Hier einmal eine wissenschaftliche Erklärung
sie kommt aus der Ecke der Gestaltherapie
die mir von der Astrologie her bekannt ist,
als bestimmte pattern of behaviour,
Begriff Patternrecognition.
James Simkin, der gemeinsam mit Fritz Perls das Gestaltzentrum "Esalen" in Big
Sur aufgebaut und geleitet hat und damit zu den Gestalttherapietheoretikern zu zählen ist, meint also in seinen "Minilectures" (1976, S.17), wenn er über das Phänomen Traum spricht:
Das theoretische Modell der
psychodynamischen Persönlichkeitsschulen, allen voran das der
Freudschen Schule, stellt sich Persönlichkeit wie eine Zwiebel aus
mehreren Schichten vor. Jedes Mal, wenn eine Schicht abgeschält ist,
taucht eine neue auf, bis man endlich zum Innersten vorgedrungen
ist. Ich stelle mir Persönlichkeit mehr wie einen Gummiball vor, der
nur eine dicke äußere Haut hat und innen leer ist. Der Ball schwimmt
oder treibt in einer Umgebung, so dass zu jedem beliebigen Zeitpunkt
nur ein Teil sichtbar ist, während der Rest untertaucht. Statt Un- oder
Vorbewusstes zu erfinden, um sich Verhalten zu erklären, dessen wir
uns nicht gewahr sind, schlage ich vor, dass unbewusstes Verhalten
das Resultat eines Organismus ist, der mit seiner Umgebung nicht in
Verbindung steht. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der
Organismus hauptsächlich in seinem eigenen Hintergrund (interner
Umgebung) oder seiner Phantasiewelt untergegangen ist.)"
Dieser "Zwiebelvergleich" ist einfach und anschaulich. Dennoch kann man
darüber streiten, ob der Gummiball wirklich leer ist, oder ob vielmehr auch
Faktoren wie Fokus und Gewicht die Drehungen des Balls bestimmen.
Spricht man von der Anwendbarkeit von luziden Träumen in der Psychotherapie oder Prävention, drängt sich, wenn man sich in der Gestaltwelt aufhält, vor allem ein Begriff auf: die Selbstintegration. Dazu James Simkin :
"Nach dem Denken der
Gestalttherapie ist alles im Traum ein Aspekt der Persönlichkeit des
Träumers, und so schreibt man, wenn man träumt, sein eigenes
Lebensskript. ... Die meisten Therapieformen interpretieren den
Traum als eine verschlüsselte Nachricht. In der Gestalttherapie ist die
Nachricht existentiell gegenwärtig. ...)
Demnach stellt der Traum also eine Möglichkeit dar, abgespaltene Anteile
sichtbar zu machen. Er eröffnet damit das Potential, diese in die Persönlichkeit zu integrieren."
Was bedeutet das für den Klartraum? Indem wir wissen, dass wir träumen und
entscheidend ins Geschehen eingreifen können können wir, gleichsam an Ort
und Stelle Abgespaltenes integrieren.
Es gibt bereits einige Psychotherapeuten, die das Klarträumen in der
Psychotherapie anwenden: Andrew Brylowsky (1990) als Psychiater in Texas,
Norbert Sattler als gestalttheoretisch orientierter Psychotherapeut in Deutschland
und ich selber in Wien.
Vorsicht und schrittweises Vorgehen scheinen bei der Anwendung dieser
Methode, besonders angebracht. Beim Lesen der Minilectures drängt sich eine
weitere Sichtweise von Wach- und Traumwelt auf. Wie beim Vexierbild wechseln abhängig von Konzentration und Blickwinkel Figur und Hintergrund:
das Wachleben als Figur und das Traumleben als Hintergrund. Das würde nach
Simkin dem Skriptmodell entsprechen; der Traum als Figur und das Wachleben
als Hintergrund - wie bei der "Traumarbeit" in einer Therapiesituation. Petzold
(1977, S.149) beschreibt seine Gedanken dazu: "Der Traum ist ein Waise des In der- und Zur-Welt-Seins des Menschen. Die Welt ist sein Hintergrund, den er "bewohnt", aus dem er hervorgeht und auf den er gerichtet ist."
Zusammenfassend, bzw. ergänzend seien noch einige Gesetze der Gestalttheorie
(Metzger, 1975) und Aspekte der Gestalttherapie und Integrativen Therapie
genannt, in denen das Konzept des Klarträumens gut integrierbar scheint:
- Im Klartraum wird je nach ,,Gefordertheit der Lage'' und
nicht nach einem konstruierten Prinzip interveniert;
- Das Modell Vordergrund/Hintergrund lässt sich im
Wachleben genauso wie im Traumleben wieder finden;
- Die Tendenz zur guten Gestalt ist als Gesetzmäßigkeit
akzeptiert (luzides Träumen als Möglichkeit einen Traum
eigenständig "abzurunden");
- Eigenverantwortlichkeit ist Thema: der Träumer gestaltet
seine Träume und handelt selbst in seinen kühnsten Träumen
eigenverantwortlich;
- Das Vertrauen des Gestaltansatzes in den
Selbstheilungsprozess ermöglicht den Traum als Medium der
Eigentherapie sinnvoll und ohne komplizierte Deutungen für die
Einleitung der Selbstheilung anzuwenden;
- Nach Perls steht das Phänomen (des Traumes) und nicht die
Interpretation im Vordergrund: in der Unmittelbarkeit des
(Traum-)Erlebens wirkt der Träumer sowohl als Betroffener wie
auch als Handelnder. Eine darüber geschobene Ebene wie etwa
die Interpretation durch den Therapeuten wird überflüssig;
- Die Gestalttheorie sowie die Gestalttherapie und Integrative
Therapie können im Gegensatz zur Psychoanalyse, durch ihr
ganzheitliches Konzept den Gedanken zulassen, dass das
Unbewusste per se (im Traum) mit dem Überbewussten bzw.
den Ichinstanzen gleichzeitig auftreten kann; sogar Topdog
und Underdog schließen einander in ihrer Präsenz und
gegenseitigen Beeinflussung bzw. Abhängigkeit nicht
notwendigerweise aus. Ganz im Gegenteil: es kann zur
Integration kommen; Petzold (1977, S.151) beschreibt seine
Auffassung des psychotherapeutischen Umgangs mit Träumen:
"Der Traum in seiner integrativen Funktion hat die Aufgabe 1.
der Verarbeitung von Konflikten, 2. der Assimilation von
abgespaltenen Elementen, 3. der Klärung von Konfluenzen, 4.
der Artikulation von unerledigten Situationen, mit dem Ziel,
dass Möglichkeiten gefunden werden, diese offenen Situationen
zu schließen. 5. Schließlich hat der Integrationsprozess im
Traum einen evolutiv-kreativen Aspekt: er trägt zur Entfaltung
der Persönlichkeit und ihrer Potentiale bei."
Was scheint schließlich integrativer, als im Stadium (angeblich) tiefer
Unbewusstheit, sich plötzlich all seiner Bewusstseins- und
Handlungsmöglichkeiten bewusst zu werden und damit die Freiheit schafft,
kreative Lösungen zu finden?
Karuna
