilnehmerin sagte letzte Woche: "In Moskau, da war es schwerer - aber ich war irgendwie viel lebendiger, als ich es hier bin. DA habe ich keine Sozialhilfe - aber ich habe Würde." Und sie wurde dabei richtig lebendig und richtete sich auf.

DAS ist, worauf ich mich stütze: die unmittelbar beobachtbare Wirklichkeit. Du jedoch stützt dich auf eine Ideologie und eine kleine Moral.

Mir ist jeder, der hier einen Beitrag leisten will von Herzen willkommen! ich finde eine Bereicherung, was Menschen aus anderen Kulturen beizutragen haben. Un dich habe auch - du hast es wohl überlesen - geschrieben, dass ich alle Kulturen als etwas Größerem gegenüber als ebenbürtig ansehe. Nur damit das klar ist! Für mich ist eine der wichtigsten Fragen: wie kommt jemand in die eigene Kraft und wie gewinnt er seine Würde wieder?

Und da kann man beobachten: Menschen, die sich gemeinsam ihrem Schicksal stellen in dem Land, wo es stattfindet - die haben oft mehr eigene Kraft und Würde, als die, welche dem eigenen Schicksal entgehen wollen.

Übrigens: das Wort "ausländisch" stellte ich in Anführungszeichen, weil es so viele Nationen sind, aus denen meine Teilnehmer stammen und wo sie ihre Wurzeln haben; und weil es zu Unrecht negativ besetzt ist. Ich hatte nicht die Absicht, die Menschen und ihre Herkunft damit abzuwerten.

Ergo: jemand, der die Täter so militant verurteilt, ähnlich wie du - JA der kann eventuell ihnen ebenbürtig oder gar schlimmer sein. Ich halte das nicht für unmöglich.

Immerhin haben auch die Nazis aus einer Opferperspektive ihr "Recht" am Genozid hergeleitet.

Denk mal drüber nach.

Gruß
Christoph


@ Metanoia:

Liebe Metanoia,

nun so weit zu gehen, wie du würde ich mich nicht trauen. Ich bin ein ganz normaler Mann.

Ich sehe mich etwas anders: ich BIN in der Lage, zum Täter zu werden. Und auch mir ist die Täterenergie nicht fremd. Doch ich schaue inzwischen weiter.

Dennoch bin ich nicht perfekt. Und wenn mir jemand Böses will oder jemandem, der mir wichtig ist - und das Böse ist unberechtigt in meiner Sicht - dann kann auch ich zum Täter werden - im Eifer des Gefechtes. Insbesondere, wenn auch ich von einer größeren Kraft erfasst bin.

Und dagegen kann sich keiner wehren. DAS zu glauben, wäre kindlicher Allmachtswahn. es kommt einfach auf die Situation an.

Ich hab mal den Kriegsdienst verweigert. Das war der leichtere Weg. ich wollt nicht schuldig werden, d.h. aber unschuldig blieben. Kind bleiben. Ich wollte kein Mörder sein und habe Sodaten verurteilt. Aber ich habe vertraut, dass es wleche gibt, die sich der Schuld stellen für mich. Mein Weg war der Leichtere. Mir ist etwas entgangen - das Äußerste. Und im Äußersten entscheidet es sich. Das Äußerste gehört zum Leben mit dazu.

Wir können nicht umhin, schuldig zu werden. Alles andere ist eine naive Ilusion.

Liebe Grüße
Christoph
 
Lazpel,


wir haben uns überschnitten.

Merkst du mit wlecher Wucht du hier vorgehst? Mit welchem unbändigen Hass du argumentierst?

Übrigens: meines Wissens waren es nicht 4 sondern 6 Millionen Opfer in den Gaskammern. Und die und deren Tod achte ich - nur so nebenbei.

Wo habe ich übrigens von "Vergebung" gesprochen? Die hast du selbst hineinfantasiert. Aber zwischen verurteil und Hetze und bvergebung gibt es noch einen dritten Weg: Anerkennen beider Seiten. und die erst bringt Frieden.

Du irrst:

Im übrigen: Wenn die Taten "vergeben" werden, werden sie vergessen. Und Fehler, die vergessen werden, werden wiederholt
Anprangern und verurteilen und die gleiche Haltung wie die Täter einnehmen - das wiederholt die Taten. DAS macht die Täterenergie stärker.

Gruß
Christoph
 
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@Lazpel

Wir widersprechen uns nicht. Die Notwendigkeit des Humanismus steht außer Frage, solange die Menschen so sind, wie sie sind.

Das wird die Nachkommen der 4.000.000 vergasten Menschen durch das NS-Regime sicherlich beruhigen.
Natürlich nicht, der Schmerz ist zu groß. Ich kann das verstehen. Doch wo läge die Heilung dieses Schmerzes?

Das wird das Kind, welches durch seine Eltern mißbraucht wird, sicherlich beruhigen.

Oder?
Nicht so sarkastisch bitte.

Oder gehen wir mal davon aus, es gäbe keine "kosmische Bewandnis", kein "Leben nach dem Tod".. sondern nur diese Inkarnation, nur dieses Leben, was uns von anderen verlitten und zur Pein gemacht wird..
So funktioniert das sicher nicht. Keine Inkarnationen, keine Bewandnis... das wäre viel zu einfach, viel zu kausal... und doch: - sieh selbst!

Man kann die Notwendigkeit des Humanismus natürlich mit einer fanatischen Religionssicht einfach negieren.
Ich bin kein Fanatiker, kein Anhänger einer Religion. Alles, was ich schreibe, fühlte ich schon als Kind, als ich mit keiner Lehre je in Berührung gekommen sein konnte. Mit Esoterik beschäftige ich mich gerade mal seit drei Wochen. Von Familienaufstellungen verstehe ich überhaupt nichts. Und, Lazpel, ist es nicht so, daß Du derjenige bist, der etwas negiert und ausschließt, und ich derjenige bin, der etwas annimmt und einschließt, in sein Herz schließt?

@Christoph
nun so weit zu gehen, wie du würde ich mich nicht trauen. Ich bin ein ganz normaler Mann.

Ich sehe mich etwas anders: ich BIN in der Lage, zum Täter zu werden. Und auch mir ist die Täterenergie nicht fremd. Doch ich schaue inzwischen weiter.
Ich meinte dies auch mehr der Idee nach. Es war bei mir ein tiefes Mitgefühl, welches mich jeder Seele gegenüber passiv, neutral und vergebend einstellte - in meiner Kindheit. Meine Welt war eine magische, in der alles miteinander verbunden war. Später, unter äußerem Druck, verstrickte auch ich mich, war auch ich den niederen Trieben unterworfen. Heute wird mir dies klarer, und um es besser zu verstehen und daran wieder anzuknüpfen, beschäftige ich mich mit Spiritualität und Esoterik.

Dennoch bin ich nicht perfekt. Und wenn mir jemand Böses will oder jemandem, der mir wichtig ist - und das Böse ist unberechtigt in meiner Sicht - dann kann auch ich zum Täter werden - im Eifer des Gefechtes. Insbesondere, wenn auch ich von einer größeren Kraft erfasst bin.
Ja, natürlich.

Liebe Grüße,
M.
 
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