Ich werd wahnsinnig, es zermartert mir den Schädel, bei dem Versuch, zu einer eindeutigen und klaren Meinung zu kommen. Das hat keinen Sinn, das bringt mich um. In der Ferne gibts dies und das, da gibts auf der einen Seite die christliche Kirche im Arabischen Raum, auf der anderen Seite die Auspeitschung und Kerker für freie Meinungsäußerung, da gibts, wie ich heute wieder gelesen hab, Christen, die Beschneidungen durchführen und - wer weiß - vielleicht sogar Moslems, die dagegen demonstrieren. Das zieh ich jetzt mal an den Haaren herbei. Ich zerschlage mir wirklich den Kopf, aber was kann ich wirklich tun, gegen die Dinge, die mir in der Ferne nicht gefallen? Ich komm ja nicht mal hier mehr zurande, mit den Schwierigkeiten, die es in einer multikulturellen Gesellschaft natürlich auch gibt, neben den zahlreichen, kulturellen Bereicherungen.
Aber i werd wirklich wahnsinnig, wenn i ned bald die Kurven dawisch, die mi aus dem leidigen Thema auße führt, in die Zielgerade zur fröhlichen Gelassenheit. Drum bring i jetzt nur noch zwei Beispiele für Wien und dann denk ich nicht mehr drüber nach. Namen frei erfunden, die Gschichten ned.
Der Mustafa, a netter Mensch, ned überfreundlich aber umgänglich, sagt: "ja, i bin Moslem, passt, is halt so... i waß selber ned genau warum, aber irgendwie bin i halt aus dem Kulturkreis, bin von der Familie her so und die Familie is ma natürlich scho wichtig. Aber was ander`s Willi... hast am WE Zeit, kannst ma helfen, hab mir a Heimkinosystem kauft und blick mi da ned ganz durch.
Ich komm also rauf, betrete die Wohnung, auf den ersten Blick sehr nett, so genau schau ich mich nicht um, etwas orientalisch/westlich gemischt, seine Frau ist auch zu Hause, wirkt sympatisch, nicht verschlossen, zwei Kinder rennen durch die Wohnung, ein Bub ein Mädel, gastfreundlich, aber ned schleimig, so gehts. I mach mei Ding, ma red no a bissl und i geh wieder. Ohne schlechtes Gfüh im Bauch.
Der Ali. sehr freundlich, herzlich, fast scho weltoffen wirkend, frag mi: "Willi, du haben Zeit am WE? Meine SAT Spiegel musst versetzt und neu richten. Sei Frau steht dick vermummt neben ihm. I denk ma nix, sag ja wie immer. Ich komm rauf, der Ali freundlich wie immer, sei frau ned in Sicht. Wir machen des Ding mit der SAT Anlage und derweil wir am Dachboden mit der Schüssel raufen, muss unten jemand Wunder gewirkt haben. Der Tisch biegt sich durch vor Gastfreundschaft, Hendlhaxen, Salate, Getränke für 15 Leut, aber ich seh nur drei. Den Ali, seinen Sohn und ich bin auch noch da. ich frag ganz gedanlenlos: "Na, wo ist deine Frau, nix essen? Is fortgegangen?
Na... nix fortgegangen. Muss warten, andere Zimmer, bis fertig mit arbeit.
Und das ist genau der Moment, wo mir persönlich schlecht wird und zwar wirklich übel wird und mir der Appetit auf Hendlhaxen vergeht und ich auch die ganze, aufgesetzte Freundlichkeit vom Ali nimma brauch. Wenn sich wegen mir ein Mensch in seiner eigenen Wohnung in ein anderes Zimmer zurück ziehen muss, weil ich zufälliger Weise männlichen Geschlechts bin, dann will ich in dieser Wohnung nicht sein, weil ich mich dort nur als Störfaktor fühlen kann und mi außerdem no wegen mein Geschlecht diskriminiert fühlen darf und womöglich schuldig. Und wenn dann vielleicht noch die Religion als Motiv für Zwanghaftigkeit herangezogen wird, dann kann i afoch nimma.
Andere Länder, andere Traditionen, andere Sitten, soll mir recht sein, aber i glaub, des steht ma zua, dass i mi von gewissen Zwangstraditionen distanzieren darf und nachdem ich nicht einen jeden Menschen aus einem anderen Kulturkreis, mit dem ich im Wiener Alltag zu tun haben könnte, kriminalistisch ausfragen kann, wie tief er denn in seiner Tradition verwurzelt ist und wie streng er nach den alten Regeln lebt, ehe ich einen natürlichen, ungezwungenen Umgang mit ihm pflege, bleibt mir nur der Rückzug in die eigenen vier Wände und die Besinnung auf die eigenen verstaubten Werte und die paar Freund, mit denen i halt umgeh kann.
Und jetzt scheitere ich bereits in der Nähe, im Wiener Alltag, bei dem Versuch, Brücken zu schlagen und soll mich gleichzeitig bemühen, in der Ferne Brücken zu bauen. Nein, ich kann nicht mehr, mir ist das zu viel. Da bin ich voll überfordert.