Hallo Ahorn,
da wir schon ein paar Mal doch noch eine Art gemeinsamen Nenner gefunden hatten, möchte ich versuchen, dir meine Sichtweise noch in anderer Form näher zu bringen - vielleicht besteht eine Chance, dass du nachvollziehen kannst, worums mir geht - unabhängig von all dem, was schon zu dieser Thematik gesagt wurde.
Das Wort "Schuld" habe ich für mich gestrichen. Ich sage lieber Verantwortung. Einer Schuld kann man nicht entrinnen, doch einer Verantwortung kann man sich stellen und damit die Verletzungen heilen (ok, wenn jemand gestorben ist, sieht es ein wenig anders aus, doch da die Seele noch existiert, sollte auch das möglich sein).
Ich würde da unterscheiden zwischen
-> ich übernehme die Verantwortung für mein Handeln
und
-> ich weise jemanden Schuld zu, zB weil ich dieser Person unterstelle, dass er die Verantwortung für sein Handeln nicht übernimmt.
Und nur, weil jemand gestorben ist, heißt das ja nicht, dass er nicht die Verantwortung für sein Handeln übernommen hat(te). Was sich hier im Forum zeigt ist eben nicht, ob der Täter die Verantwortung übernommen hat - das kann hier auch gar nicht festgestellt werden.
Was sich hier - mir - (kann durchaus sein, dass es andere Menschen anders sehen) - zeigt sind eben genau die Schuldzuweisungen, dass ein (angeblicher) Täter eben Schuld auf sich geladen hat - und die Opfer deshalb auf ihn böse sein dürfen - ja sogar müssen.
Wenn mir jemand etwas angetan hat, dann trägt er die Verantwortung für die Tat.
Korrekt - dem stimme ich voll zu.
Dann habe ich als "Opfer" (auch so ein Unwort!) aber auch die Möglichkeit, die Umstände des Täters zu betrachten und im Endeffekt zu dem Schluss zu kommen, dass auch der Täter kein Übermensch ist, sondern ein normaler Mensch, der Sch**** gebaut hat,
Kann ich natürlich tun - wenn es mir dadurch leichter fällt, die Situation an sich an zu nehmen - doch stellst sich mir auch die Frage meiner eigenen Einstellung zu dem, was ich da tue.
Und wenn es aus dem Grund passiert, dass ich danach mit der Situation an sich besser klar komme, ist es auch für mich ok - wenn es nur dazu dient, Fehler beim anderen zu finden, damit ich mich besser fühlen kann, dann find ichs eher kontraproduktiv - in Bezug auf meine eigene Heilung.
was - je nach Rahmenbedingungen - auch mir vielleicht passieren könnte.
Genau darum gings mir.
Wenn ich mißbraucht wurde, ist das ein Fakt, mit dem ich irgendwie leben muss. Wenn ich jetzt her gehe und die Situation an sich - für mich - heile, dann kann ich danach wieder "relativ normal" weiter leben.
Wenn ich aber jetzt her gehe - und einen Menschen benenne, der angeblich Täter war - obwohl ich das in keiner Form "beweisen kann" - dann lade ich möglicherweise dadurch Schuld auf mich, die ich dann allerdings auch selbst verantworten können muss.
Wobei ich mich frage, inwieweit ein Kind Verantwortung dafür hat, wenn ein Erwachsener, der für das Kind verantwortlich ist, das Vertrauen des Kindes missbraucht (in welcher Form auch immer).
Gar nicht
Ein Kind hat aber die Verantwortung für sich selbst - und seine Handlungen - und das auch erst dann - sobald und wenn es erwachsen ist.
Und wenn es als Erwachsene/r jemanden bezichtigt, öffentlich und namentlich, dass dieser Jemand es als Kind mißbraucht hat, dann ist das auch eine Schuld, der es sich - als jetzt erwachsener Mensch - stellen - und diese Verantwortung dann auch selbst tragen - muss.
Kinder sind immer unschuldig - sagt auch Hellinger.
Doch für das, was sie daraus machen, was ihnen in ihrer Kindheit angetan wurde - dafür sind sie in vollen Umfang vernatwortlich - sage ich. Um eine derartige Situation zu heilen braucht es keinen namentlich bekannten Täter.
Wenn ich für mich weiß - aus welchen Quellen auch immer - dass ich in meiner Kindheit sexuell mißbraucht wurde, dann kann ich diesen Schmerz auch ohne namentlich bekannten Täter heilen.
Wenn ich mir in solch einer Situation einen Täter suche, den ich für diese Tat zur Verantwortung ziehen kann - dann ist das in meinem Blickwinkel kein Ansatz der Heilung, sondern eine reine Schuldzuweisung, damit ich selbst mich "besser" fühlen kann - das wiederum bewirkt auch selten echte Heilung.
Klar, wenn der Täter sowieso bekannt ist, hab auch ich kein Problem damit, ihn zu benennen - doch sogar da würde ich mir genau überlegen, wie weit ich mich da in eigene Schuld begebe.
Aber "nur" weil es sich in einer Aufstellung gezeigt hat, dass es möglicherweise der Vater gewesen sein könnte - (und es ist mir bewusst, ich kann nur aus meinem Empfinden schreiben) - wenn ich es dann trotzdem lautstark verkünden würde, dann bin ich möglicherweise genauso Täter wie der Vater - und das würde ich zB nicht verantworten wollen müssen.
Da gibts doch auch noch so nen weisen Spruch "du wirst das, was du bekämpfst" - und genau das ist diese Nachfolgedynamik - der Vater mißbraucht das Kind - das Kind beschuldigt den Vater (ohne Beweise zu haben) - mißbraucht also ihn als Projektionsfläche seines eigenen Frustes - ohne auch wirklich zu wissen, ob er es überhaupt war.
Auch, wenn das jetzt voll brutal klingt - aber - wo liegt da der Unterschied?
Jetzt nicht vom körperlichen her - da ist der Unterschied offensichtlich - sondern allein in der Einstellung? Das Kind wird mißbraucht - und sucht sich ein Ventil, um genau das weiter zu geben - indem es jemanden "willkürlich" beschuldigt.
Es sucht sich einen Schuldigen, den es hassen kann - den es beschuldigen kann - und ladet dadurch aber nur weitere Schuld auf - diesmal auf sich selbst. Das ist es, was ich ansprechen wollte - sonst nichts.
Ich habe auch vollstes Verständnis dafür, dass das Kind seinen Schmerz kanalisieren will oder muss - aber ich wollte auch drauf aufmerksam machen, dass es das nicht auf Personen lenken sollte, die ev. gar nichts getan haben, bzw. sich da "nur" auf das zu berufen, was sich angeblich in einer Aufstellung gezeigt hat.
Wenn der Vater das Kind wirklich mißbraucht, dann wird er seine Strafe bekommen - in welcher Form auch immer. Wenn ers aber nicht war - und das Kind beschuldigt ihn, dann möchte ich nicht in der Haut des Kindes stecken. Um mehr gings mir nicht.