Liebe Anna,
Gartner: Für mich ist Magie ursprünglich zu verstehen: gr. mageía für Zauberei, Gaukelei, Blendwerk...
mageia ist ursprünglich die Bezeichnung von dem, was ein magos (Magier) macht. Dabei werden durch die Zeiten hindurch vier verschiedene Bedeutungen immer wieder belegt:
1. Magos als Angehöriger der persischen Priesterkaste, nach Herodot (I,101,1) einer der sechs Stämme der Meder. Ganz ähnlich - nur im Vergleich kurz eingeschoben - übrigens die Leviten, einer der 12 Stämme Israels. Auch sie waren kultisch mit speziellen priesterlichen Aufgaben betraut.
Herodot erzählt ein bißchen von den Magiern, dass sie bei jedem Opfer mitwirken als Sprecher heiliger Worte (I,132) und als Deuter besonderer Vorzeichen (VII,37).
Strabo (XV 3,15) berichtet von ihrem Feuerkult.
In einem dem Heraklit von Ephesos zugeschriebenen Fragment (fr 14, 1,154) werden den Magoi Mysterien zugeschrieben, die sie auf eine Stufe mit den Dionysosanhängern stellen, womit er sie klar als Vertreter einer Religion einordnet.
Nur nebenbei bemerkt ordnet Frater v.D. Heraklit von Ephesos wiederum als "embrionisch chaoischen" Nemesis-Magier ein mit dekonstruktivistischem Touch.
Ein dem Protagoras zugeschriebenes Fragment (fr 2) und bei dem Pseudoplatoniker Alcibiades I (122a) treten die magoi auch als Erzieher auf, und in diesem Kontext wird mageia als "theon therapeia", also als Gottes-Dienst definiert.
Der Pseudoplatoniker Axiochus (371a) hat genausowenig Berührungsängste, Sokrates einen Mythos (logos) erzählen zu lassen, die er von einem Magier erhalten habe wie Aristoteles, der die Magier als "älter als die Ägypter" ansieht und sein Schüler Klearchos meint, dass auch die indischen Weisen Abkömmlinge der Magier sind (wovon übrigens auch die diachrone Linguistik wissen könnte). Dazu bemerkt Eudemos, ein anderer Schüler von Aristoteles, dass die Grundlehren der Magier aus dem "arischen Geschlecht" kommen ("arion genos").
Exkurs:
2. Magoi als Inhaber und Ausüber eines übernatürlichen Wissens und Könnens.
3. Magoi als "Zauberer", im Gegensatz zum Göttlichen stehend. So etwa im Martyrium des Matthäus (22) in der Frage an den Missionar: "magos" oder "theos" (magisch oder göttlich). Bei dieser Bedeutung von "magisch" wird ein (dämonischer) Zwang unterstellt, während "göttlich" eine geschenkte Gabe bezeichnet wird.
So las ich einmal ein Buch mit dem Titel "Die schwarze Magie" neugierhalber, lustigerweise vertrat allerdings der Autor diese dritte Bedeutungsvariante und unterstellte grundsätzlich aller Magie etwas "schwarzes", das Buch handelte also allgemein von Magie und ihren "schwarzen" Eigenschaften.
Diachron linguistisch natürlich interessant, weil modern als die "schwarze Kunst" die Buchdruckerei bezeichnet wird, andererseits aber Thoth als schlechthin der ägyptische Gott der Magie bezeichnet wird, indem er den Menschen auch die Schrift beibrachte. Damit sind wir natürlich nebenbei bemerkt ganz on topic im Sinne der klassischen Lehren der Magie, die sich mit der übernatürlichen Wirkung von "Zeichen" befasst.
Noch pikanter ist allerdings, dass bei den manchmal unheimlichen Erfolgen von neuen Religionen im Sammeln ihrer Anhänger ihren Missionaren unterstellt wurde, dass sie "mageia" angewandt hätten (also magischen Zwang), weil man sich anders nicht erklären konnte, wie so viele Menschen in so kurzer Zeit ihre Glaubensvorstellungen umwerten konnten (Thomasakten 101).
4. Magoi als Betrüger, Verführer. In dieser Bedeutung taucht das Wort sowohl bei demjenigen auf, der zwischem echtem Zauber und vorgeblichem unterscheidet als auch bei demjenigen, der aufklärerisch Zauber nicht als wirkliche Macht anerkennt, sondern generell als betrügerisch denunziert.
Auch diese vierte Bedeutungsvariante taucht übrigens schon früh auf (wenn auch selten), z.b. bei Platos Respublica (IX 572e), und wird natürlich in aufklärerisch angehauchtem Zeitgeist zunehmend häufiger.