Da hast du natürlich recht. Unterm Strich wird immer so entschieden werden. Zum einen, weil wie gesagt, es noch nicht in den Köpfen (gerade von älteren) Entscheidungsträgern angekommen ist, dass auch Männer in Karenz gehen können. Zum anderen leben wir aber in einer Zeit in der sich immer mehr Frauen dazu entscheiden keine Kinder zu bekommen und es auch genügend Frauen gibt, die auch gar keine bekommen können. Somit müsste man also bei einer Bewerbung ein ärtzliches Attest mitsenden, in dem mir bescheinigt wird, unfruchtbar zu sein, damit Chancengleichheit besteht. Wenn man jetzt unter Unfruchtbarkeit leidet und sowieso schon am Sand ist, wird man also wegen dem noch zusätzlich immer wieder geschnitten - auch wenn das natürlich nie ein offizieller Grund ist, warum ich den Job nicht bekomme.
In der Realität werden noch viel mehr Faktoren in Betracht gezogen und natürlich können die sich auch von Chef zu Chef und Chefin zu Chefin unterscheiden und sind nie vollkommen objektiv. Viele dieser Faktoren können auch für Frauen sprechen, so dass ein Chef eher zu einer Frau tendiert wenn er die Wahl hat. Und mein Eindruck ist: Die meisten heutigen Männer sind irgendwie wie ich selbst. Die haben kein negatives Frauenbild oder sind gar misogyn. Ich selbst, wäre ich Chef einer Firma, würde ich zwar natürlich auch nicht objektiv denken (können) und ich würde nie glauben Männer und Frauen seien sozusagen "gleich". Aber ich würde neben offensichtlicher Qualifikation immer auch viele andere Faktoren in Betracht ziehen, den gesamten Kontext den ich zu überdenken in der Lage wäre. Dazu gehört logischerweise auch Charakter und Auftreten und alles mögliche. Sympathie würde logischerweise eine Rolle spielen usw.
Wie gesagt, da bin ich nicht sicher. Gibt es dazu wirklich Untersuchungen? Also Vorlieben ohne Einfluss der Eltern? Das würde mich echt interessieren.
Vor einiger Zeit habe ich mal ein paar Artikel darüber gelesen. Das Problem ist aber: Auch wenn Studien letztlich bestätigen dass schon Kinder statistisch gewisse Verhaltensmuster zeigen (also überwiegend das "typisch-Junge -- typisch-Mädchen") dann ist es natürlich unmöglich einen äußeren Einfluss auszuschließen. Das wäre ja nur möglich wenn man Kinder in Laboren aufwachsen lassen könnte. Hier ist ein Beispiel:
"So nehmen 61 Prozent der deutschen Mütter ihre Kinder in Bezug auf Interessen und Geschmack überwiegend als typisches Mädchen oder typischen Jungen wahr. 61 Prozent der befragten Mütter beschreiben ihr Kind als absolut typisch, weitere 33 Prozent als in diese Richtung gehend, „wenn auch nicht immer“.
Dem gegenüber stehen weniger als 1 Prozent der Mütter, die in ihrem Kind das Gegenteil der gängigen Geschlechter-Klischees sehen. 5 Prozent der befragten Mütter sehen zumindest eine Tendenz zu nicht geschlechtsspezifischem Verhalten."
https://www.deutschlands-marktforscher.de/studie-zu-geschlechter-klischees-bei-kindern/
Problem ist natürlich: Jene die davon überzeugt sind, dass das "typische" jeweils irgendwie anerzogen oder subtil konditioniert wurde, werden zwei Dinge einwenden: Erstens sind die Mütter in ihrer Wahrnehmung nicht vertrauenswürdig. Vor allem aber sind die Kinder ja sozialisiert. Umgekehrt gesagt: Um diese Studie aussagekräftig zu finden muss man unterstellen, dass die Eltern dieser Kinder überwiegend freilassend sind, also zulassen würden wenn Kinder sich vermeintlich untypisch verhalten (Junge will mit Puppen spielen).
Ich selbst glaube das die meisten heutigen Eltern überwiegend freilassend sind, denn das ist meine Erfahrung im Verwandten- und Freundeskreis. Es ist sogar meine Erfahrung mit meinen eigenen Eltern und den Eltern meiner Freunde und Freundinnen, und ich bin 41.
Für mich ist generell schwer eine Grenze zu ziehen, wann etwas misogyn ist wann etwas "nur" diskriminierend ist.
Ab wann ist Frauenhass wirklich Frauenhass? Und hasse ich dann alle Frauen gleich?
Ganz genau kann man das auch selten unbedingt wissen. Wenn ein Mann sich klar misogyn äußert oder sogar verhält ist es natürlich eindeutig. Aber selbst vieles das "nur" diskriminierend erscheint muss es nicht unbedingt sein. Es kann extrem viele Gründe haben warum z.B. ein Mann eingestellt wird und eine Frau dann glaubt, sie sei nicht genommen worden weil sie eine Frau ist. Das ist jetzt sehr vereinfacht, aber ich glaube das es wirklich nicht gut für Frauen selbst ist zu schnell in diese Richtung zu schauen. Es gibt unglaublich viele Faktoren die eine Rolle spielen können.
Zudem ist es nicht hilfreich Fairness zu erwarten. Fairness ist nicht möglich. Damit meine ich nicht nur Fairness unter den Geschlechtern sondern überhaupt. Unabhängig davon ob man männlich oder weiblich ist, unabhängig von Hautfarbe oder Religion, kann es zur psychologischen Falle für einen selbst werden, wenn man Fairness vom Leben oder von Menschen erwartet. Unbewusst trainiert man sich sonst selbst Schwächen an wo keine sein müssten.
Es gibt doch den Satz "check your Privilege", womit sozusagen gemeint ist das vor allem weiße und gut ausgebildete Männer privilegiert sind und sich das bewusst machen sollten. Dieser Satz ist auf mehrere Arten richtig. Denn einerseits stimmt das. Weiße Männer sind tatsächlich privilegiert und wissen das zum Teil gar nicht, weil sie viele negative Erfahrungen nicht machen. Die Folge ist aber auch, dass weiße und gut gebildete Männer daraus resultierend oft auf natürlichere Art selbstsicher sind. Das hilft ihnen zusätzlich. Niemand hat einen Knopf um das einfach zu sein. Aber das beste was jede und jeder m.A.n. machen kann, ist sich um aufrichtige Selbstsicherheit zu bemühen -- nicht im Sinne von Anstrengung, eher im Sinne von Selbst-Aufrichtigkeit und Verantwortung. Das klingt ein bisschen wie aus einem banalen Selbsthilfebuch. Das liegt aber eher daran, dass ich hier nicht zu ausführlich werden möchte. Mir ist durchaus bewusst, und ich kenne es selbst, dass es nicht einfach ist.
Ich finde das Bewerbungsverfahren dass es in Norwegen (?) oder Finnland (?) gibt interessant. Da bekommen Betriebe über einen Personalvermittler keine Namen und Fotos mehr, sondern jeder Bewerber bekommt eine Nummer. Weitergeleitet an den Betrieb werden nur die Nummer und die Ausbildung der Bewerber. Somit kann der Betrieb nur aufgrund der fachlich notwendigen Daten entscheiden und es wird verhindert, dass gewisse Bewerber aufgrund von Aussehen oder Geschlecht im Vorfeld schon raus fallen.
Ja, das hat natürlich die von Dir genannten Vorteile. Es hat aber auch klare Nachteile. Denn viele Chefs und Chefinnen entscheiden nicht nur auf Basis von Kompetenz. Wäre ich ein Chef würde ich während einer Unterhaltung auch gerne ein Gespür für den Menschen bekommen mit dem ich es zu tun habe. Und natürlich würde das auch von meinen eigenen subjektiven Überzeugungen beeinflusst und das wäre nicht immer objektiv fair. Es wäre aber mit Sicherheit eher passend. Und oft geht es genau darum... Ideal gibt es nie, passend gibt es sehr oft und die Dinge laufen wirklich schief wenn etwas nicht passt. Das ist wie mit allen menschlichen Beziehungen.