Teil sieben.
Waage.
Das Leittier der Elefanten hatte mit seinem Rüssel zum Abmarsch geblasen und Simutu saß stolz und erhaben auf dem Dickhäuter. Die anderen Elefanten spielten einer Trompete gleich im Gleichklang mit, und so hatte man den Eindruck, ein Trupp von Bläsern sei unterwegs. Simutus Elefant hielt einen kurzen Moment inne, hob vom Boden ein kleines Stück Holz auf und reichte es mit seinem stattlichen Rüssel Simutu. Der nahm das Stück, zog sein Werkzeug aus Alexandria aus der Tasche und fertigte sich eine kleine Flöte an. Kurz darauf war das gute Stück fertig und er probierte es unverzüglich aus. Dabei entdeckte er sein Naturtalent für Tonleitern, für die Musik schlechthin. Und so blies er eine Melodie vor, welche die Elefanten exakt nachspielen konnten. So ging es immer dichter in die dschungelartigen Wälder von Äthiopien hinein.
Pluto, Uranus und Marduk beobachteten aufmerksam das Geschehen. Uranus: „Ich bin sehr gespannt, wie er die Kraftlinie verfolgen wird und den messerscharfen Pfad angeht!“ Murduk: „Er wird immer das tun, was für Ausgleich sorgt und in der Balance hält!“ Pluto: „Er wird seine Aufgaben mit Witz, Diplomatie und guten Ideen meistern! Bisher hat er alle auftretenden Umstände seiner Reise gut gelöst, und so wird er auch heil wieder zu uns irgendwann zurückkehren können!“
In der Zwischenzeit wurden die Pfade immer enger, so dass die Elefanten nur hintereinander vorwärts kamen. Auf der linken Seite schien eine tiefe Schlucht mit einem reißenden Fluss zu verlaufen und zur rechten Seite hin wurde es unweglich und steil. So folgten sie den Pfad so lange, bis sie an einer alten Hängebrücke aus Holz ankamen, welche mit Stricken notdürftig einigermaßen manche Last aushalten konnte. Aber große Elefanten? Simutu schaute sich die Hängebrücke in Ruhe an und ging darüber, während die Elefanten geduldig warteten. Mit jeder Bewegung knarzte das alte Holz, und als ein Wind aufkam, fing die Brücke heftig zum Schaukeln an! Ruhig und gelassen hielt er sich mit seinen Händen an den Geländern fest und erreichte nach einiger Zeit das andere Ende der Hängebrücke. Hier fiel die Schlucht sehr steil ab und das Ufer war von großen Felsbrocken umsäumt. Er nahm seinen Speer und hebelte einen großen Felsen aus, so dass er donnernd in die Strömung rollte. Durch den Fels verkeilte sich das Holz in der Strömung mit der Brücke. Das Treibgut reichte nach einiger Zeit bis zum Untergrund der Brücke. Simutu rollte weitere Felsen unter die Brücke, so dass sie nicht mehr einbrechen konnte. Dann stimmte er ein freudiges Lied auf seiner Flöte an, so dass die Elefanten in aller Ruhe die Brücke begehen und überqueren konnten!
Das Leittier war sehr erfreut, im Wissen, dass nach einiger Zeit ein großer See inmitten des Dschungel sein müsste. Auch seien hier Ruinen, und keiner weiß wie alt sie sind und was es auf sich hat. Affen kreischten in den Lichtungen der hohen Baumkronen, dazu heftiges Gekrächze der zahlreichen Vögel. Sobald die Tiere still wurden, befand sich ein Raubtier in der Nähe, wie Puma oder Leoparden. Aber die Herde wusste um ihre Unbesiegbarkeit. Sogar Krokodile gingen den Dickhäutern aus dem Weg, sobald er sich an einer Tränke kreuzte. Zum Abend hin kam die Gezirpe der Grillen hinzu. Simutu war froh auf dem Leittier sitzen zu können, da sehr viele Ameisen am Boden geschäftig unterwegs waren. So erreichten sie bei Anbruch der Nacht einen ausgedehnten, von Schilf bedeckten See. Die Tiere stillten ihren Durst und auch Simutu füllte seine Wasserflasche voll und nahm mit den Elefantenkindern ein Bad. Nanna stand hoch am Himmel und spendete ein herrliches Nachtlicht. Im Wasser spiegelten sich auf der gegenüberliegenden Seite des Sees Ruinen aus Türmen und zerstörten Steinhäusern. Aber einiges schien noch intakt zu sein. Simutu war müde, gesellte sich zu den Tieren und schlief alsbald rasch ein.
Am frühen Morgen wachte er voller Tatendrang auf und hatte vor die Ruinen sich näher anzusehen. Im See wimmelte es voller Krokodile und so zog er es vor dem Ufer entlang zu folgen. Das Leittier wies einen Elefanten an, Simutu dort hinzubringen. Zur Mittagszeit kam er an den verwurzelten Ruinen an und bat dem Elefanten zu warten. Die Türme hatten offene Türen und hatten Holzleitern im Inneren. So konnte er ohne Probleme den Turm bis zu seiner Aussichtsplattform vorsichtig besteigen. Oben angekommen sah sich Simutu an einen Punkt, der einen unbeschreiblichen Ausblick freigab. Er sah ein grünes Meer an Dschungel und ganz am Ende des Horizonts erkannte er in blassen Streifen das Meer. Er nahm an, dass der Weg dorthin wenigstens um die 200000 Fuß, was unter diesen Umständen eine Reise einer ganzen Phase von Nanna entsprach. Der edle Held war von dem Ausblick fasziniert. Aber jetzt interessierten ihn diese mystischen Ruinen. Über die Leiter stieg er wieder den sicheren Boden entgegen. Er sah einen tiefen Graben, und auf der anderen Seite war ein kleines Tor zu sehen. Ein dicker, umgefallener Baumstamm führte wie eine Brücke, und Simutu betrat vorsichtig den Baum. In der Mitte fing der Stamm sich zu drehen an, und so rutschte er aus und fiel in den tiefen Graben. Die Wände waren steil und schmierig von der Feuchtigkeit des Urwaldes. So war er am Grund des Grabens gefangen und in einer aussichtlosen Situation! Doch der Elefant hatte das Fallen des Jünglings vernommen und ging zu den Graben. Er sah Simutu, beugte sich und streckte seinen Rüssel so tief es nur ging in die Grube. Simutu sprang mit Anlauf auf den Rüssel zu, und so konnte das kluge Tier ihn aus seiner Situation befreien. Nun hielt der Elefant den Baumstamm fest umschlossen, Simutu konnte endlich schadlos zur anderen Seite gelangen.
Die Ruine schien der Eingang einer stattlichen Siedlung zu sein. Als er durchgegangen war, sah er eine bunte Anordnung zahlreicher, kleinerer Ruinen. Die Häuser bildeten mit Abstand gesehen einen weiten Kreis, der mit 12 angeordneten, gleichen Abschnitten eingeteilt war. In diese Steine waren hohe Stämme eingerammt. Simutu sah, dass genau zur Mittagszeit die Sonne zwischen zwei Markierungen hindurchschien. Und so erkannte er, dass es sich hier wohl um eine Anlage handelt, die die Phasen Nannas und Utu ( sumerisch Sonne ) vorausberechnen konnte. Doch etwas war seltsam! Utu stand kurz nach dem Zenit und Nanna steuerte unübersehbar auf Utu zu! So verdunkelte Utu von Minute zu Minute, solange, bis die Nacht am Tage hereingebrochen war.
Simutu hörte das besorgte Trompeten der Elefanten. Alles schien zu sterben. Die Laute der Affen und Vögel verstummten. Dabei kam ein heftiger Wind auf und warmer Regen setzte ein! Nach einigen Minuten schien Utu durch die Regenwolken hindurch und wurde immer heller. Eine Viertelstunde später war es wieder taghell und überall verdampfte der Niederschlag. Simutu war einen Geheimnis näher gekommen, welches die Priester in seiner Heimat eifrig hüteten. Auch seine Väter hatten hohe Holztürme gebaut, um bei Nacht den Himmel besser beobachten zu können. Dadurch konnten sie immer den nächsten Zeitpunkt einer Finsternis vorhersagen und hatten dadurch sehr viel Macht!
Das Dorf grenzte an einer sehr steilen Felswand. Sie hatte einige kleinere und größere Höhlen. Der mutige Mann ging in die größte Höhle bis zur ihrer Mitte hinein. Im fahlen Licht sah er wunderschöne Malereien an den Wänden vor! Jagende Menschen mit Leopardenköpfen, andere hatten Flügel und schienen vom Himmel gekommen auf der Erde zu landen! Flugmaschinen standen in der Luft, und daraus kamen die Engel hervor und landeten, während das Flugobjekt nicht an Höhe verlor! In einer Nebenhöhle fand er einen Altar, der tief von Blut gefärbt war. Anscheinend hatten die Bewohner den Besuchern aus dem Himmel Opfer darbieten wollen, dachte sich Simutu. Er war sich bewusst, dass die Ruinen noch älter wie das legendäre Aratta war; vielleicht mehr als 10000 Jahre vor seiner Zeit?
Die Zuschauer im 12. Haus wussten um die Tatsache, dass um diese Zeit auf anderen Kontinenten Hochkulturen existierten. Vielleicht waren sie Nachfolger des legendären Atlantis! Fakt ist, dass sich um den Erdball herum in regelmäßigen Abständen solche Steinkreise und Tempelanlagen befanden. Sie ergaben zusammen ein verlässliches Netz. Und anscheinend waren es die Nachfolger von Atlantis, welche sich über der Erde nach dessen Untergang verstreut hatten. Marduk nickte zustimmend, während Uranus das Ausrutschen auf den glitschigen Stamm kommen sehen hatte! Simutu schien zu fühlen, dass hier ein Ursprung vieler Menschen der Fall war. Er stellte sich beinahe andächtig vor, wie die Engel mit den Menschen verbunden waren. Auch bei den Ägyptern hatte er an ihren Obelisken solche ähnliche Bilder gesehen. Männer mit großen durchsichtigen Kugeln auf den Kopf, mit Schläuchen verbunden. Er ließ in Ruhe diese Eindrücke auf sich wirken, und die Finsternis brachte ihn zu der Annahme, dass etwas ganz Besonderes geschehen war. Der Elefant röhrte ein wenig, als wenn er auf Simutu Einfluss einnehmen könnte. Simutu kehrte über die provisorische Brücke zurück und anschließend brachte ihn das Tier zur Herde zurück.
Die Tiere waren noch ein wenig geschockt wegen der Finsternis, aber die Elefantenkinder waren bereits wieder dabei, sich im Wasser mit den Rüsseln gegenseitig zu bespritzen! Eine Elefantenkuh hatte inzwischen Früchte vom Baum gepflückt, Kokosnüsse von prächtigen Palmen heruntergeschüttelt und mit einer Grazie Simutu per Rüssel überreicht. Die Milch war kühl und schmeckte wohltuend, und die Schale der Nüsse war mit weichem Mark gefüllt. Die Herde und Simutu waren satt. Aber die Herde wusste, dass einige Tagesmärsche weiter das Land zum Meer hin langsam flacher wird und dort besseres Gras und Blätter zu finden seien. Der Boden des Urwalds bebte, wie sich die große Herde wieder in Bewegung setzte. Simutu konnte sie nur schätzen, so viele Tiere waren in diesem Verband. Die Wälder wurden nun etwas lichter und der schwülen Luft des Urwaldes kam frische Luft vom Meer entgegen. Eine angenehme Brise schien Simutu bunte Schmetterlinge entgegen zu blasen. Sie waren neugierig und umtanzten ihn an seinem Gesicht. Eifrige Waldbienen saugten emsig die wunderschönen Blüten prachtvoller Blumen ab. Auch von den Lianen hingen alle möglichen Blütenformationen und Simutu erkannte ihn ihnen sich immer wieder wiederholende Strukturen! Viele Blüten hatten sechs, sieben Blätter, andere deren zwölf oder sogar 144! Er dachte an die kluge Ishtar und ihre Positionen am Himmel. Sobald man sie verband, sah man eine exakte Formation. Seine Erkenntnis hierüber brachte ihm die Gewissheit, dass die Schöpfung immer wieder gleichen Mustern und Anordnungen folgt und dies ein hermetisches Gesetz sei.
Fortsetzung folgt!
