Memoiren.Misch-Masch

Sie hatten auf dem Lindenplatz abgemacht. Doris trug ihren türkisfarbenen Mantel mit den grossen, perlmuttfarbenen Knöpfen, der ihr knapp über die Knie reichte. Sie sass auf der Mauer und rauchte eine Zigarette. Als sie Peter kommen sah, drückte sie die Zigarette aus, stand auf und wandte sich der Stadt zu, um mit forschendem Blick auf ihre Türme, Dächer und Strassen zu schauen. Hier hatte sie sich in Zürich verliebt. Hier war ihr Tag und wird immer wieder ihr Tag sein.
Peter ging direkt auf sie zu und stupste sie an der Schulter an.
Ich habe dich sofort erkannt, sagte er.
Doris tat etwas überrascht, wandte sich um und sagte: Ich bin ja auch deine Dodo.
Ja, das bist du, meinte Peter. Aber für dich muss ich jetzt ein alter Mann sein. Ich bin jetzt dein alter Cowboy, o.k.? fügte er lachend und in gebrochenem Deutsch an.
Ich freu mich so, dass du hier bist! Dodo strahlte Peter an, während er in seine Jackentasche griff und ein paar Kaugummis hervor kramte.
Schau, sagte er mit einem breiten Grinsen. Dodo schaute auf seine Hand und zählte. Das sind ja vier Sorten, alles neue.
Ja, meinte Wolfgang, aber ich habe auch die alte und griff erneut in die Jackentasche. Willst du lieber diese?
Doris griff danach, und sagte: Klar, will ich diese. Aber ich will auch alle anderen!
Du musst sie auch gar nicht teilen, meinte Peter. Heute ist alles anders.
 
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Sie warf im Vorbei-Gehen einen Blick in den Spiegel und lächelte. Doch sie musste stehen bleiben und sich darin richtig ansehen. Es war eindeutig: Sie gefiel sich. Und sie wusste es mit aller Bestimmtheit: Heute war ihr Tag. Noch gestern fiel der Regen unaufhörlich wie Glasfäden vom Himmel, als gäbe es tatsächlich einen Petrus, der sagen wollte: Da, webe deine gläsernen Gedanken hinein, du hast es nicht anders verdient, für mich ein wenig zu arbeiten! Heute aber war der Himmel so blau wie ein Meer aus Veilchen und sein Duft verwebte sich zärtlich mit dem ihres Haares. Sie würde es heute offen tragen. Ihr schönstes Kleid lag bereits auf dem Bett, sie musste nur noch die letzten Dinge in Küche und Stube erledigen, dann wird sie es sich überstreifen wie eine zweite Haut aus Seide. Das andere Kleid, das sie anziehen wollte, wenn sie zurückkehrte und Ben erwartete, lag auf der gegenüberliegenden Seite. Es war schwierig auszumachen, welches das Schönere war, aber das gegenüberliegende war das Vielversprechendere.
Sie hatten in einer Bar abgemacht, um sich einen Drink zu genehmigen und danach zum Leuchtturm zu fahren. Und, sie würde Marc überraschen, denn ihr Motorboot war bereits dort. Natürlich würde Inge ihn den Weg zu Alex fahren lassen. Alex, das war der Leuchtturm, so hatten sie ihn in stiller telepathischer Übereinkunft getauft, als sie beide in getrennten Wohnungen nachts einmal nicht schafen konnten, als würde Mick Jagger persönlich sie von oben her stören. Auf dem Beifahrersitz würde sie sich nochmals um ihr Haar kümmern und auch sonst alles Weitere tun können, um ihn um den Verstand zu bringen. Schon wenn sie beim Leuchtturm angekommen sein werden, wird es erledigt sein. Sie wusste es, es war alles perfekt vorbereitet. Sie verliess die Wohnung, drehte den Schlüssel im Schloss um und blieb noch einen Augenblick stehen. Sie liebte dieses Geräusch, und es brachte sie heute beinahe um ihren Verstand. Bis bald Ben, ich komme.
 
K. begann einzudösen. Als er die Augen wieder öffnete, sah er direkt in das Gesicht der Flugbgleiterin mit dem Lächeln und sagte zu ihr: Diese Welt ist wie Kaffeesatz. Das Lächeln der jungen Frau wich nicht von ihrem Gesicht und sie sagte: Möchten Sie gerne einen Kaffee? Nein, sie haben mich nicht verstanden, sagte K. mit Nachdruck. Melden sie sich einfach wenn sie etwas benötigen, sagte die Stewardess sehr freundlich und bewegte sich weiter vorwärts. K. schloss die Augen wieder und wurde von einem Vibrieren an seinem Bein geweckt. Er fasste sich an die rechte Hosentasche, aber da war nichts. O.k. sagte er. Und: Yes, hello! Here Captain Leon Benjamin Butterbread. Bitte hören Sie jetzt gut zu! Die Welt wird von einem Retrovirus bedroht! Sie sind der auserwählte Mann, die Katastrophe zu verhindern.
 
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Vielleicht ist spätestens seit dem vorletzten Beitrag der Titel des threads leicht missverständlich. :D
Also, es geht von jetzt an mehr um die kleinen ad-hoc Texte.

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Meow wandte sich von der Gesellschaft ab, ohne noch einen weiteren Ton von sich zu geben. Er schien leicht verärgert zu sein, oder auch nur gelangweilt. Der Admiral mit seiner Frau und seine Mätresse waren gegangen, und jetzt sassen im Rauchsalon noch lauter Damen am Tisch, die noch sehr Wichtiges vor hatten. Was interessierte ihn das denn! Doris Day hätte sich einverstanden erklärt, die Sitzung zu leiten, aber die Sand liess das nicht zu. Sie hatte hier alle Hefte in der Hand, so viel hatte sie schon mehrmals klar und deutlich zum Ausdruck gebracht. Schliesslich ging es hier nicht nur um eine erweiterte Reiseroute, sondern möglicherweise um Leben und Tod einer ganzen Besatzung. Und sie erklärte sich gerne, das machte ihr gar nichts aus. Meow mochte sie nicht besonders, aber eigentlich war es ihm egal.
Der Kater blickte drei Sekunden lang gespannt auf die Chaise-Longue, richtete sich in seinem Faszienklied ein und nahm dann einen Sprung. Die Sand hatte ihn aus den Augenwinkeln beobachtet und kommentierte grinsend: Elegant! Innert Sekunden verschwand Meow mit seiner Aufmerksamkeit zwischen seinen Pfoten in sich selbst und träumte von einer Horde Affen im Urwald von Brasilien, welche Francoise Sagan gehörte und gerade auf wilder Jagd war.
 
George Sande spitzte ihr Bleistift und schaute Meow an, als wäre es ihr Geliebter, der dort liegen würde. Als sie mit der Arbeit fertig war, wandte sie den Blick wieder den Anwesenden zu. In ihren Augen glimmte ein Feuerchen, und man konnte beobachten, wie es ganz langsam erlosch. Sie musste jetzt klar denken und Kalkül beweisen und alles daran setzen, dass das Schiff nicht unter ging.
Es ist wohl allen klar, meinte sie, dass die Lage sehr, sehr ernst ist. Doris drückte ihre Zigarette aus und meinte nur: Naja, wer weiss, es ist vielleicht nicht ganz so schlimm, wie Sie immer meinen. Ich jedenfalls, und sie hob ihre Hand, um sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht zu zaubern, sehe es ein wenig lockerer.
Meow, unmittelbar aufschauend, grunzte zu diesen Worten, legte den Kopf aber sofort wieder zwischen die Pfoten und schlief weiter. Und diesmal begegnete er Francoise Sagan im Traum persönlich. Diese gestikulierte wild und unter Tränen, während sie rief: Es ist wegen der Sand, es ist alles wegen der Sand!
 
König Prüderich und seine Genossen, die dauernd stritten kamen überein, dass sie den Sinn ihres Lebens nicht mehr erkannten.
Muss es da mehr geben?
Sie entschlossen sich - noch bevor eine Eisenbahnstrecke dorthin fuhr - sich in den Bergen niederzulassen, und einfache Bergbauern zu werden, bei denen es um nichts gibt, als um eine ziemlich individuelle Auslegung der Bibel in Kombination mit der Interaktion innerhalb der Familie und den restlichen Dorfbewohnern.

Die Frauen dachten, der König und seine Kumpanen wären Stümper. Geisteslose Irre.
Währenddessen die Körper des Königs und seiner Kumpanen von "hohen Wasserbauern" geleitet und inspiriert wurden.
Von höheren Geistern, als die Geister der Frauen, die das aber nicht sehen konnten.

So leideten sie so vor sich hin. Jeder mit dem Anspruch der Intelligenteste zu sein.
Ohne den anderen auch nur ansatzweise zu verstehen.
 
Dieser Juli war wirklich sehr regnerisch gewesen. Meret plante, ein paar Tage in den Süden zu verreisen, wenn nicht dieser erste Dienstag im August ihre Pläne durchkreuzt hätte. Es war nur ein kleines, gelbes Blatt auf ihrem Schreibtisch, dessen Form an ein Herz erinnerte, und es kam genau auf eine Dankeskarte mit einer japanischen Kalligraphie zu liegen, die sie von einer Bekannten aus dem Tessin erhalten hatte. Das Blatt stammte von einer Schwarzpappel, und es musste an diesem Dienstagmorgen durch das leicht geöffnete Fenster durch einen Luftzug hereingetragen worden sein. Meret schaute das Blatt nur an, und sofort hatte sie den einen Gedanken im Kopf: Hermes.
Sie fand das mehr als seltsam. Ihre Hermes Baby, die Schreibmaschine, auf dem sie früher ihre Texte schrieb, hatte sie seit zwanzig Jahren nicht mehr, und mit der griechischen Mythologie hatte sie zur Zeit auch nicht viel am Hut. Aber das Blatt zog sie in ihren Bann, sie musste sich hin setzen und schaute es minutenlang an. Noch hatte sie es nicht mal berührt, aber sie konnte jetzt eine Zärtlichkeit fühlen, von der sie nicht genau wusste, ob sie vom Blatt her käme oder von ihr selbst.
Sie fand das etwas kindisch, denn es passte jetzt so gar nicht in ihren Alltag, gerade jetzt hätte sie noch vieles zu erledigen gehabt. Meret überlegte, wo denn die nächste Schwarzpappel überhaupt stünde, aber es wollte ihr nicht in den Sinn kommen. Das ärgerte sie! Sie hatte es hier auf ihrem Schreibtisch mit einem gelben Blatt einer Schwarzpappel zu tun, zufällig herein geweht, und sie konnte nicht mal sagen, woher es käme. Meret legte sich auf die Couch in ihrem Büro und wusste mindestens eine Stunde lang gar nichts mehr, aber sie ahnte, dass die Woche ganz anders verlaufen würde, als sie es geplant hatte.
 
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Die Sonne brannte auf Howards Gemüsegarten, als wäre es das letzte mal. Seit seine Frau nicht mehr lebte, war er von Jahr zu Jahr grösser geworden. Dies war eine Tatsache, die Howard zwar bemerkte, aber ihr keine allzu grosse Bedeutung beimass. Im Grunde genommen wusste er es nicht, weshalb er immer mehr Gemüse anpflanzte, Punkt. Er merkte nur, dass er jedes Jahr mehr davon hatte und so Gemüse für zwei essen konnte. Den Rest musste er verschenken. Es fand sich immer irgend jemand, und im Notfall landete es im Futtertrog der Schweine seines Nachbarn.
Von der Veranda aus liess sich der Gemüsegarten gut betrachten. Er sah aus wie ein grüner Schmuckstein inmitten der Wiese, umzäunt von Blumen in allen Farben. Howard hatte sein Bier getrunken und schlief in seinem Schaukelstuhl ein, als er plötzlich laute Rufe hörte. Es war William, sein Nachbar, der aufgeregt auf ihn zu rannte. Keuchend kam er bei Richard an und verkündete: Howard! Howard! Du musst jetzt auf meine Frau aufpassen, also nicht jetzt, aber bald. Ich bitte dich! Tu mir den Gefallen, Howard!
Howard schaute blöd und leicht verärgert. Was ist los, fragte er. William legte ihm eine Bescheinigung auf den Tisch. Hier! Ich werde weg sein. Eine Woche in Las Vegas! Er grinste, und die Zähne schienen ihm aus dem Mund, dass es Howard lieber nicht gesehen hätte.
 
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Es führte kein Weg daran vorbei, absolut keiner. Christina wusste alles, was sie wissen musste. Und sie kannte die Menschen. Sie hob ihre Nase genüsslich in die feuchte Luft, in welcher der süsse Geruch von Obst lag. Sie nahm ein paar tiefe Atemzüge mit geschlossenen Augen und gab jedem Ausstoss ihres Atems einen wabbernden oder staccatohaften Ton. Das war eines ihrer irren Spiele, das sie zur Zeit zur Entspannung machte. Natürlich nur, wenn sie sich unbeobachet fühlte. Beim letzten Ton erreichte sie ihren Wagen.
Im selben Moment verliess Marc die Klinik mit einer Narbe und zwei nicht mehr ganz frischen Schrammen am Hals. Mit seiner Zunge befreite er einen kleinen Rest Süsse aus seinem rechten Mundwinkel. Als er die Glastür durchschritt, merkte er, wie sich die linke Faust in der Jackentasche von seinem Schlüsselbund löste und kaum war er draussen, erlöste er beide Hände von deren Dunkelheit. Mit schnellem Schritt ging er voran, während er seine Hände vor sich in der Luft einige Male von innen nach aussen hin und her drehte und intensiv betrachtete, als müsste er sich versichern, dass sie noch ganz waren.
Plötzlich blieb er stehen, und griff mit der rechten Hand eilig in die Hosentasche, um einen Zettel hervor zu klauben. Er entfaltete ihn und las, was er mit Bleistift und schöner Schrift darauf geschrieben hatte. Das war erstens alles unter dem Stichwort Lügengebäude, und zweitens alles unter dem Stichwort Wahrheit. Marc lächelte. Ein Windhauch streifte seine Stirn.
 
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