Jain.
Zum Thema Rassismus gibt es für mich tatsächlich keine vernünftig denkbare Mitte zwischen den Extremen. Menschen haben für mich alleinig nach Handlungen und Äußerungen beurteilt zu werden und nicht nach Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, Geschlecht oder anderer möglicher Kategorien, nach denen diskriminiert werden kann.
Und, falls das zu missverständnissen führt: Der "Rassismus mit umgekehrtem Vorzeichen" - oft auch Positivrassismus genannt - ist für mich damit ebenfalls Rassismus. Wenn ich also z.B. sage, dass Menschen dunkler Hautfarbe nicht dümmer sind als Menschen mit hellerer Hautfarbe, so sage ich damit auch NICHT, dass sie damit klüger wären.
Leider sind wir alle nicht frei von Vorurteilen...
(...)
Ich glaube, dass ein großes Problem mit dem Thema darin besteht, dass zu wenig zwischen natürlichen Reaktionen und echtem Rassismus als Konzept bzw. Ideologie unterschieden wird.
Was ich mit natürlicher Reaktion meine ist:
Angst vor "allem" was als fremd empfunden wird:
Unser Verstand ist ständig auf der Suche nach Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten, weil das eine Art Verbindung herzustellen scheint. Wir machen das ja selbst mit Tieren so. Delfine sind sehr sympathisch, u.a. auch weil sie zu lächeln scheinen usw. Und bei Menschen sind Ähnlichkeiten/Gemeinsamkeiten ja zum Glück absolut vorherrschend. Egal welche Hautfarbe, Geschlecht, Kleidung etc. - ein aufrichtiges Lächeln ist international oder vielleicht sogar universell und wirkt immer. Umgekehrt ist es aber durchaus natürlich eine gewisse Angst vor dem zu haben was einem selbst fremd ist. Da gibts natürlich noch viele Unteraspekte, aber grundlegend erzeugt Fremdheit zumindest eine gewisse Vorsicht (wobei ich das auf alles beziehe, nicht nur fremde Menschen).
Kategorisierungen:
Wir kategorisieren ständig - unser Verstand tut das automatisch und in allen Bereichen. Eine Frau die mehrfach schlecht von Männern behandelt wurde muss sehr bewusst damit umgehen um nicht in Kategorien, wie "alle Männer sind ..." zu verfallen - umgekehrt natürlich auch. Es gibt auch jede Menge eher linker Kategorien, wie etwa "alte weiße Männer" usw.
Überzeugungen:
Letztlich geht es, wann immer es um Menschen geht, um die Frage
welche Überzeugungen jemand anders hat und inwiefern diese mit den eigenen übereinstimmen. Äußeres wird als erstes Anzeichen dafür genommen, etwa das ältere weiße Männer eher "von gestern" seien oder ihre Macht bedroht sehen usw. Wenn es z.B. um Muslime geht, dann in aller Regel um kulturelle oder auch religiöse Fragen. Aber weder das eine noch das andere ist wirklich entscheidend. In letzter Konsequenz geht es um Werte - der Begriff "Werte" ist nur ein anderes Wort für Überzeugungen, aber das Zusammenleben betreffend ist er etwas präziser.
Wann reagieren wir Menschen oft feindselig?
Wenn wir große Differenzen zwischen eigenen Überzeugungen und Werten und jenen anderer zu erkennen glauben.
Worauf ich hinaus will ist: Was ich oben zu beschreiben versuche ist einerseits natürlich, kann andererseits aber in die größten Katastrophen führen und das ist über die gesamte Menschheitsgeschichte hinweg sogar der Regelfall. Dennoch sollte man das m.A.n. von echtem Rassismus abgrenzen, denn es gibt da durchaus entscheidende Unterschiede. Für Nazi-Ideologen gibt es genetische/rassistische Unterschiede die Menschen in gut und schlecht unterteilen.
Rassistische Ideologien sind faktisch falsch was man schon daran erkennen kann, dass das was Rassisten als Ziel ansehen biologisch nachteilig ist (nichts ist reinrassiger als Inzest), während eine möglichst weite Vermischung von Genen vorteilhaft ist.
Gleichzeitig ist es auch ein Fakt, dass deutliche Unterschiede zwischen Überzeugungen bzw. Werten regelmäßig zu Konflikten führen.
Kultureller Rassismus ist "Werte-Rassismus" (und natürlich):
Und da gibt es ein interessantes Paradox: Wir im Westen fühlen uns sehr oft kulturell überlegen. Ich vermute, dass wir fast alle das sind was manchmal „Kultur-Rassisten“ genannt wird (ich mag den Begriff absolut nicht). Aber: Das was wir in unser vergleichsweise freien Gesellschaft richtig und in z.B. den meisten islamischen Gesellschaften falsch finden, kann für die durchaus funktionieren wenn nur möglichst viele jene Werte teilen.
In letzter Konsequenz sind wir alle sowas wie
„Werte-Rassisten“ - was logischerweise und zum Glück nichts mit Genetik zu tun hat. Echter Rassismus existiert kaum noch. Würde die Natürlichkeit dessen erkannt, anstatt daraus wieder eine Ideologie zu machen, würde interessanterweise eine Gemeinsamkeit erkannt, was dann wieder einen positiven Effekt hätte.