Die andere Seite
Die biblische Sicht der Souveränität Gottes hat allerdings einen gewichtigen Gegenspieler: Die Verantwortung des Menschen. Sie kommt an allen Ecken und Enden der Bibel zum Ausdruck. Der Mensch ist kein von Gott ferngesteuerter Roboter, sondern sein Gegenüber, das freie und verantwortliche Entscheidungen treffen kann.
Der Mensch ist kein von Gott ferngesteuerter Roboter, sondern sein Gegenüber, das freie und verantwortliche Entscheidungen treffen kann.
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Das fängt im Paradies an. Gott gibt den Menschen die Möglichkeit, vom Baum der Erkenntnis zu essen, hält sie aber an, es nicht zu tun (
1. Mose 2,17). Durch die gesamte Geschichte der Bibel appellieren Propheten, Engel und Gott selbst an die Menschen, seinen Willen ernst zu nehmen und ihm zu gehorchen. Sie können sich frei dagegen entscheiden. Auch das letzte Buch der Bibel belegt diese Freiheit: „Wer will, der nehme vom Wasser des Lebens umsonst“, schreibt Johannes in
Offenbarung 22,17. Heißt: Wer sich dafür entscheidet, wird gerettet. Die Wahl liegt bei mir.
Die freie Wahl des Menschen besteht also nicht nur für seine alltäglichen Entscheidungen, sondern auch in Bezug auf das Heil. Ob ich Gottes Rettungsangebot in Jesus Christus annehme oder nicht, liegt auch in meiner Hand. Gott wird niemanden in den Himmel peitschen. Den rettenden Glauben an Jesus Christus gibt es biblisch gesehen nicht ohne einen aktiven, verantwortlichen Teil des Menschen.
Ähnlich bei weiteren Themen. Christen sollen von ihrem Glauben weitererzählen, zur Umkehr aufrufen und zu einer aktiven Entscheidung für ein Leben nach Gottes Maßstäben einladen (
Matthäus 28,18ff.). Sie sollen Menschenfischer sein! Die „Fische“ gehen nicht automatisch ins Netz. Zudem werden Christen mitunter dringlich dazu angehalten, ihr Leben nach Gottes Willen zu leben (
Hebräer 12,14;
Epheser 4,1). Alles andere wäre unnatürlich – und bliebe nicht ohne Folgen. Außerdem scheint Gebet den Arm Gottes bewegen zu können. Es macht einen Unterschied, ob ich bete oder nicht (
Lukas 11,9-10). Es scheint, als ob eben nicht alles vorherbestimmt ist. Gottes Willen lässt sich gar durch menschliches Flehen erweichen (
2. Mose 32,9-14).
Zusammengefasst entfaltet die Bibel eine merkwürdige Spannung von menschlicher Verantwortung und Gottes Vorsehung: Gott hat alles in der Hand und lässt alles geschehen – aber in einer Weise, die unsere Fähigkeit zu freien, verantwortlichen Entscheidungen, die ewige Bedeutung haben und für die wir verantwortlich sind, nicht beeinträchtigt. Wie Gott das tut, bleibt ein Geheimnis. Die Bibel erklärt nicht genau, wie er das tut.