Vielleicht sollte man sich erst einmal grundsätzlich Gedanken um die Mythen machen, mit denen wir Liebe, Zuwendung und Treue in einer Partnerschaft verbinden?
Diese Mythen haben sich über Generationen des Zusammenlebens der Geschlechter in die Gesellschaft "eingebrannt". Sie handeln auch davon, dass Mann und Frau durch die Gesellschaft gewisse geschlechtsspezifische Erwartungen an das jeweils andere Geschlecht hat.
Wenn sie diese Erwartung aber erst einmal vom Dunkel ins Licht des Bewusstseins gezogen wurde, nämlich, was man wirklich von einander erwartet und verlangt, würde man den Konflikt und das Dilemma erkennen können, nämlich, was einerseits die eigene, wahre innere Natur verlangt und was von der Gesellschaft, der Umwelt oder der Familie aufdoktriert wurde und welche Rolle man zu spielen hat. Und hier meine ich beide Seiten - Mann wie Frau.
Welches ist denn das grundlegende und fundamentale Bedürfnis einer Beziehung? Die überwiegende Mehrheit der Leute wird sicher antworten, dass es Dinge wie Liebe, Sicherheit, Fürsorge, Zuwendung, Nähe und Gemeinschaft sind.
Ich glaube jedoch, dass das grundlegende Bedürfnis lediglich in der Bestätigung unserer grundlegenden Mythen besteht. Einem Muster, welches uns von klein an eingeredet wurde. Das Zusammensein von Mann und Frau ist kein Paradiesgarten, und doch enden die Märchen dieser Welt immer mit den Worten: "Und so lebten sie glücklich zusammen bis an ihr Lebensende." Gerne glauben wir das alles, ja, ich kenne eigentlich niemanden, der sich entschließt zu heiraten und nicht an diesen Mythos glaubt. Damit blenden wir aber aus, dass das Leben Veränderung ist und schon kommt die Schlange aus dem Paradies in unser schönes Märchen hereinspaziert, nämlich dann, wenn ein Partner anfängt, Fragen zu stellen. An sich, an die Partnerschaft oder, schlimm, schlimm, an die Ehe als Form des Zusammenlebens an sich
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Nun ist es dann aber nicht so, dass dieser Sich-In-Frage-Steller sich sagt: OK, es war eine Zeit sehr nett mit meinem Mann/meiner Frau, ich habe auch vieles gelernt und nehme vieles mit aus dieser Ehe, aber mein Weg führt in die Welt, denn in mir lebt die Veränderung, während mein Partner statisch geblieben ist
u.s.w. Nein, dieser Sich-In-Frage-Steller bekommt ein schlechtes Gewissen, gibt sich die Schuld an der Misere, da er ja seinen eigenen Mythos verraten hat und er ruft eine ganze Armee von Helfern auf den Plan, vom Astrologen, Psychologen, Eheberater oder Familiensteller, um sich wieder auf den rechten Weg zu bringen. Und oft sind es gerade die Frauen, die diesen Weg beschreiten
Ihnen möchte ich immer zurufen: Schaut euch an, was sich in euren Beziehungen tut, denn Beziehungen sind euer Spiegel. Möglicherweise könnt ihr genau da erkennen, dass ihr euch verändert habt und der Zeitpunkt gekommen ist, einen eigenen Weg zu beschreiten.
Mann wie Frau sollten sich bewusst fragen, ob die ihnen zugewiesenen Rollen noch mit dem konform gehen, was ihnen zwar bislang Sicherheit gegeben hat, aber nicht mehr mit ihrem gewachsenen Bewusstsein zu vereinbaren ist, denn eine Beziehung hat keine eingebaute Ablaufgarantie. Gut, es ist schwer für den Partner, der nach wie vor in seinem Mythos lebt, die Veränderung des anderen zu akzeptieren und doch wäre es schön, wenn er zu dem scheidenden Ehepartner sagen könnte: Sei, wer und was du bist, auch wenn du dann ganz anders sein solltest, wie ich. Ich liebe dich genug, um die gehen zu lassen. Aber in Wirklichkeit durchleben die meisten sich trennenden Paare eine Phase der schmerzlichen Konfrontation und können die Individuationen des anderen nicht akzeptieren.
LG
Juppi