Hallo Sternthaler,
ich möchte dir mal von meinem Eindruck schreiben, den ich von dir und deiner Situation habe: Es wirkt auf mich, als würdes du einerseits ziemlich heftig klammern - das ist etwas, was ich zwischen den Zeilen lese, mehr fühle noch als mit dem Verstand interpretiere. Ich meine damit, dass es dir unglaublich wichtig ist, was dieser Mann von dir denkt, ob er es ernst meint, ob er wirklich getrennt ist, was seine Absichten für euer Date sind etc. Es ist dir so wichtig, dass du im Telefonbuch nach ihm suchst und einen thread hier aufmachst, der inzwischen ziemlich lang ist. Du vermittelst mir ein Gefühl des Ertrinkens - als könne dich nur ein Mann retten, vielleicht ja dieser. Und dann ist es eben wichtig zu ermitteln, ob es dieser ist: Meint er es ernst? Ein Mann hat dann nur entweder die Möglichkeit der Richtige zu sein, es in aller Konsequenz ernst zu meinen, d.h. auch "Geduld mit dir zu haben", d.h. sich nicht auf ein Spiel einzulassen, sondern... ja was eigentlich in der Konsequenz? Dich niemals enttäuschen zu dürfen? Oder er ist eben nicht der Richtige, dann ist er der Falsche, und muss sofort abserviert werden.
Dass eine Beziehung zwischen zwei Menschen sich entwickelt, das ist darin nicht angelegt. Es ist nicht möglich, dass sich kennen lernen ein Spiel ist. Dass sich verlieben damit zusammenhängt, sich auf eine Unsicherheit einzulassen, die auch prickelnd ist, Vertrauen zu wagen. Echtes Vertrauen, das darauf basiert, dass die Welt auch dann nicht untergeht, wenn er dich doch enttäuscht. Wenn er sich doch zurückzieht. Es sich vielleicht anders überlegt. Weil ihm das alles zu viel ist. Oder sonst irgendetwas passiert.
Zweitens lese ich aus deinen Zeilen diese unglaubliche Abwehrhaltung. "Ich kenne das schon". Als wüsstest du tief in dir drin, dass er eigentlich ein böses Spiel spielt. Als sei seine Absicht von Anfang an, dir wehzutun. Als habe er immer geplant, dich anbeißen zu lassen und dann wegzuwerfen.
Sternthaler, diesen Eindruck wirst du nicht nur mir vermitteln und nicht nur den anderen Lesern hier im Forum (nicht zufällig lauten die beiden Ratschläge, die du hier bekommst, ja: Mehr Vertrauen - d.h. du bist zu sehr in der Abwehrhaltung - und: Weniger Vertrauen - d.h. du klammerst zu sehr, tu doch nicht alles für ihn). Nein, diesen Eindruck wirst du auch ihm vermitteln. Nun stell dir mal vor: Er hat dich kennengelernt und fand dich nett. Er war fasziniert von dir, von deiner Art, vielleicht von deinem Lächeln. Er sagte dir das, du freutest dich, ihr wolltet euch wieder sehen. Und dann kommen von dir SMS, immer mehr SMS, in denen er sich festlegen soll. Und er fühlt sich immer mehr gefangen von dir. Woher soll er denn wissen, ob er nach einem wunderschönen Date nicht doch mit dir schlafen will? Woher soll er denn wissen, ob er in ein oder zwei Wochen noch das gleiche für dich empfindet wie jetzt? Und woher soll er wissen, was genau du von ihm erwartest, soll er dich begehren oder lieber nicht? Er macht dir Vorschläge, geht auf dein Sicherheitsbedürfnis ein: Du könntest ja in seine Nähe kommen, das wäre doch vielleicht eine Lösung. Gleichzeitig macht sich, unbewusst, die Angst breit, dass du ihn festnageln wirst und er dann nicht mehr raus kann. Er hatte zarte Gefühle für dich, ein Spiel hatte begonnen. Er fühlte sich frei und leicht mit dir. Aber die Leichtigkeit ist verflogen, die Zartheit auch, das Spiel ist vorbei. Es wird immer ernster, immer schwerer, er hat kaum noch Bewegungsraum. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Ja mit allen Konsequenzen (aber welche sind das genau, das weiß er ja noch nicht mal) oder nein mit allen Konsequenzen (ist es für ihn nicht vielleicht leichter, dich aufzugeben, als sich gefangennehmen zu lassen?).
Gleichzeitig hast du ihm eine weitere Nachricht vermittelt: Deine Skepsis. Schon bald hatte er den Eindruck, er muss dir ständig etwas beweisen. Er muss dir beweisen, dass er nicht ist wie die anderen. Daher macht er dir Angebote, will ein Hotelzimmer mieten etwa. Du aber siehst hinter allem nur eine weitere schlimme Absicht. Und wieder gibt es nur zwei Möglichkeiten: Er beweist und beweist und beweist, ordnet sein Verhalten ganz deiner Angst unter enttäsucht zu werden. Oder aber: Er enttäuscht. Er sagt sich los. Auch hier ist das Spielerische verloren gegangen. Auch hier wird es immer schwerer für ihn. Und schließlich zieht er sich zurück - macht noch nicht mal den klaren Schnitt. Denn er rechnet damit, dass du dann erstens am Boden zerstört bist (weil dein Klammern enttäsucht ist), und du zweitens in deinen Befürchtungen bestätigt bist (du hast doch schon immer gesagt, Männer nutzen dich nur aus, auch er ist nun Schuld - er hat es von Anfang nicht ernst gemeint mit dir).
Nein, vielleicht hat er es nicht ernst gemeint. Vielleicht war das mit dir für ihn das Gegenteil von ernst: Vielleicht hat er es ganz leicht und frei und zärtlich gemeint. Vielleicht hat er es sich dann aber anders überlegt, mit der Zeit. Vielleicht wegen des Gefühls, das du ihm vermittelt hast. Oder vielleicht aus einem ganz anderen Grund - den ich nicht kenne und du wahrscheinlich auch nicht.
Bei dem Typen hatte ich eben das Gefühl, da ist einer mal für mich da....
Sternthaler - das ist es genau, richtig? Endlich ist da mal einer, der soll ausgleichen, dass du sonst immer deinen Weg alleine gehen musstest. Der soll endlich dein Fels in der Brandung sein. Glaubst du, das kann er? Glaubst du, das möchte er?
Sternthaler, ich will dich nicht anklagen. Ich möchte dir nur so deutlich wie möglich machen, dass deine Ängste ausstrahlen. Und dass genau diese Ängste es sind, die dich immer wieder in diese Situation treiben. Ich möchte dir empfehlen: Sieh nach innen und suche die Ursache dieser Ängste. Suche die Ursache dieses Verhaltensmusters, das dich klammern lässt einerseits und abwehren andererseits. Dass dich verletzlich macht, aber dennoch unnahbar. Bestimmt bist du einmal sehr verletzt worden, vielleicht verlassen und verletzt. Vermutlich schon lange bevor du zum ersten Mal einen Mann als Partner kennengelernt hast - vermutlich schon in deiner Kindheit. Oder vielleicht handelt es sich um ein Muster, das in deiner Familie weitergegeben wird, von Generation zu Generation. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, das herauszufinden. Gerade auch mit professioneller Hilfe.
Alles Gute.
Raeubertochter