Mahabharata

Mahabharata 1. Buch
Sambhava Parva des Adi Parva 128 - 2

Die Pandavas und Kurus wachsen heran

Nachdem die Söhne von König Pandu alle vedischen Reinigungsriten durchlaufen hatten, wuchsen sie im Palast ihres Vaters mit allem prinzlichen Luxus heran. Mit großer Freude spielten sie mit den Söhnen von Dhritarashtra, doch waren sie allseits überlegen. Besonders Bhima übertraf mit seiner Stärke jeden der Hundert, ob nun an Schnelligkeit, oder beim Treffen von Zielen, beim Essen oder Staubaufwirbeln. Der Sohn des Windgottes zog sie an den Haaren, ließ sie gegeneinander kämpfen und lachte die ganze Zeit. Sie konnten ihn alle zusammen nicht besiegen, als wären die Hundert nur ein Einzelner.

Dieser zweite Sohn des Pandu, Bhima, hielt sie an den Haaren fest, warf sie zu Boden und drückte ihre Gesichter in den Staub. Manchem schürfte er das Knie ab, manchem brach er ein Bein, verletzte ihn im Gesicht oder verrenkte ihm die Schulter. Der Junge konnte zehn von ihnen festhalten und unter Wasser drücken. Dann ließ er sie erst los, wenn sie fast tot waren. Wenn die Söhne Dhritarashtras auf Bäume kletterten, um Früchte zu pflücken, dann schüttelte Bhima die Bäume und trat mit dem Fuß gegen die Stämme, bis die Pflücker zusammen mit den Früchten herunterfielen. Weder in Schnelligkeit noch in Stärke konnte es einer mit Bhima aufnehmen, wenn sie streitlustig ihre Kräfte maßen. In kindischer Zurschaustellung seiner Stärke quälte Bhima sie sehr.

Nach einiger Zeit dieser Demonstration von Bhimas überlegener Kraft begann Duryodhana, der älteste Sohn Dhritarashtras, Feindschaft gegen den starken Bhima zu hegen. In Unwissenheit und voller Ehrgeiz plante der hinterhältige und ungerechte Duryodhana einen Akt der Sünde. Er dachte: „Es gibt keinen anderen, der sich mit Bhima, dem zweiten Pandava, in heldenhafter Stärke vergleichen kann. Ich muß ihn mit einem Trick vernichten, denn Bhima wagt ganz allein den Kampf mit uns Hundert. Daher werde ich ihn in die reißende Ganga werfen, wenn er im Garten schläft. Danach sperre ich seinen ältesten Bruder Yudhishthira und den jüngeren Arjuna ein, und werde als alleiniger König ohne weitere Belästigungen herrschen.“ Einmal beschlossen, beobachtete Duryodhana von da an Bhima ganz genau, um seine Schwächen herauszufinden.
 
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Sambhava Parva des Adi Parva 128 - 3

Duryodhana vergiftet Bhima und wirft ihn in die Ganga

Schließlich ließ Duryodhana an einem bezaubernden Ort namens Pramankoti am Ufer der Ganga einen Palast bauen mit allem Luxus, damit sich seine Besucher bequem im Wasser vergnügen konnten. Es gab alles, was das Herz begehrte an köstlicher Nahrung und Kurzweil. Und fröhliche Flaggen wehten vom Dach des Hauses, welches man Udaka-krirana (Haus der Wasserspiele) nannte. Hervorragende Köche bereiteten alle Arten von Speisen zu, und als alles bereit war, wurde Duryodhana darüber informiert. Dieser Übelgesinnte lud daraufhin die Pandavas ein: „Laßt uns alle an die grünen und blumenübersäten Ufer der Ganga gehen und uns im Wasser vergnügen.“

Yudhishthir stimmte zu und auf riesigen Elefanten und städtegleichen Wagen verließen die Söhne Pandus und Dhritarashtras die Stadt. Am Ziel angekommen entließen die Prinzen ihre Diener, genossen die Schönheit des Gartens und betraten den Palast, wie Löwen ihre Höhle betreten. Sie beschauten die schöne Täfelung der Wände und Decken durch die Architekten und die wunderbaren Farben, mit denen die Maler alles verziert hatten. Die Fenster sahen sehr filigran aus, und die künstlichen Springbrunnen waren prächtig. Hier und dort gab es Wasserstellen mit klarem Wasser, in denen ganze Wälder von Lotusblumen wuchsen.

An ihren Rändern blühten viele Blumen, deren Duft die Luft erfüllte. Die Kauravas und Pandavas setzten sich nieder und erfreuten sich an allen, für sie vorbereiteten Dingen. Sie vergnügten sich prächtig und tauschten Happen von allen köstlichen Speisen miteinander aus. Doch der übelgesinnte Duryodhana hatte Kalkuta, ein kräftiges Gift, vorbereitet und mit einiger Nahrung vermischt, um Bhima zu vergiften. Dieser hinterhältige Jüngling mit dem Nektar auf der Zunge und dem Gift in seinem Herzen, erhob sich und fütterte Bhima freundlich mit großen Mengen des vergifteten Essens, während er mit frohem Herzen sich im Innern schon am Ziel seiner Wünsche wähnte.

Danach vergnügten sich alle ausgelassen im Wasser. Als alle Spiele beendet waren, hüllten sie sich in weiße Kleider und schmückten sich mit Ornamenten. Am Abend waren die Helden müde von Sport und Spiel und legten sich im Gartenhaus zur Ruhe. Selbst der starke Bhima war sehr erschöpft, weil er mit allen anderen Jünglingen im Wasser gespielt hatte und nun das Gift seine Wirkung tat. Sobald er sich hingelegt hatte, verteilte die kühle Luft das Gift in seinem ganzen Körper, und er wurde bewußtlos. Darauf hatte Duryodhana nur gewartet.

Er fesselte ihn mit Stricken aus gedrehten Ruten und warf ihn in den Fluß. Und der bewußtlose Sohn des Pandu sank hinab bis ins Reich der Nagas. Die aufgestörten Nagas bissen ihn zu tausenden mit ihren Giftzähnen überall in seinen Körper, außer in die Brust, denn die Haut dort war so hart, daß ihre Zähne nicht durchdrangen. Doch das Pflanzengift in seinem Körper mischte sich mit dem Gift der Schlangen und wurde von ihm neutralisiert. Der Sohn der Kunti kam wieder zu Bewußtsein, zersprengte seine Fesseln und begann, die Nagas auf dem Boden zu zerquetschen. Wer ihm entkam floh zum König Vasuki und sprach: „Oh König der Schlangen, ein mit Ruten gefesselter Mann versank im Wasser. Bestimmt hat er Gift getrunken, denn als er auf uns fiel, war er ohnmächtig. Doch als wir ihn bissen, kamen ihm die Sinne zurück. Er zersprengte seine Fesseln und fiel über uns her. Möge es eurer Majestät zusagen, sich zu erkundigen, wer er ist.“

Den Bitten seiner Untertanen folgend begab sich Vasuki zu Bhima und wurde dabei von einer Schlange namens Aryaka begleitet, dem Großvater von Kuntis Vater. Dieser erblickte seinen Verwandten Bhima und umarmte ihn. Dann wurde Vasuki alles erklärt, und der Schlangenkönig freute sich sehr über Bhima. Zufrieden sprach Vasuki zu Aryaka: „Wie können wir Bhima erfreuen? Gebt ihm reichlich Geld und Juwelen.“ Doch Aryaka sprach: „Oh König der Schlangen, wenn eure Majestät ihm gewogen sind, dann benötigt er keinen Reichtum.

Erlaubt ihm von eurem Rasa (Nektar) zu trinken, um unermeßliche Kraft zu erlangen. Es ist die Stärke von tausend Elefanten in jedem dieser Gefäße. Laßt den Prinzen trinken, soviel er vermag.“ Der König der Schlangen stimmte zu, und die Schlangen begannen mit den nötigen Riten. Bhima reinigte sich sorgfältig, wandte sein Gesicht gen Osten und begann, den Nektar zu trinken. Mit einem Zug leerte er ein volles Gefäß. Und auf diese Weise trank er nacheinander acht Krüge, bis er gesättigt war. Dann bereiteten die Schlangen ein vorzügliches Lager für ihn, auf dem er sich entspannt ausruhen konnte.
 
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Sambhava Parva des Adi Parva
129

Bhima kehrt aus dem Reich der Nagas zurück

In der Zwischenzeit waren die Kauravas und die Pandavas erwacht und kehrten ohne Bhima nach Hastinapura zurück. Einige ritten auf Pferden, andere auf Elefanten und manche bevorzugten Fahrzeuge. Auf ihrem Weg sprachen sie untereinander: „Vielleicht ist Bhima schon voraus gegangen.“ Nur der hinterhältige Duryodhana freute sich über das Fehlen Bhimas und betrat frohen Herzens die Stadt mit seinen Brüdern. Der tugendhafte Yudhishthir, selbst unvertraut mit Laster und Gemeinheit, betrachtete andere immer als so aufrecht wie sich selbst. In brüderlicher Liebe ging der älteste Sohn Kuntis zu seiner Mutter, grüßte gehorsam und fragte sie: „Oh Mutter, ist Bhima heimgekommen? Liebe Mutter, ich kann ihn hier nicht sehen. Wohin kann er nur gegangen sein? Wir suchten ihn lange im Garten und den schönen Wäldern, doch fanden ihn nirgends. Schließlich dachten wir, daß der heldenhafte Bhima uns vorausgeeilt wäre. Oh ruhmreiche Dame, wir sind in großer Besorgnis. Kam er her und wohin ging er? Hast du ihn irgendwohin geschickt? Oh sage mir, denn ich sorge mich um den mächtigen Bhima. Er war mit uns eingeschlafen, und dann war er weg. Ich fürchte, er ist nicht mehr.“

Kunti schrie gellend auf und sprach: „Lieber Sohn, ich habe ihn nicht gesehen. Er kam nicht zu mir. Oh kehre eilends um und such ihn mit deinen Brüdern!“ Nach diesen Worten rief sie besorgt Vidura herbei und sprach zu ihm: „Oh ruhmreicher Khatta, Bhimasena wird vermißt. Wo ist er? Die anderen Brüder sind alle aus dem Garten zurück, nur Bhima mit den mächtigen Armen kam nicht nach Hause. Duryodhana mag ihn nicht. Dieser Kaurava ist verschlagen, arglistig, gemein und unbesonnen. Ganz offen begehrt er den Thron. Ich fürchte, daß er in einem Anfall von Wut meinen Liebling getötet hat. Ich leide zutiefst und mein Herz brennt.“

Vidura sprach: „Gesegnete Dame, sprich nicht so. Beschütze deine anderen Söhne sorgsam. Wenn der hinterhältige Duryodhana beschuldigt wird, dann versucht er vielleicht, auch deine verbliebenen Söhne zu töten. Doch der große Muni hat gesagt, daß deinen Söhnen ein langes Leben gegeben ist. Sicher wird Bhima bald heimkehren und dein Herz beschwichtigen.“ Danach kehrte der weise Vidura in sein Heim zurück, und Kunti verließ voller Furcht mit ihren Söhnen nicht das Haus.

Am achten Tag erwachte Bhima von seinem Schlummer und fühlte sich grenzenlos stark, denn er hatte mittlerweile allen Nektar verdaut. Die Nagas beschwichtigten und erfreuten ihn: „Oh du mit den mächtigen Armen, der kraftverleihende Nektar, den du getrunken hast, gibt dir die Stärke von zehntausend Elefanten. Niemand wird in der Lage sein, dich im Kampf zu besiegen. Oh du Bulle des Kuru Geschlechts, bade in diesem heiligen und glücksverheißenden Wasser und kehre nach Hause zurück. Deine Brüder sind untröstlich wegen deines Ausbleibens.“

Da reinigte sich Bhima im Bade, schmückte sich mit weißen Kleidern und Blumengirlanden und aß vom Paramanna (süßer Reispudding), den die Nagas ihm anboten. Dann erhob sich der Feindebezwinger, von den Schlangen geehrt und gesegnet und mit himmlischen Ornamenten beschenkt, grüßte sie ebenfalls und verließ die niederen Bereiche. Die Nagas trugen den lotusäugigen Pandava hinauf in den selben Garten, in dem sich alle zuvor vergnügt hatten, und lösten sich vor seinen Augen in Luft auf. Nachdem Bhima wieder Boden unter seinen Füßen spürte, rannte er heim zu seiner Mutter. Er verbeugte sich vor ihr und seinem älteren Bruder, roch an den Köpfen seiner jüngeren Brüder und wurde nun selbst von seiner Mutter und den Brüdern umarmt.

Liebevoll und erleichtert riefen alle aus: „Welche Freude ist uns heute geschenkt, welche Freude!“ Dann erzählte der kraftvolle Bhima alles über die scheußliche Tat Duryodhanas und die glücklichen und unglücklichen Dinge, die ihm in der Welt der Nagas passiert waren. Anschließend sprach der weise Yudhishthira: „Bruder, bewahre Stillschweigen über diesen Vorfall. Sprich zu niemanden darüber. Von heute an beschützen wir uns gegenseitig mit aller Vorsicht.“ Von diesem Tage an waren die fünf Brüder sehr wachsam. Und damit die Söhne Kuntis nicht nachlässig würden, versorgte sie Vidura beständig mit weisen Ratschlägen.

Einige Zeit später mischte Duryodhana noch einmal das für Bhima bestimmte Essen mit frischem, schnellwirkendem und tödlichem Gift. Doch Yuyutsu, der Sohn Dhritarashtras mit der Shudra Frau, warnte die Pandavas, denn er war ihnen freundlich gesinnt. Und Bhima schluckte das Gift ohne zu zögern und verdaute es völlig. Obwohl das Gift schnellwirksam und tödlich war, konnte es Bhima nichts anhaben. Als das gräßliche Gift auf Bhima keine Wirkung zeigte, gaben Duryodhana und seine Mitverschwörer ihre gemeinen Absichten immer noch nicht auf. Noch einige Male versuchten sie, mit verschiedenen Listen die Pandavas zu töten. Und immer wußten die Pandavas im voraus davon, doch dem Rat Viduras folgend, unterdrückten sie ihre Entrüstung.

Nach einiger Zeit erkannte König Dhritarashtra, daß die Kuru Prinzen ihre Zeit mit Müßiggang verbrachten und ungezogen wurden. Daraufhin bestimmte er Kripa zu ihrem Lehrer und schickte die Prinzen zu ihm, um Belehrungen zu empfangen. Kripa, der in einem Ballen Heidekraut Geborene, war wohl gelehrt in den Veden, und von ihm lernten die Kuru Prinzen auch das Waffenhandwerk.
 
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Sambhava Parva des Adi Parva 130

Die Geburt von Kripa und Kripi

Janamejaya sprach:
Oh Brahmane, du mußt mir von Kripas Geburt erzählen. Wie kam es, daß er einem Haufen Heidekraut entsprang? Und von wem bekam er seine Waffen?

Vaisampayana antwortete:
Oh König, der große Weise Gautama hatte einen Sohn namens Saradwan. Dieser Saradwan wurde mit Pfeilen (in seiner Hand) geboren. Oh du Feindebezwinger, der Sohn von Gotama zeigte eine herausragende Begabung beim Studium der Dhanurveda (Waffenkunst), doch für keine andere Veda. Saradwan erlangte alle Waffen durch jene Enthaltsamkeit, wie sie Brahmanen beim Studium der Veden üben. Und Indra (Jehova) bangte wegen seines Talents mit Waffen und seiner strengen Buße. Da rief der Herr der Götter eine himmlische Dame namens Janapadi zu sich und schickte sie zu Saradwan mit den Worten: „Tu dein Bestes, die Enthaltsamkeit von Saradwan zu stören.“

Die Dame begab sich zur zauberhaften Einsiedelei des Sohnes von Gotama und begann, den mit Bogen und Pfeilen bewaffneten Asketen zu verführen. Als Saradwan die Apsara mit ihrer unvergleichlich schönen Figur, ganz allein im Wald und nur mit einem einzelnen Tuch bekleidet sah, da riß er seine Augen weit auf vor Entzücken. Bogen und Pfeile entglitten seinen Händen, und sein Körper bebte vor Erregung. Doch mit innerer, asketischer Kraft und starker Seele versehen, sammelte der Weise genügend Geduld, um sich gegen die Versuchung zu behaupten. Doch die plötzliche, geistige Erregung hatte einen unbeabsichtigten Samenerguß zur Folge. Saradwan ließ Pfeile, Bogen und Hirschfell liegen, und floh vor der Apsara davon. Sein Samen jedoch fiel auf einen Ballen Heidekraut und, in zwei Teile geteilt, wurden Zwillinge daraus geboren.

Es geschah, daß ein Soldat, welcher König Shantanu auf der Jagd begleitete, die Zwillinge entdeckte. Er sah auch Pfeil, Bogen und Hirschfelle auf dem Boden und dachte, daß dies die Kinder eines Brahmanen waren, welcher der Waffenkunst mächtig war. Er nahm die Kinder nebst Bogen und Pfeil an sich, und zeigte alles dem König. Als der König die Kinder erblickte, regte sich Mitgefühl in ihm und er sprach: „Laßt sie meine Kinder sein.“, und brachte sie in den Palast. Im Palast führte Shantanu an ihnen alle üblichen Riten durch und nannte sie Kripa und Kripi, denn er hatte sie aus Mitgefühl (Kripa)angenommen.

Der Sohn von Gotama hatte mittlerweile seine frühere Einsiedelei verlassen und führte sein Studium der Waffen ernsthaft fort. Durch innere Schau erfuhr er, daß sein Sohn und seine Tochter im Palast von Shantanu waren. Da begab er sich zum Monarchen und erklärte ihre Herkunft. Dann lehrte er Kripa die vier Zweige der Waffenkunst, und noch viel mehr über die Geheimnisse und schwerverständlichen Details anderer Wissenszweige. In kurzer Zeit wurde Kripa zum überragenden Meister aller Waffen. Und die hunderte Söhne von Dhritarashtra, die Pandavas, die Yadavas, die Vrishnis und viele andere Prinzen aus allen Ländern empfingen von ihm Belehrungen in dieser Kunst.
 
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Sambhava Parva des Adi Parva 131

Dronas Geburt und seine Waffen

Vaisampayana sprach:
Um seinen Enkelsöhnen eine hervorragende Ausbildung zu gewährleisten, suchte Bhishma nach einem weiteren Lehrer, welcher über große Energie verfügte und sicher in der Waffenkunst war. Er entschied, daß niemand der Lehrer der Prinzen sein sollte, der nicht große Weisheit besaß, kein vollkommener Meister aller Waffenkünste war und nicht über gottgleiche Macht verfügte. So ernannte der Sohn der Ganga den klugen, in den Veden gelehrten Drona, Sohn von Bharadvaj, als Lehrmeister über die Pandavas und Kauravas. Von dem Empfang begeistert, den ihm der große Bhishma bereitete, akzeptierte der ruhmreiche Drona die Prinzen als seine Schüler. Drona lehrte sie die Künste der Waffen in all ihren Zweigen. Und sowohl die starken Pandavas als auch die mächtigen Kauravas wurden schon nach kurzer Zeit sehr tüchtig im Gebrauch aller Arten von Waffen.

Janamejaya fragte:
Oh Brahmane, wie wurde Drona geboren? Wie und von wem erhielt er seine Waffen? Warum kam er zu den Kurus? Wessen Sohn war dieser mächtige Mann? Und wie wurde sein Sohn Aswatthaman geboren, dieser Beste von allen trefflichen Kriegern? Ich möchte all das erfahren. Bitte, erzähl es mir in allen Einzelheiten.

Und Vaisampayana sprach:
An der Quelle der Ganga lebte einst ein großer Weiser namens Bharadvaja, der unablässig die härtesten Gelübde befolgte. Eines Tages ging der Rishi mit einigen anderen zur Ganga, um erst seine Reinigungen und dann das Agnihotra Opfer durchzuführen. Am Fluß angekommen erblickte der Rishi die junge und schöne Apsara Ghritachi, die kurz vor ihm dort angekommen war. Mit einem Ausdruck von Stolz in ihrem Gesicht, gepaart mit sinnlicher Lässigkeit, erhob sich die Dame aus dem Strom, nachdem ihr Bad beendet war. Geschmeidig trat sie an das Ufer, und ihre Kleider waren lose und durcheinander.

Als der Weise sie aufmerksam betrachtete, wurde er von brennendem Verlangen gepackt. Schon im nächsten Moment verließ ihn sein Samen, denn das Gefühl war überwältigend. Der Rishi fing die Flüssigkeit sofort in einem Topf (Drona) auf. Und dort, oh König, wurde Drona geboren, als Sohn des weisen Bharadvaja. Das Kind studierte alle Veden und Vedangas. Zuvor hatte Bharadvaja, der mächtige und Beste unter denen, welche die Waffenkünste beherrschen, dem ruhmreichen Rishi Agnivesha das Wissen um die Agneya Waffe übertragen. Und Agnivesha, der Feuergeborene, übertrug die große Waffe Drona, dem Sohn seines Lehrers.

Es lebte einst ein König namens Prishata, der ein großer Freund von Bharadvaja war. Ungefähr zur selben Zeit wurde dem Prishata ein Sohn mit Namen Drupada geboren. Und Drupada, dieser Bulle unter den Kshatriyas kam jeden Tag in die Einsiedelei des Bharadvaja und spielte und studierte mit Drona. Als Prishata starb, wurde Drupada mit den mächtigen Armen König der nördlichen Panchalas. Und auch der ruhmreiche Bharadvaja stieg ungefähr zu dieser Zeit in den Himmel auf. Drona lebte weiter in der Einsiedelei seines Vaters und führte seine asketische Buße fort.

Wohl bewandert in den Veden und Vedangas und alle Sünden durch Askese verbrannt, heiratete der gefeierte Drona Kripi, die Tochter von Saradwan, um den Instruktionen seines Vaters zu folgen und Kinder zu zeugen. Kripi war allseits in tugendhafte Taten, das Agnihotra und schwerste Enthaltsamkeit vertieft und bekam einen Sohn namens Aswatthaman. Sobald Aswatthaman das Licht der Welt erblickte, wieherte er wie das himmlische Roß Uchaisrava. Ein unsichtbares Wesen im Himmel hörte seinen Schrei und sprach: „Die Stimme dieses Kindes ist weithin vernehmbar wie das Wiehern eines Pferdes. Daher soll das Kind den Namen Aswatthaman (Pferdestimme) tragen.“ Drona freute sich sehr über das Kind, und wohnte weiter in der Einsiedelei, seinem Studium der Waffen zugetan.

Später erfuhr Drona, daß der ruhmreiche Sohn des Jamadagni, dieser Vernichter aller Feinde und der allerbeste Krieger, all seinen Reichtum an die Brahmanen verteilen wollte. Er hatte vom Wissen über die Waffenkunst von jenem Rama mit der Axt gehört und von seinen himmlischen Waffen. So setzte Drona sein Herz auf diese Waffenkünste und auch auf sein Wissen um Moral. Von seinen tugendhaften und Gelübde einhaltenden Schülern begleitet begab sich der mächtige und wahrhafte Drona zum Berg Mahendra. Dort angekommen erkannte der askesereiche Drona im Sohn des Bhrigu große Geduld und einen völlig beherrschten Geist.

Mit seinen Schülern trat er vor ihn hin und erklärte ihm seinen Namen und seine Abstammung in der Linie des Angiras. Er berührte mit seinem Haupt den Boden und ehrte Ramas Füße. Drona bemerkte, daß der ruhmreiche Sohn des Jamadagni beabsichtigte, sich in die Wälder zurückzuziehen, nachdem er allen seinen Reichtum weggeben hatte, und sprach zu ihm: „Wisse, daß mich Bharadvaja zeugte, doch nicht im Körper einer Frau. Ich bin ein Brahmane von hoher Geburt, Drona mit Namen, und komme zu dir, um dein Vermögen zu gewinnen.“ Der ruhmreiche Vernichter der Kshatriya Rasse antwortete ihm: „Sei willkommen, bester Brahmane. Sag mir, was du begehrst.“

Drona dazu: „Oh du mit den mannigfaltigen Gelübden, ich bin ein Bewerber um deinen ewigen Reichtum.“ Rama erwiderte: „Mein Gold und alles Vermögen gab ich bereits den Brahmanen. Und diese Erde bis an den Meeresrand, mit allen Städten und Dörfern, die wie Blumengirlanden auf ihr liegen, gab ich dem Kasyapa. Es sind nur noch mein Körper und all die wertvollen Waffen übriggeblieben. Ich gebe entweder meinen Körper oder meine Waffen weg. Sag, was du haben möchtest. Ich werde es dir geben. Sag schnell.“

Drona antwortete: „Oh Sohn des Bhrigu, bitte gib mir alle deine Waffen nebst den Geheimnissen, sie abzuschießen und zurückzurufen.“ Parasurama sprach: „So sei es.“, und übertrug dem Drona alle seine Waffen mit sämtlichen Geheimnissen und Regeln der Waffenkunst. Drona, dieser Beste der Brahmanen, nahm sie alle an, betrachtete sich als reichlich belohnt, und begab sich mit freudigem Herzen in die Stadt seines Freundes Drupada.
 
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Sambhava Parva des Adi Parva 132

Drupada kündigt Drona die Freundschaft

Vaisampayana erzählte weiter:
Es trat also der mächtige Sohn von Bharadvaja vor Drupada und sprach zum Monarchen: „Wisse, ich bin dein Freund.“ Der Gruß des Freundes war herzlich gemeint, doch der Herr von Panchala konnte Dronas Worte nicht ertragen. Mit dem Stolz der Wohlhabenden vergiftet, runzelte er zornig seine Stirn und sprach mit geröteten Augen zu Drona: „Oh Brahmane, deine Klugheit ist ganz und gar nicht hoch einzustufen, wenn du aus heiterem Himmel dich als meinen Freund bezeichnest. Du bist wohl schwer von Begriff, denn große Könige können niemals die Freunde von solch erfolglosen und mittellosen Wichten sein, wie du einer bist.

Es ist wahr, einst war Freundschaft zwischen uns, als wir unter denselben Umständen lebten. Doch die Zeit verändert alles in ihrem Lauf, auch Freundschaft. In dieser Welt währt Freundschaft niemals für immer in den Herzen. Die Zeit nützt sie ab, und Ärger zerstört sie ganz. Also hafte nicht an dieser erkalteten Freundschaft, und denke nicht länger an sie. Die Freundschaft, die ich einst zu dir hegte, folgte einem speziellen Zweck. Doch zwischen einem reichen und einem armen Mann, zwischen einem der Lesen kann und einem, der es nicht kann oder zwischen einem Helden und einem Feigling kann nie Freundschaft existieren.

Warum bestehst du dann auf der Fortdauer unserer früheren Freundschaft? Es mag Freundschaft oder auch Feindschaft zwischen gleich reichen oder gleich mächtigen Männern geben. Doch Mittellose und Wohlhabende können niemals Freunde sein oder sich miteinander messen. Einer von unreiner Geburt kann nie der Freund eines Mannes von reiner Geburt sein. Ein Wagenkrieger kann sich nicht mit einem befreunden, der kein Wagenkrieger ist. Und einer, der kein König ist, hält einen König nicht für seinen Freund. Warum bestehst du also auf unserer früheren Freundschaft?“

Vaisampayana fuhr fort:
Nach diesen Worten Drupadas wurde Drona, der mächtige Sohn Bharadvajas, sehr zornig. Er dachte eine Weile nach und beschloß dann, was zu tun sei. Er wollte der Unverschämtheit des Panchala Königs wirksam Einhalt gebieten. Unverzüglich verließ er die Hauptstadt von Panchala und ging nach Hastinapura, der Hauptstadt der Kurus.
 
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Sambhava Parva des Adi Parva 133

Drona gibt sich den Kurus zu erkennen

Vaisampayana erzählte:
In der Stadt, die nach dem Elefanten benannt ist, angekommen, lebte dieser beste Brahmane, Drona, unerkannt im Haus von Kripa. Sein mächtiger Sohn Aswatthaman gab in den Pausen von Kripas Unterricht den Söhnen der Kunti extra Stunden im Gebrauch der Waffen. Doch niemand ahnte etwas von der wirklichen Macht Aswatthamans. Eines Tages, Drona lebte schon eine Weile unerkannt in Kripas Haus, da verließen die heldenhaften Prinzen alle zusammen die Stadt. Sie spielten mit einem Ball und rannten herum mit frohen Herzen. Und es geschah, daß der Ball in einen Brunnen fiel.

Da versuchten die Prinzen ihr Bestes, um den Ball aus dem Brunnen zu fischen. Doch alle Anstrengungen waren vergebens, und schüchtern und sorgenvoll sahen sie sich gegenseitig an, denn keiner wußte, wie sie den Ball herausbekommen konnten. Ganz in der Nähe erblickten sie einen Brahmanen von dunkler Hautfarbe, alt und mager. Er hatte gerade seine täglichen Anbetungen beendet und war durch das Agnihotra geheiligt. Die verzweifelten Prinzen umringten ihn sogleich. Drona, denn kein anderer war dieser Brahmane, hatte bemerkt, daß die Prinzen keinen Erfolg mit dem Ball hatten.

Sich seiner eigenen Fähigkeiten bewußt, lächelte er ein wenig und sprach zu ihnen: „Schande über eure Kshatriya Macht, und Schande über eure Waffenkunst. Ihr seid im Geschlecht des Bharata geboren! Wie kann es sein, daß ihr den Ball nicht vom Grunde des Brunnens bekommt? Wenn ihr mir ein Mittagessen versprecht, werde ich mit diesen Grashalmen nicht nur euren verlorenen Ball retten, sondern auch den Ring, den ich noch dazu werfe.“ Nach diesen Worten streifte Drona seinen Ring ab und warf ihn in den ausgetrockneten Brunnen. Da sprach Yudhishthira, Sohn der Kunti: „Oh Brahmane, erhalte von uns mit Kripas Erlaubnis etwas, was dir dein Leben lang bleibt (und nicht nur eine solche Kleinigkeit).“

Mit einem Lächeln erwiderte Drona den Bharata Prinzen: „Dieser Handvoll langer Grashalme verleihe ich mit meinen Mantras die Eigenschaften von Waffen. Schaut, diese Halme haben vorzügliche Eigenschaften, die andere Waffen nicht haben. Mit einem der Halme treffe ich den Ball, mit dem nächsten durchbohre ich den ersten Halm und so weiter. Und mit dieser Kette hole ich den Ball heraus.“

Vaisampayana fuhr fort:
Gesagt, getan. Die Prinzen staunten sehr, und ihre Augen waren weit vor Entzücken, als Drona diese außerordentliche Tat vollbrachte. Sie baten: „Oh gelehrter Brahmane, bring auch gleich noch den Ring herauf.“ Da ergriff der ruhmreiche Drona Bogen und Pfeil, durchbohrte den Ring und holte ihn auf einmal herauf. Gleichmütig reichte er den Ring den staunenden Prinzen. Und jene sprachen: „Wir verbeugen uns vor dir, oh Brahmane. Niemand sonst hat solche Fähigkeiten. Wir möchten erfahren, wer du bist und wessen Sohn. Und was können wir für dich tun?“

Da antwortete Drona: „Geht zu Bhishma und beschreibt ihm mein Aussehen und mein Geschick. Der Mächtige wird mich erkennen.“ Die Prinzen sagten: „So sei es.“, und eilten zu Bhishma. Sie erzählten ihm alles, was geschehen und gesprochen worden war. Bhishma verstand sofort, daß dieser Brahmane kein anderer als Drona sein konnte. Er überlegte, daß Drona den allerbesten Lehrer für die Prinzen abgeben würde, und begab sich persönlich zu ihm. Er hieß Drona respektvoll willkommen und geleitete ihn in den Palast. Gewandt befragte Bhishma, dieser Beste von allen Waffengeübten, den Drona über den Grund seiner Reise nach Hastinapura. Und Drona erzählte ihm alles, was geschehen war.

Drona sprach:
Oh Herr, vor einiger Zeit ging ich zum Rishi Agnivesha, um von ihm die Waffenkunst zu erlernen und Waffen zu erhalten. Ich war dem Dienst an meinem Lehrer völlig hingegeben und lebte viele Jahre in demütiger Weise als Brahmachari mit verfilzten Locken auf meinem Haupt. Zu dieser Zeit lebte der Prinz von Panchala, der mächtige Drupada, von denselben Wünschen angetrieben auch dort. Er wurde mein Freund, suchte immer mein Wohl, und auch ich mochte ihn sehr. So lebten wir dort viele Jahre zusammen. Wahrlich, du Nachfahre des Kuru, von frühester Jugend an studierten wir gemeinsam.

Er war der Freund meiner Knabenzeit. Immer sprach und tat er angenehme Dinge für mich. Um mich aufzuheitern, erzählte er immer: „Oh Drona, ich bin der Lieblingssohn meines ruhmreichen Vaters. Wenn der König mich zum Monarchen der Panchalas nennt, soll das Königreich dein sein, mein Freund! Dies ist mein aufrechtes Versprechen. Mein Reich, mein Vermögen und mein Glück werden von dir abhängen!“ Nun, es kam die Zeit des Abschieds. Er hatte seine Studien beendet und kehrte in sein Land zurück. Ich wünschte ihm alles Gute und erinnere mich noch heute an seine Worte.

Einige Zeit später folgte ich den Anweisungen meines Vaters und, geleitet vom Wunsch nach Kindern, heiratete ich Kripi mit den kurzen Haaren, die mit großer Klugheit gesegnet ist, allzeit strenge Gelübde befolgt und immer in das Agnihotra, viele andere Opfer und harte Enthaltsamkeit versenkt ist. Zur rechten Zeit gebar sie einen Sohn namens Aswatthaman von großer Tapferkeit und sonnengleichem Glanz. Ja, ich freute mich sehr über diesen Sohn, genau wie mein Vater, als er mich bekam.

Eines Tages geschah es, daß der kleine Aswatthaman beobachtete, wie der Sohn eines reichen Mannes Milch trank, und zu weinen begann. Ich war darüber so außer mir, daß ich alle Orientierung verlor. Anstatt jemanden zu bitten, der nur wenige Kühe hatte, damit jener genügend für sich und seine Opfer behält, wollte ich unbedingt eine Kuh von jemandem bekommen, der viele Kühe besaß. Ich wanderte von Land zu Land, doch ohne Erfolg. Ich bekam keine Milchkuh. Als ich mit leeren Händen zurückkam, hatte einer seiner Spielgefährten meinem Sohn Wasser mit gemahlenem Reis vermischt (Pistaudaka) gegeben.

Der arme Junge trank, und unerfahren wie er war, glaubte er, Milch zu trinken. Der getäuschte Junge tanzte freudig und rief: „Oh, ich habe Milch getrunken! Ich habe Milch getrunken!“ Als ich sah, wie er tanzte und seine Spielgefährten über seine Einfältigkeit lächelten, war ich zutiefst berührt. Auch drangen höhnische Reden an mein Ohr: „Schande über den mittellosen Drona, der sich nicht um Wohlstand kümmert! Sein Sohn trinkt Wasser vermischt mit Reispulver, und tanzt und freut sich, daß er Milch getrunken hat, weil er es nicht besser kennt.“

Ich war außer mir, oh Sohn der Ganga. Mir Vorwürfe machend beschloß ich dennoch, daß ich für Reichtum niemals irgend jemandes Diener sein würde, denn dies ist hassenswert, auch wenn mich dafür die Brahmanen tadeln und ablehnen würden. Mit diesem Entschluß, oh Bhishma, begab ich mich zu meinem früheren Freund und nahm meine Gattin und mein liebes Kind mit mir. Als ich hörte, daß Drupada als Herrscher über das Land eingesetzt worden war, betrachtete ich mich als unvergleichlich gesegnet. Freudig ging ich zu meinem lieben Freund, der auf dem Thron saß, erinnerte mich unserer früheren Freundschaft und an seine Worte.

Nun, du Ruhmreicher, ich trat vor Drupada und begrüßte ihn mit: „Du Tiger unter den Männern, erkenne mich als deinen Freund.“ Voller Vertrauen sprach ich zu ihm, wie es einem Freund geziemt. Doch Drupada lachte spöttisch und wehrte mich wie einen vulgären Mann ab. Er sprach zu mir: „Deine Klugheit scheint nicht sehr groß zu sein, weil du plötzlich zu mir trittst und mich als Freund bezeichnest. Die Zeit, die alles verändert, läßt auch die Freundschaft schwinden. Meine frühere Freundschaft mit dir diente einem besonderen Zweck. Doch jemand von unreiner Geburt kann nicht der Freund eines Reingeborenen sein. Einer, der kein Wagenkrieger ist, kann nicht der Freund eines Kämpfers sein.

Freundschaft gibt es nur zwischen Menschen gleichen Ranges, doch nicht zwischen Ungleichen.
Und Freundschaft bleibt niemals für immer in den Herzen bestehen. Zeit und Ärger zerstören sie.
Halte dich nicht länger an diese erkaltete Freundschaft zwischen uns und vergiß sie.
Denn es gibt keine Freundschaft zwischen einem reichen und einem armen Mann, oh bester Brahmane.
So wie es keine zwischen einem Gelehrten und einem Ungelehrten, zwischen einem Feigling und einem Helden gibt.

Warum begehrst du die Wiederaufnahme unserer früheren Freundschaft? Oh du mit dem geringen Verständnis, große Könige können niemals Freunde von so mittellosen und glücklosen Wichten sein, wie du einer bist. Einer, der kein König ist, kann niemals einen König zum Freund haben. Ich erinnere mich nicht, dir jemals mein Königreich versprochen zu haben. Doch, oh Brahmane, ich kann dir Nahrung und Unterkunft für eine Nacht gewähren.“ Nach diesen Worten von ihm verließ ich schnell mit meiner Frau sein Reich und schwor einen Eid, den ich bald ausführen werde. Seit Drupadas Kränkung erfüllt mich der Zorn. Ich kam zu den Kurus, um kluge und gelehrige Schüler zu bekommen. Ich kam nach Hastinapura, um deine Wünsche zu erfüllen. Nun sage mir, was ich tun soll.

Bhishma antwortet:
Spanne deinen Bogen, oh Brahmane, und mache die Prinzen zu fähigen Kriegern. Von den Kurus verehrt, erfreue dein Herz bis zur Genüge an allem Komfort in ihrem Heim. Du bist der vollkommene Herr, oh Brahmane, über allen Reichtum, den die Kurus haben, über ihre Herrschaft und ihr Königreich. Von heute an sind die Kurus dein. Erachte als erfüllt, was in deinem Herzen sein mag. Du wurdest uns gegeben, oh Brahmane, als Frucht unseres großen Glücks. Wahrlich, die Gunst, die mir deine Ankunft hier gewährt, ist groß.
 
Mahabharata 1. Buch
Sambhava Parva des Adi Parva 134 - 1

Drona und Arjuna

So nahm der von Bhishma hochgeehrte Drona sein Quartier in der Stadt der Kurus und lebte dort in ihrer Wertschätzung. Nachdem er sich eine Weile ausgeruht hatte, kam Bhishma mit seinen Enkelsöhnen zu ihm und übergab sie ihm als Schüler nebst vielen wertvollen Geschenken. Mit großer Freude übergab ihm Bhishma auch ein ordentliches und reinliches Haus, welches wohl gefüllt war mit Reis und allen angenehmen Dingen des Lebens. Freudig akzeptierte auch Drona, dieser Beste der Bogenschützen, die Söhne Pandus und Dhritarashtras als seine Schüler.

Eines Tages rief Drona seine Schützlinge einzeln zu sich, ließ jeden seine Füße berühren und sprach zu jedem mit schwellendem Herzen: „Ich hege eine spezielle Absicht in meinem Herzen. Versprich mir aufrichtig, ihr Sündenloser, daß ihr sie erfüllen werdet, wenn ihr tüchtig im Gebrauch der Waffen geworden seid.“ Alle Prinzen schwiegen auf seine Worte hin, nur Arjuna schwor, Dronas Plan zu verwirklichen, was immer es auch sei. Da zog er Arjuna glücklich an seine Brust, roch an dessen Haupt und vergoß Tränen der Freude.

Danach begann der mächtige Drona, die Prinzen der Kurus im Gebrauch von sowohl irdischen als auch himmlischen Waffen zu unterrichten. Auch viele andere Prinzen gesellten sich zu diesem besten Brahmanen, um die Waffenkunst zu erlernen. Es kamen die Vrishni und Andhaka Prinzen, auch Karna, dieser vom Suta adoptierte Sohn, und viele andere Prinzen und wurden die Schüler Dronas. Von diesen allen forderte nur der neidische Karna den Arjuna immer wieder heraus, und, von Duryodhana unterstützt, mißachtete er die Pandavas.

Doch voller Hingabe an das Erlernen der Waffenkunst blieb Arjuna stets treu an der Seite seines Lehrers und übertraf in Geschick, Stärke der Arme und Ausdauer alle anderen Mitschüler. Obwohl die Anweisungen des Lehrers für alle gleich waren, wurde Arjuna der Beste in Leichtigkeit und Fertigkeit. Und Drona war überzeugt, daß keiner seiner Schüler jemals in der Lage sein würde, dem Sohn des Indra ebenbürtig zu sein.

In dieser Zeit gab Drona allen seinen Schülern einen Krug mit sehr schmaler Öffnung (Kamundala) zum Wasserholen, damit es lange dauerte, bis der Krug gefüllt war. Sein eigener Sohn Aswatthaman jedoch bekam einen Krug mit breiter Öffnung (Kumbha), so daß er schnell wieder zurückkehren konnte. In der so gewonnenen Zeit lehrte Drona seinem Sohn die höheren Methoden des Waffengebrauchs. Arjuna erkannte dies, füllte seinen engen Krug mithilfe der Varuna Waffe, und kam zusammen mit Aswatthaman zum Lehrer zurück. Und so war der kluge Sohn von Kunti dem Sohn seines Lehrers nicht unterlegen.

Arjunas Hingabe an den Dienst an seinem Lehrer und auch an die Waffenkunst war groß, und so wurde er bald der Liebling seines Lehrers. Drona beobachtete seine Hingabe und befahl eines Tages dem Koch heimlich: „Gib Arjuna sein Essen im Dunkeln und verrate ihm nicht, daß ich dir das befohlen habe.“ Etwas später erhob sich ein Wind, während Arjuna aß, und blies die brennende Lampe aus. Doch Arjuna aß im Dunkeln weiter, denn seine Hand fand den Weg zu seinem Mund auch so. Da wurde seine Aufmerksamkeit auf die Kraft der Gewohnheit gelenkt, und der starkarmige Sohn des Pandu setzte sein Herz daran, bei Nacht mit dem Bogen zu üben. Als Drona das Sirren seiner Bogensehne des nächtens hörte, ging er zu ihm, umarmte ihn und sprach: „Ich sage dir aufrecht, ich werde alles für dich tun, damit es keinen Bogenschützen in der Welt gibt, der dir gleicht.“
 
Mahabharata 1. Buch
Sambhava Parva des Adi Parva 134 - 2


Die Geschichte von Ekalavya - Die Kraft der Verehrung des Abbild einer Persönlichkeit

Vaisampayana fuhr fort:
Danach lehrte Drona dem Arjuna die Kunst, auf dem Rücken von Pferden, Elefanten, zu Fuß und auf Streitwagen zu kämpfen. Der mächtige Drona instruierte Arjuna auch, wie man mit Keule, Schwert, Tomara, Prasa und Sakti kämpft (Lanze, Speer, Wurfpfeil). Auch lehrte er Arjuna, mit vielen Waffen gegen viele Gegner zur selben Zeit zu kämpfen. Als andere Prinzen und Könige von seinen Fähigkeiten hörten, strömten sie zu Tausenden zu Drona und wollten auch die Waffenkunst erlernen. Unter ihnen befand sich auch ein Prinz namens Ekalavya.

Er war der Sohn von Hiranyadhanu, dem König der Nishadas (ein Volk, welches die vedischen Völker oft als Ausgestoßene betrachten). Der in allen Regeln der Moral gelehrte Drona akzeptierte ihn nicht als Schüler im Bogenschießen, damit er als Nishada nicht seine hochgeborenen Schüler übertraf. Daraufhin berührte der Nishada Prinz Dronas Füße mit gebeugtem Haupt und ging in den Wald.

Dort schuf er ein Abbild von Drona aus Lehm, verehrte es respektvoll, als wäre es sein wahrer Lehrer, und übte das Bogenschießen vor ihm mit striktester Regelmäßigkeit. Wegen dieser außergewöhnlichen Verehrung seines Lehrers und der Hingabe an sein Ziel, wurden ihm alle drei Vorgänge des Pfeilauflegens auf die Sehne, Zielen und Pfeilabschießen sehr leicht.

Eines Tages fuhren die Kaurava und Pandava Prinzen mit Erlaubnis ihres Lehrers Drona mit ihren Streitwagen auf die Jagd. Ein Diener folgte den Freizeitjägern mit allen üblichen Gerätschaften und einem Hund. Im Walde angekommen durchstreiften die Prinzen das Dickicht. Und auch der Hund ging seiner Wege und traf auf den Nishada Prinzen. Jener war von dunkler Hautfarbe, den Körper hatte er mit Schlamm beschmiert, er war in Schwarz gekleidet und die Locken auf seinem Haupt waren verfilzt. Der Hund begann laut zu bellen, und der Nishada Prinz nutzte die Gelegenheit, die Leichtigkeit seiner Hand zu zeigen und schoß dem bellenden Hund sieben Pfeile ins geöffnete Maul.

Mit den Pfeilen im Maul kam der Hund zu den Pandavas zurückgerannt, und jene staunten sehr. Verschämt über ihr eigenes Geschick lobten sie die Leichtigkeit der Hand und das Vermögen des unbekannten Schützen, nach Gehör zu schießen. Sie begannen, nach dem unbekannten Waldbewohner zu suchen. Schon bald fanden sie ihn, wie er unablässig Pfeile von seinem Bogen entließ. Und sie erkundigten sich bei dem Jüngling mit dem grimmigen Aussehen, der ihnen ein völlig Fremder war: „Wer bist du und wessen Sohn?“ Er antwortete: „Ihr Helden, ich bin der Sohn von Hiranyadhanu, dem König der Nishadas.

Erkennt in mir einen Schüler Dronas, der sich um den Erwerb der Waffenkunst bemüht.“ Als die Pandavas alles Nötige erfahren hatten, kehrten sie zu Drona zurück und berichteten ihm von dem wunderbaren Meisterstück an Bogenkunst, von der sie im Walde Zeugen geworden waren. Arjuna mußte immerzu an Ekalavya denken. Und auf die Zuneigung seines Lehrers vertrauend, sprach er unter vier Augen zu Drona: „Du hast mir liebevoll und mich umarmend versprochen, daß keiner deiner Schüler mir gleich sein soll. Warum ist dann dieser Schüler von dir, der mächtige Sohn des Nishada Königs, besser als ich?“

Drona dachte eine Weile nach und kam zu einem Entschluß. Er nahm Arjuna mit sich und begab sich zum Nishada Prinzen. Er betrachtete Ekalavya mit seinem schmutzverschmierten Körper, den verfilzten Locken und dunklen Lumpen, wie er den Bogen in der Hand trug und unablässig Pfeile abschoß. Als Ekalavya sah, wie sich Drona näherte, kam er ihm einige Schritte entgegen und legte sich vor ihm auf den Boden, seine Füße berührend.

Der Sohn des Nishada Königs ehrte Drona, benahm sich wie sein Schüler und stand mit gefalteten Händen achtungsvoll vor ihm. Da sprach Drona zu ihm: „Wenn du, oh Held, wirklich mein Schüler bist, dann gib mir jetzt mein Dakshina (Lohn).“ Höchst zufrieden antwortete Ekalavya: „Oh ruhmreicher Lehrer, was soll ich dir geben? Befiehl, denn es gibt nichts, was ich meinem Lehrer nicht geben würde, du Bester von denen, welche die Veden beherrschen.“ Die Antwort Dronas war: „Oh Ekalavya, wenn du wirklich entschlossen bist, mir ein Geschenk zu machen, dann möchte ich den Daumen deiner rechten Hand.“

Und Vaisampayana fuhr fort:
Dies waren grausame Worte von Drona. Doch Ekalavya war immer der Wahrhaftigkeit zugetan und wollte sein Versprechen unbedingt halten. Ohne ein Wort, mit freudigem Gesicht und unbewegtem Herzen schnitt er sich den Damen ab und übergab ihn Drona. Später, als der Nishada Prinz mit den restlichen Fingern seiner Hand wieder Pfeile von seinem Bogen abschoß, bemerkte er, daß er seine frühere Leichtigkeit verloren hatte. Darüber war Arjuna sehr glücklich, und das Fieber (des Neids) verließ ihn.

Zwei von Dronas Schülern taten sich im Keulenkampf hervor. Dies waren Duryodhana und Bhima, die immer neidisch aufeinander waren. Aswatthaman übertraf die anderen in den Mysterien der Waffenkunst. Die Zwillinge Nakula und Sahadeva waren die besten Schwertkämpfer. Yudhishthira übertraf alle im Wagenkampf. Und Arjuna übertraf alle anderen in jeglicher Hinsicht, sowohl in Klugheit, Einfallsreichtum, Stärke und Ausdauer. Er beherrschte alle Waffen und wurde der beste Wagenkrieger.

Sein Ruhm verbreitete sich weit über die Erde bis an die Ufer der Meere. Obwohl die Instruktionen für alle gleich waren, übertraf der mächtige Arjuna alle Prinzen in der Leichtigkeit seiner Hand. Er war der Vorzüglichste von ihnen, sowohl in der Handhabung der Waffen als auch in der Hingabe an den Lehrer. Unter allen Prinzen wurde Arjuna allein zum Atiratha (einem Wagenkrieger, der allein und gleichzeitig gegen sechzigtausend Feinde kämpfen kann). Und die gemeinen Söhne von Duryodhana wurden wegen Bhimasenas großer Körperkraft und Arjunas Waffenkünsten immer neidischer.
 
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Mahabharata 1. Buch
Sambhava Parva des Adi Parva 134 - 3

Keine Konzentration ohne Hingabe

Eines Tages, nachdem ihre Ausbildung beendet war, wollte Drona die Fähigkeiten seiner Schüler prüfen. Er rief sie alle zusammen, und zeigte ihnen einen künstlichen Vogel als Ziel auf der Spitze eines Baumes. Drona sprach zu ihnen: „Nehmt eure Bögen, stellt euch auf und zielt auf den Vogel. Haltet eure Pfeile auf der Bogensehne bereit, und wenn ich es euch sage, schießt und trennt dem Vogel den Kopf ab. Jeder von euch wird nacheinander an der Reihe sein, meine Kinder.“

Zuerst wandte sich Drona an Yudhishthira und sprach zu ihm: „Oh Unbesiegbarer, ziel mit deinem Pfeil und laß ihn fliegen, sobald ich es dir sage.“ Yudhishthira tat, wie ihm geheißen und stand bereit mit dem Bogen in der Hand. Doch Drona sprach im nächsten Moment weiter und fragte: „Siehst du den Vogel im Baum?“ Der Prinz antwortete: „Ich sehe ihn.“ Und Drona erneut: „Und was siehst du nun? Den Baum, mich oder deine Brüder?“

Und Yudhishthira antwortete: „Ich sehe den Baum, dich, meine Brüder und den Vogel.“ Drona wiederholte die Frage, und bekam dieselbe Antwort. Unzufrieden mit ihm befahl ihm Drona tadelnd: „Tritt beiseite. Es ist nicht an dir, das Ziel zu treffen.“

Dann wiederholte Drona das Experiment mit Duryodhana und den anderen Söhnen Dhritarashtras, einem nach dem anderen, und mit allen seinen anderen Schülern, Bhima und dem Rest inklusive aller anderen Prinzen, welche zu ihm aus anderen Reichen gekommen waren. Doch in allen Fällen glich die Antwort, die er bekam, der von Yudhishthira: „Wir sehen den Baum, dich, die anderen Schüler und den Vogel.“ Jeden tadelte der Lehrer und hieß ihn, beiseite treten.

Zum Schluß sprach Drona lächelnd zu Arjuna: „Du mußt das Ziel treffen. Richte deine Augen darauf. Stell dich auf, mein Sohn, und laß den Pfeil fliegen, sobald ich es sage.“ Arjuna stand mit gespanntem Bogen und zielte auf den Vogel, wie es sein Lehrer wünschte. Auch ihn fragte Drona nun: „Siehst du, Arjuna, den Vogel, den Baum und mich?“ Arjuna erwiderte: „Ich sehe nur den Vogel, nicht den Baum und nicht dich.“ Zufrieden sprach der unbezwingbare Drona noch einmal zum mächtigsten Wagenkrieger unter den Pandavas:

„Siehst du den Geier, dann beschreib ihn mir.“ Und Arjuna sagte: „Ich sehe nur den Kopf des Geiers, nicht seinen Körper.“ Nach diesen Worten standen dem Drona vor Entzücken die Haare am Körper zu Berge. Und er sprach: „Nun schieß.“ Sofort ließ Arjuna den spitzen Pfeil von der Sehne und trennte dem Geier den Kopf ab, daß er zu Boden fiel. Sobald die Tat vollendet war, zog Drona den Arjuna an seine Brust und wußte, daß Drupada mit seinen Freunden schon besiegt war.
 
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