Hallo Abendsonne, hallo liebe Foris,
ich mache jetzt den dritten Versuch in diesem Thread zu antworten; ich habe die ersten beiden Versuche einmal wegen mir selbst gelöscht, zum anderen, weil es aber auch echt schwierig ist.
Bitte, Abendsonne, verzeih, wenn ich jetzt im Folgenden erst mal von Dir in der dritten Person spreche. Ich habe sortiert, das will ich jetzt loswerden, wenn ich es in der DU-Form schreibe wird es noch komplizierter.
Ich stelle fest: Abendsonne ist eine ehrliche Haut, die kreist und kreist und kreist, aber nicht mal die Rangehensweise an das Problem findet.
Andere sind da praktischer, wie Inti, Walter, ChrisTina, Elke...
Die liebe Abendsonne liest das und erkennt die Lösung trotzdem nicht.
Sie interpretiert etwas anderes.
Allerdings ist das ist bei ihrer Geschichte kein Wunder, finde ich.
Diese, ihre, Mutter kreist um sich selbst in hingebender Schwäche.
Das ist im Grunde eine sehr narzisstisse Rolle, die vom Kind ( dem früheren Kind Abendsonne) ganz viel fordert.
Denn da die Mutter so schwach ist, wird das Kind nicht um seiner selbst geliebt und wahrgenommen, sondern bleibt immer ein Mittel, die "schwache, hingebungsvoll gute" Mutter zu bedienen, zu stützen.
Kein Wunder, dass Abendsonne sich da in ihren eigenen Empfindungen
"verkehrt " fühlt.
Auf der einen Seite, ist die Mutter von der Art her wie sie auftritt, ja so gut, doch in ihrer hingebungsvollen Art verkleistert sie, wie bedürftig sie selber ist! Wieviel innere Hilfe sie von der Tochter fordert! Um genau ihr unbewusstes Mutter-Lebensspiel aufrecht zu erhalten!
Statt menschlich "echt" zu sein, steuert sie irgendwelche Geschenke bei, für die man auch noch dankbar sein muss, während einem längst schlecht wird, über das, was diese Mutter einem im Gegenzug dazu nimmt.
Abendsonne spürt diese Diskrepanz, aber sie kann sie nicht einordnen.
Ist das Lüge? Theater? Schow? - Echt ist es jedenfalls nicht.
Hinzu kommt, dass die Mama mit moralisch hohen Werten daherkommt:
"Was? Deine eigenen Eltern verlassen? Es sind doch Deine Eltern!"
Abendsonne hat genau die gleichen hohen moralischen Werte der Mama übernommen. Schließlich ist das ja ihre Mutter. Aber es ist für sie eine Krux, wenn man ihre Beiträge liest.
Ständig fragt sie sich: Darf ich zornig sein? Darf ich ablehnend sein?
Was ist das nur, ich bin wütend. Darf ich wütend sein?
Sie kennt sich nicht aus. Und das ist auch kein Wunder, bei einer solchen Mutter. Das Geheimnis der Mutter ist von vorn herein durch einen moralischen Anspruch verkleistert: IHR darf man nicht böse sein.
Klar ist die Mutter tatsächlich schwach. Sie bekommt ECHTE Herzprobleme.
Trotzdem ist es eine Rolle, die sie spielt.
Ihre Lebensrolle, die sie nie anders definiert hat.
Echte Gefühle sind durch Moral ersetzt. Durch ein: Man muss. Durch Schuld - und Schamprinzipien.
Da die Mutter ja nie im Leben an etwas Schuld sein kann, so schwach und gut sie ist, müssen andere her.
Dass es ein Leben OHNE Schuld geben kann, in dem alle nur freudig sind, anstatt pflichtbewusst, ist Abendsonnes Mama noch nicht aufgefallen.
Zu dieser schwachen Mutter gehört ein narzisstischer Vater, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen: Wo die Mutter weich und verletzlich ist, ist er hart und nichthinschauend. Die beiden haben sich gesucht und gefunden.
Die Mutter - in ihrer persönlichen Schwäche - ordnet sich dem harten Vater unter, der dadurch seine ( vermutlich auch gespielte ) Härte besser leben kann. Je weicher sie ist, desto härter wird er. Er ist schließlich das Rückrat der Familie!
Also: Die hingebungsvolle ( falsche) Weichheit der Mutter, baut den Vater auf, der sich in seiner (falschen) Härte bestätigt fühlt. Beiden gemein ist das Klammern an Äußerlichkeiten, an das: Man muss. Beiden gemein ist das Klammern an das bürgerliche Ansehen im Ort: So und so gibt man sich nach außen hin! Beiden gemein sind Schuld- und Schamgefühle, bezüglich des Außens.
Das ist eine doppelt und dreifache Fassade, die niemand auf Anhieb leicht verstehen kann.
Denn die Eltern sind ja nicht nur nach außen hin lügend - sie sind es sich selbst gegenüber, und dem Ehepartner gegenüber und den Kindern gegenüber auch!
Abendsonne steht hier also vor einem mehrfachen Rätsel.
Wenn es also um Schuld geht, wie sie von ihren moralischen Eltern gelernt hat, muss der Schuldige doch auch bestraft werden? Muss einsehen, das er sich falsch verhalten hat? Muss sich ändern?
Irgendwo muss man doch mal hin mit der Schuld? Und da es das frühere Kind Abendsonne nicht war, MÜSSEN es die Eltern gewesen sein, ist doch klar. Sie haben gemacht, dass die Schwester abhaute in die Obdachlosigkeit , und es Abendsonne mit ihren verdrehten Werten so schwergemacht, dass sie in ihrem Leben nicht unterscheiden kann, um was es wirklich geht.
Mit so einer Doppelbelastung mehrfacher innerer Lüge aufgewachsen, kann man wirklich selber schlecht sehen, um was es tatsächlich geht.
Liebe, liebe Abendsonne, löse Dich von dem von Dir übernommenen Elternbegriff der Schuld.
Du brauchst den nicht. Es geht auch ganz ohne Schuld!
Löse Dich von dem Mutterbegriff: Ihnen Ehre erweisen.
Das ist alles nichts Echtes, das spürst Du ja selber auch, es ist eine gesellschaftliche Konstruktion!
Die Alten sind ALT und werden sich nicht mehr ändern.
Sie werden mit IHREN Begriffen, wie das Leben so ist, und welche Rolle man darin spielen muss, sterben.
Das was Du für Dein Leben machen kannst, um den ständigen Kreislauf des Weitergebens von Problemen von Generation zu Generation zu verhindern, ist dass Du IHRE moralischen Begriffe nicht übernimmst.
Leuchte durch, was einfach gesellschaftliche Schow ist! Meide das Schuldprinzip!
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Es ist bitter, solche Eltern zu haben.
Ich hatte auch solche.
Es ist bitterer als bei Dir: Meine Mutter hat im Prinzip zugesehen, wie ich als Kleinkind unter ihren Händen starb. Sie hat es nicht wahrgenommen.
Sie war der Meinung, wenn sie mir alle 4 Stunden die Flasche gibt, reicht das. Sie, die Mutter und die Oma, haben mich ins hinterste Zimmer des Hauses geschoben, um mein Schreien nicht mehr zu hören. Hinterher schrie ich nicht mehr.
Mein Vater fand mich, nachdem er eines Sonntags nach einem mehrwöchigen Handwerkereinsatz, weit entfernt, nach Hause kam.
Er erkannte sofort meine kritische Situation und hat mich - obwohl er die Nacht über mehrere 100 Kilometer gefahren war - auf der Stelle ins nächste, beste Krankenhaus gebracht. Ohne ihn hätte ich den Tag nicht überlebt.
Es wurde
des Sonntags eine sofortige Notop eingeleitet um mein Leben zu retten: Ich hatte eine doppelseitige schwere Lungenentzündung, und eine doppelseitige so schwere Mittelohrentzündung, dass der Eiter begann ins Gehirn zu dringen. Somit hätte mich die jetzt aufsteigende Gehinhautentzündung binnen kurzer Zeit hingerafft.
Als Folge dieser Krankheit habe ich eine doppelseitige Faszialislähmung.
Auf dem rechten Ohr kann ich kaum noch etwas hören, auf dem rechten Auge beträgt die Sehkraft 20%.
So. Als ich dann meiner Mutter wieder übergeben wurde, schrie sie Zeter und Mordio: Sie hatte ein Prinzesschen in der Klinik abgeliefert - und nun einen Kretin zurückgekriegt! Dass sei die Schuld der Ärzte! Die hätten mich durch die Operation verpfuscht!
In diesem Bewusstsein bin ich aufgewachsen.
Mutters persönliche Schuldgefühle waren so groß, dass sie die an die Ärzte delegieren musste.
Erst durch Zufall bekam ich, 30 Jahre später, beim Besuch in einer Uniklinik, weil bei mir da im Gesicht neue Nervenwürzelchen nachwuchsen, die alten Krankenunterlagen in die Hand.
Zusammen mit dem Befund der Uniklinik ergab sich folgendes Bild: Die Nerven konnte nicht bei der Op durchtrennt worden sein, wie meine Mutter immer behauptet hatte, denn dann hätte ich niemals lächeln können, was ich immer konnte. Überdies hätten sich bei operativ durchtrennten Nerven nie neue Würzelchen bilden können, selbst nach 30 Jahren nicht.
Das, was also in den ersten Krankenunterlagen drinstand, war richtig: Doppelseitige Faszialispharese, mit Verlust der Sehfähigkeit rechts und Hörfähigkeit desgleichen, entstanden durch die Schwere der Erkrankung.
Bedingt durch das Nichtbehandeln des Kindes bis kurz vor dessen Exitus.
Auf deutsch heisst das: Meine Mutter hat nicht hingeschaut, bis ich dabei war, diese Welt zu verlassen!
So, und was mache ich jetzt damit? Die Mutter hassen? Meiden? Böse, böse wütend sein?
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Ich sag Dir eines, Abendsonne: Meine Mutter ist ein Schwein.
Sie kreist nur um sich selbst. Andere sind ihr sowas von wurscht!
Ich habe ungeheuer lange gebraucht, das zu begreifen, denn jedes Kind will seine Eltern glorifizieren,
etwas Gutes an ihnen finden, um sich selbst auch - wenigstens ein bisschen - über sie definieren zu können.
Dies ist ja die eigene Herkunft, man wünscht sich wenigstes ETWAS Gutes, was man in das eigene Leben mitnehmen kann.
Meine Mutter bot mir hier nichts an Projektionsfläche. Gar nix. Seit zweieinhalb Jahren ist sie selbst krank, wirklich alt ( wird jetzt 86), pflegebedürftig, und ich pflege sie.
Eine zänkische, launische Patientin, der man nix, aber auch gar nix recht machen kann.
Sie ist und bleibt ein auf Äußerlichkeiten fixiertes Schwein!
So ist sie!
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So. Nu. Muss ich sie hassen? Muss ich sie ändern? Die wird sich niemals ändern! Sie kann auch gar nicht mehr begreifen, um was es inhaltlich geht. Sie verspinnt sich in ihre alten Muster aus Schuld und äußerem Verhalten.
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Wie komme ich damit klar?
Und hier beschreibe ich etwas, was ich in diesem ganzen Thread bei fast allen Beiträgen
nicht fand:
Es ist das Gefühl der Trauer.
Mich hat die Mutter fast umgebracht, ohne dabei ihren inneren subjektiven Platz der Sicht auf das Geschehen zu verlieren.
Ich bin durch ihre Schuld behindert, doch nach ihrer Meinung waren es die Ärzte.
Ich kann sie nicht ändern, sie wird mich nie verstehen.
Aber was ich machen kann, und das ist das Einzige: Ich kann trauern.
Das Gefühl des Schmerzes zulassen, so schlecht behandelt worden zu sein.
Weinen. Weinen um die nie vorhandene Mutter. Weinen um ihr falsches Weltbild, was sie auch mir zu vermitteln versuchte. Schrecklich weinen und trauern, um diese fehlgeleiteten Begriffe der Eltern, wie Schuld.
Was soll ich machen? Ich werde nie wieder heil werden, gell?
Trauer ist ein Ausweg daraus. Sie lehrt das Geschehene anzunehmen.
Ja, ich war zornig und mein Zorn mündete über das Entsetzen über meine Mutter in heftigen Tränen. Ich habe soviel weinen müssen.
Aber danach sind die Mutter und der Vater nicht mehr bös, weil sie eh aus ihrer Geschichte nicht anders handeln konnten, es ist einfach nur wirklich traurig.
Dann muss man sich auch nicht mehr fragen, habe ich denen jetzt verziehen, dafür will ich sie aber nicht mehr wiedersehen, weil sie mir dann gleichgültig sind, und mich eh nicht mehr berühren.
Diese Scheiße dir da geschah, Abendsonne, sie ist zum Heulen!
Liebe Abendsonne, das echte Trauern hilft bei der Lösung!
Es ist nicht Hassen und Verurteilen, es ist nicht Vergeben im Sinne von weglöschen und die eigenen Gefühle verraten, es ist das Annehmen dessen was ist.
Ein liebes Bussi Dir!
Geli