Hi all,
hab da was nettes ausgegramt von einer Freundin.
Sie macht gern selbstgespäche, ich find den Text wirklich gut, also wer mag, kann ja lesen, ist ein bissel lang
Sich der Kraft ergeben ist im Grunde genommen gar nicht notwendig, da sie ohnehin alles in den Händen hat und es so etwas wie einen freien Willen bei Menschen nicht wirklich gibt. Du sagst ja auch immer, dass sich Menschen nur entscheiden können, was mit freiem Willen absolut nichts zu tun hat.
„Es stimmt schon, dass die Kraft alles leitet, nährt, gibt und auch nimmt. Aber wie du schon sagst, steht es dem Menschen immer frei, sich zu entscheiden. Und so kann er sich auch entscheiden, ob er auf die Kraft hört oder sich auf das aufgebauschte Ich einlässt.“
Aber das Ich ist doch auch Kraft.
„Das ist es sehr wohl, - aber gerade dieses Ich ist unter anderem die Entscheidungsfreiheit.“
Unter anderem?
„Ja, weil es auch das Phänomen der eigenen Bewusstheit ist, das sich aus dem Bewusstsein allgemein entwickelt hat.“
Das Ich ist also eine Weiterentwicklung, wenn ich das richtig verstehe. So gesehen müsste es ja gut sein.
„Nur dass es nicht um gut oder schlecht geht, Mädchen. Andererseits, wenn du bedenkst, wie weit sich die heutigen Menschen durch die Technik entwickeln haben, scheint ja der Schuss doch nach hinten gegangen zu sein, da sich durch die Technik Arbeitslosigkeit ergibt. Das ist natürlich auch weder gut, noch schlecht, da alles immer zwei Seiten hat. So gesehen sollten wir uns dem Urteil enthalten.“
Warum ist das Ich weder gut, noch schlecht, wenn wir uns der Kraft ergeben sollten?
„Durch das Ich ist dir bewusst, dass du es bist, die erkennt. Vom Ich geht alles aus. Es ist sozusagen für dich selbst der Mittelpunkt des Universums. Dennoch existiert – wie Castaneda auch sagt – noch ein zweites Ich.“
Haben wir nicht festgestellt, dass es unzählige Ichs gibt?
„Das hat nicht wirklich etwas mit unzähligen Ichs zu tun, Mädchen. Wir haben schon einmal darüber gesprochen, dass dies sehr viel mehr Gefühle sind. Und je nachdem welches Gefühl gerade an der Oberfläche ist, dem entspricht deine Handlungsweise.
Jeder Mensch ist einmal glücklich, einmal traurig, einmal wütend, einem überschwänglich, usw. Und jedes einzelne dieser Gefühle hat auch wieder eine enorme Bandbreite. Ich sagte dir auch schon einmal, dass ein Mensch, der zu höchster Liebe fähig ist, auch zu höchster Wut fähig ist. Und genau das haben einige Menschen sehr gut erkannt, deshalb üben sie sich in Zufriedenheit, egal, welches Schicksal ihnen widerfährt.“
Du verschmähst die Liebe, Kim?
„Absolut nicht, nur ist es so, dass die menschliche Liebe ja doch etwas anderes ist, als die Liebe, die du meinst.“
Ach, welche Liebe meine ich denn?
„Manche nennen sie bedingungslose oder auch göttliche Liebe. So gesehen würde die Benennung ‚Zufriedenheit’ noch am ehesten für diese Liebe passen. Ein weiser Mensch ist mit allem zufrieden, einfach weil er weiß, dass extreme Freude, wie auch extreme Trauer an der Situation nichts ändern und nur Energieverschwendung ist. Sobald er eines dieser Gefühle in sich auftauchen fühlt, wird er sich sofort dieser Tatsache bewusst.“
Ist das nicht Unterdrückung?
„Ich habe dir doch eine wunderbare Übung geraten, wenn du wieder einmal traurig, wütend oder euphorisch wirst.“
Du meinst, einen lauten Schrei oder irgendetwas Verrücktes?
„Na ja, kommt darauf an, was du unter ‚irgendetwas Verrücktes’ verstehst. Wenn du damit einen Luftsprung meinst, also etwas, das weder dich, noch andere in Gefahr bringt, ist es okay. Auf jeden Fall soll es für den Körper etwas Bewusstes sein, damit er sich entladen kann. Und das dauert im Höchstfall einige Sekunden. Mehr ist dazu nicht nötig, um in den so genannten Normalzustand der Zufriedenheit zurück zu kehren.“
Zufriedenheit ist der Normalzustand?
„
Zumindest sollte er es sein. Grübeleien und Jammereien machen krank. Übertriebene Fröhlichkeit und Euphorie machen unvorsichtig. Also, wozu sich irgendwelchen unnötigen Gefahren aussetzen, die obendrein noch jede Menge Energie kosten?
Du wirst mit Sicherheit wieder sagen, dass man gegen Gefühle nichts tun kann. Irrtum, Mädchen! Versuch es einmal, wenn du wieder einmal in so eine Situation kommst. Erschrecke deinen Körper mit irgendeiner schnellen Handlung. Ein lauter Schrei, indem du nebenbei so ziemlich jeden Muskel deines Körpers anspannst, entladet den Körper sofort von jedem übersteigerten Gefühl. Und dann werde dir der Tatsachen und dass du sie nicht mehr ändern oder auslöschen kannst, bewusst.“
Und was ist nun mit dem zweiten Ich?
„Lies nach bei Castaneda. Er hat es doch in seinen Büchern wunderbar erklärt.“
Trotzdem möchte ich es von dir hören, Kim, - selbst dann, wenn wir uns zum tausendsten Mal wiederholen. Außerdem glaube ich, dass es zwischen deinen und Castanedas Erklärung einen Unterschied gibt.
„Es gibt keinen gravierenden Unterschied, außer, dass ich das eine Ich das persönliche Ich und das andere das universelle Ich nenne. Dennoch finde ich, sind beide Benennungen nicht wirklich passend. Und noch unpassender ist eine Trennung der beiden Ichs, die ja im Grunde nur eines sind.“
Ist es das Herz- und Kopfdenken?
„Nein, das ist es auch nicht. Das universelle Ich hat weder mit Herz, noch mit Kopf etwas zu tun, - obwohl ich es eher dem Herzen zuordnen würde, womit ich aber nicht das körperliche Herz meine.“
Ich denke eben an die Leuchtenden Wesen, wo ich in meinem Buch „Melanie“ schrieb, dass Leuchtende Wesen nach ihrem Herzen leben. Manche von ihnen haben bereits alles in ihrem Herzen, aber sie müssen es dennoch erst erkennen. Andere wieder erkennen alles bereits, müssen ihre Herzen aber erst auffüllen.
„Damit hast du das universelle Ich fast exakt beschrieben, Mädchen.“
Aber das trifft nur auf Leuchtende Wesen zu, die ja eine Weiterentwicklung der Menschen sind. Eigenartig, dass Castaneda die Menschen auch leuchtende Wesen nennt.
„Er nennt sie deshalb so, weil Krieger die Menschen als leuchtende Eier sehen. Außerdem möchte ich dir widersprechen, denn es trifft nicht nur auf Leuchtende Wesen zu, sondern auf alle Lebewesen. Jedes Lebewesen besteht aus einem universellen Ich.“
Ist das universelle Ich die Ganzheit des Selbst?
„Es ist ein Aspekt davon. Aber halte dich nicht mit Aspekten und Schubladen auf. Das bringt nichts. Ich sagte schon, im Grunde genommen gibt es nur ein Ich.“
Ein Ich, das trotzdem aus zwei Teilen besteht, wie es auch Castaneda schreibt. Er nennt das persönliche Ich Tonal und das universelle Ich Nagual. Und laut Castaneda bilden beide die Ganzheit des Selbst, während für dich die Ganzheit des Selbst ja mehr als nur den Menschen beinhaltet.
Castaneda sagt auch, dass das Nagual für Durchschnittsmenschen nicht wahrnehmbar ist. Wie steht es mit dem universellen Ich, das ja so etwas Ähnliches ist?
„Ich denke einmal, es ist ein und das Selbe, Mädchen, - nur mit dem Unterschied, dass ich im universellen Ich keine Gefahr sehe, wie Castaneda und Don Juan das tun. Natürlich sollte man der Kraft respektvoll gegenübertreten, aber da man ja auch selbst Kraft ist, sollte es nicht unterwürfig sein.
Don Juan hat es doch gut ausgedrückt, indem er sagte, dass ein Krieger vor niemandem den Kopf beugt, es aber auch nicht zulässt, dass ein anderer vor ihm den Kopf beugt. Für einen Krieger ist alles gleich. Und so sollte es auch mit der Kraft allgemein sein.“
Ja, aber wenn ich mich als Nichts betrachten soll, müsste ich alles andere auch als Nichts begreifen.
„In dem Fall ist es egal, als was du dich und andere betrachtest, wenn du nur alles auf ein und derselben Stufe erkennst.“
Also, was ist diese universelle Ich, Kim?
„Es ist das, was ich das – sich der Kraft ergeben – nenne. So wie ich dir einst sagte, dass kein Unterschied besteht. Noch führt dich das persönliche Ich, weil du alles nur aus deiner Warte aus betrachtest und auf dich selbst beziehst. Lässt du dich von der Kraft leiten, wirst du die Einheit erkennen, - dass alles stets mit allem verbunden ist und es weder Gewinn, noch Verlust wirklich gibt.“
Du sagtest es damals etwas anderes, - etwa so, - dass ich mich nicht mehr frage, was für mich dabei heraus springt.
„Das drückte ich ja durch Gewinn und Verlust aus.“
Du sagtest aber auch, wenn ich mich ganz am Boden fühle, habe ich nichts mehr zu verlieren, aber jede Menge zu gewinnen.
„Aber mit dem Gedanken, jede Menge zu gewinnen, erhebst du dich wieder vom Boden und das so lange, bis du dich ganz oben fühlst. Und was dann?“
Dann sollte ich doch wieder den Normalzustand der Zufriedenheit anstreben.
„Gut gesagt, Mädchen. Die Theorie hättest du.“
Und die Praxis wird weisen, ob die Theorie zutreffend ist.
Was du über die Gefahren des Nagual sagtest, - ich würde aber schon sagen, dass es nicht ganz gefahrlos ist, sich mit dem Nagual einzulassen.
„Sicher kommt es auf die innere Stärke an. Zweifel habe in diesem Bereich keinen Platz mehr. Alles, was du tust, sollte mit dem, was du denkst und fühlst, übereinstimmen. Deshalb ist es ja auch sehr wichtig, alles heraus zu lassen und nicht zu unterdrücken.
Die Gefahren des Nagual, oder wie ich es lieber nenne, - des universellen Ichs – besteht ja nur daraus, dass du es mit der Angst bekommen könntest, weil die die Persönlichkeit abhanden kommt. Durch das universelle Ich, wenn du es einmal an die Oberfläche lässt, bekommst du den Eindruck von unendlicher Weite, deren Teil du bist. Dadurch verkleinert sich logischerweise das persönliche Ich, - und das kann mitunter schon Angst auslösen.“
Und was gibt es dagegen?
„Vertrauen, Mädchen. Vertrau auf die Kräfte des Universums. Denke daran, dass sie es sind, die dich geboren haben und in deren Händen du schon immer warst, bist und sein wirst.“
Grüße
Gail