Ich folge dem Ruf meines Herzens

Und die Reise geht erneut über die hohen Berge Asiens
und weiter über endlose Wüsten. Ist das nicht schon wieder die Taklamakan? Drehen wir uns in Kreisen?

Der Nordwind führt uns nach Südasien, wir sind mit Qashqai auf dem Weg nach Myamar.


Es ist ein seltsamer Ritt durch die Nacht, und ich nehme dich mit mir auf diese Reise, mein Geliebter. Dorthin wo die Grenzen der Zeit aufgehoben sind.

Finden wir die Antworten?
Stellen wir die Fragen und sollen wir immer noch fragen?

Ich nehme dich mit mir und wir tanzen, ich bringe dich zum singen und wir reiten weiter und weiter bis der Mond dem Ozean begegnet.

Eine Eule ist bei uns, wir fühlen die hohe Schwingungsfrequenz eines unererklärlichen Augenblicks.

Reine Glückseligkeit, Freude, Anmut, pure Ekstase
als ob wir den Himmel erreichen.

*das sind ungeheure Synchronizitäten die passieren
ich schreibe gerade diese Worte und in meiner derzeitigen Wirklichkeit, geht die Sonne golden strahlend über den Klippen unter. Was führ Geschenke ich erhalte. Welcher Segen der Götter, der hier wirkt!*

Aber weiter zu dir mein Geliebter. Wir können die Fragen stellen und wir können die Antworten bekommen.

Was ist Erleuchtung?
Die Eule, die zu uns schaut, milde Augen so weise, antwortet leise in dieser sternenklaren Nacht:

" Erleuchtung ist, wenn man sich in jedem Augenblick der Kraft der Quelle bewusst ist."

Unsere Herzen singen und schlagen im Rythmus der Liebe und wir fragen nochmal:

Was ist Gott?

"Gott ist das Lied im Radio und dieser gute Gefühlsgedanke.
Gott ist so unverständlich, dass du nicht einmal anfangen kannst ihn zu beschreiben und wann und wie er mit euch kommuniziert.
Gott ist überall, wo ihr Bedeutung findet. Wo ihr liebt.
Gott kommuniziert immer mit dir - aber bist du erreichbar? "

Schweigen für eine Weile
und weitere Antworten kommen ...

"Die Quelle ist die Bewegung unseres Bewusstseins durch Widerspruch und Paradox zu einer neuen Schöpfung ..."

In wie tiefe Dimensionen tauchen wir hier?

"Gott ist Erleichterung, realisiert das Selbst.
Erleichterung erlaubt Wohlbefinden. Erleichterung ist buchstäblich die Bewegung der Energie, die durch ein Gefühl des im Tal seins hervorgerufen wird.
Das ist Gott genau dort! Die Bewegung in allem, zwischen allem. Im Dazwischen, ist in allem, aber in keinem davon.
Deshalb finden wir niemals dauerhafte Zufriedenheit in Zielen. Dauerhaftes Glück kann nur in der Verwirklichung permanenter Bewegung und Expansion nach vorne gefunden werden. "

Es ist die Bewegung, mein Geliebter, die Reise.
Wir kommen nie an. Weisst du dass wir niemals unser Ziel erreichen werden?



Es bricht ein neuer Tag an.
Die Sonne im Dunst über Bagan Myamar. Die Tempel im goldenem Licht. Die Eule ist verschwunden, aber ihr Geist ist immer noch präsent.

*Und hier, wo ich gerade schreibe, der Himmel rotorange mit leichtem Lavendel, in ein unendliches Dunkelblau übergehend mit den ersten Sternen
im JETZT, in der Liebe.*


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Mein Geliebter

ich denke zurück an die Zeit, als ich zutiefst traurig war und kurzentschlossen mich nach Indien aufmachte. Sollen wir mit Qashqai fliegen? Von Myamar nach Bodh Gaya ist es ein Katzensprung.

Ich denke zurück an Mönche in Safrangelben Gewändern im grossen Hof des Mahabodhi Tempels oder an den Bodhi Baum unter dem Buddha sass und die Erleuchtung erfuhr. Wie viele Stunden sass ich unter diesem Baum und meditierte. Wie wenig ich damals vom Buddhismus wusste. Der Sohn von Freunden lud mich ein, mit ihm nach Indien zu fliegen, am letzten Tag des Jahres, zu Silvester.
Ich flog von Paris Nach Bombay und verpasste Nicolas in Delhi. Ich sollte ganz allein auf mich gestellt sein. Ganz unten im tiefen Tal von Traurigkeit und Verlassen-Sein.

Lass uns fliegen, mein Geliebter und uns in den Hof setzen des Mahabodhi Tempels:


"Wie friedlich es hier ist, dachte Stella. Sie hatte sich auf eine Steinbank im inneren Tempelgarten gesetzt. Das Sonnenlicht fiel sanft durch die hohen Bäume, aus denen das Zwitschern unzähliger Vögel erklang und sich mit dem Gesang einer großen Gruppe Lamas mischte. Es mussten an die zweihundert sein, kraftvoll tönten ihre Stimmen durch den Garten.

„Das sind die Mönche von Padhma Sambhava“, hörte sie neben sich jemanden in Englisch sagen.

Sie gewahrte einen alten Lama, mit auffallend klarem Blick. Er lächelte jenes geheimnisvolle Lächeln von Menschen, die Leid und Sorge längst hinter sich gelassen haben.

„Padhma Sambhava, wer ist das, ehrwürdiger Lama?“

„Du weißt nicht, wer Padhma Sambhava ist? Er brachte im achten Jahrhundert den Buddhismus nach Tibet und war die Inkarnation des Buddha.“

„Danke, ehrwürdiger Lama.“

„Ich bin Lama Mipam Rinpochet. Soll ich dir mehr über Padhma Sambhava erzählen?“

Stella nickte zustimmend.

„Es gibt viele Sagen um ihn“, begann er. „Eine davon ist diese: Padhma Sambhava begab sich nach Bodh Gaya und vollzog dort die Riten im Tempel. Er verwandelte seine Körper und vervielfältigte sie zu einer großen Herde Elefanten. Ein anderes Mal zu einer Ansammlung Yogis. Das Volk fragte ihn staunend, wer er sei und wer sein Meister wäre. Ich habe keinen Vater und keine Mutter, antwortete er, habe auch keinen Meister und keine Kaste. Ja, ich besitze nicht einmal einen Namen, denn ich bin der Buddha, der aus sich selbst Geborene.

Das Volk fragte sich, ob er nicht ein Dämon sei, denn die wahren Meister werden oft vom Volk verkannt. Padhma Sambhava aber war die Inkarnation des Buddha! Und so sah er, dass die Menschen geistige Hilfe benötigten und suchte andere Lehrer auf. Er reiste an das Ufer des Ganges, in die Stadt Benares. Dort brachte ihm ein Lehrer die Sternkunde bei und ermunterte ihn, die Konstellationen von Buddhas Geburtsjahr zu studieren.“


Die Gesänge der Lamas verstummten, wurden mit tibetischen Hörnerklängen, Gong- und Trommelschlägen abgeschlossen. Lama Mipam Rinpochet unterbrach seine Erzählung. Ein letzter Gongschlag folgte, dann war Stille.

„Als Padhma Sambhava von seinen Lehrern erfuhr, sie könnten ihm nichts mehr beibringen“, fuhr der Lama fort, „machte sich Padhma Sambhava auf die lange Wanderschaft und überquerte die Himalajas, um nach Tibet zu gehen. Tibet, auch das alte Land Bod genannt, wartete bereits auf die Befruchtung durch den Buddhismus. Der Samen dafür war schon vor langer Zeit gelegt durch die Bön Religion. Für das Kalachakra mit seinen guten und seinen zornigen Gottheiten, die zerstören und erhalten. Man erzählt, die Kalachakra Lehre kam einmal aus Shamballa.“

Ein Lächeln huschte über Mipam Rinpochets Gesicht, ein Lächeln, so geheimnisvoll, wie jenes sagenumwobene Land Shamballa selbst.

„Was ist Tantra, ehrwürdiger Lama?“, fragte Stella.

„Tantra ist die höchste Stufe des Buddhismus, die esoterische Geheimlehre davon.“

„Und was ist Bön Religion? Verzeihen Sie mir, ehrwürdiger Lama Mipam.“

„Die Bön Religion herrschte vor dem Buddhismus in Tibet. Und jetzt möchte ich gerne von dir erfahren, wie du heißt?“

„Mein Name ist Stella.“

„Stella?“ Er schwieg, schien nachzudenken. „Ein bedeutsamer Name, Stella bedeutet Stern.“

„Ich weiß“, nickte sie.

„Du solltest oben im Stupa meditieren, Stella.“

„Im Stupa? Wo kann man dort meditieren?“, fragte sie erstaunt.

„Über dem Hauptaltar befindet sich ein großer Raum.“ Er nickte ihr zu. „Bitte die Mönche, dir unten die niedere Tür aufzuschließen, denn nicht jeder darf da hinauf.“

Stella erhob sich und faltete zum Gruß die Hände vor die Stirn.

„Danke, ehrwürdiger Lama. Kommen Sie öfter her? Ich muss leider jetzt gehen.“

„Ich komme jeden Tag.“


Oh ja, mein geliebter Freund. Lass dich nicht verwirren von den vielen Menschen in Bodh Gaya. An die vierhunderttausend Tibeter sind gekommen um den Dalai Lama zu sehen. Zweihunderttausend Lamas aus den Klöstern von Buthan, Ladakh und Nepal. Wir sind hier zum Kalachakra, und wie ich erst später erfuhr, ist das Kalachakra der Eintritt in das Land Shamballa.

Ich sass den ersten Tag, Nachmittags am Boden, zusammen mit tausenden von Lamas und ein paar wenigen Ausländern, um dem Dalai Lama zu lauschen. Neben mir eine Gruppe Buddhisten aus Hamburg. Einer von ihnen borgte mir seinen Becher, damit auch ich Tsampa trinken konnte, den Mönche aus grossen Teekesseln verteilten.

"Du kommst aus Portugal, hast von Buddhismus keine Ahnung und nimmst am Kalachakra teil, der höchsten Initiation?" fragte er mich verwundert und lachte.

Kalachakra, das ewige Rad der Zeit. Aber lass uns beobachten, was weiter passierte mit Stella, die traurige Stella die ich einmal war:


Stella schaute auf die Uhr, es war halb fünf, aber Nicolas war nicht gekommen. Angmo sagte, das sei Karma.

Kopfschüttelnd machte Stella sich auf den Weg zum Mahabodhi Tempel. Sie wollte dort den Meditationsraum aufsuchen, von dem Lama Mipam Rinpochet sprach.


Der Raum war dunkel, bis auf die wenigen Kerzen, die vorne bei der großen, goldenen Buddhastatue brannten. Stella hockte sich in eine Ecke und meditierte lange Zeit.

Die Sonne stand schon weit im Westen, die kommende Dunkelheit lag bereits über dem Tempel. Stella setzte sich auf die Terrasse unter die Zinnen des Mahabodhi Tempels und blickte hinunter auf die Gärten. Wehmut befiel sie. Unten der Dunst des aufsteigenden Weihrauchs, der wie eine goldene Lasur über dem Licht der vielen Kerzen schwebte, und das schier unendliche Meer aus Granat und Safran der Mönchgewänder.

Ein Gongschlag klang dumpf aus der Ferne herüber und verhallte wie in der Ewigkeit. Stella blickte der Sonne nach, die gerade hinter den Baumkronen verschwand und dachte traurig an Miguel Angelo.

Wie oft ich in meiner Vorstellung diesen Meditationsraum aufsuche. Ich sass hinten links, ganz in der Ecke.




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Mahabodhi Tempel


Wie zwei goldbestaubte Vögel auf dem gleichen
Baum, wie sehr nahe Freunde, bewohnen das
Ego und das Ich den gleichen Körper.
Das Ego isst von den süßen und den bitteren
Früchten vom Baum des Lebens, während das Ich
alles mit Losgelöstheit betrachtet.

Mundaka Upanishad




Mein Geliebter

hier bin ich wieder, ja Stella. Stella, die ich einmal war und die langsam in eine andere Realität hinüberglitt, daraus aber erstarkt auftauchte und jetzt hier vor dir steht und zu dir spricht. Ich denke zurück an Indien. Durch den Abstand der vielen Jahre die seither vergangen sind sehe ich diese geheimnisvolle Kraft die von dort ausstrahlt, die mein Leben veränderte. Zuerst innerlich, aber dann auch auf dramatische Weise im Aussen. Aber hier höre selbst:

"Sie starteten am nächsten morgen noch bei Dunkelheit. Das Taxi war ein uralter Mercedes, aber in gepflegtem Zustand. Die Fahrt nach Bodh Gaya sollte drei Stunden dauern.

Langsam tauchten die Felder aus dem Dunkel auf, hin und wieder eine Palme. Es wurde immer heller. Über der weiten Ebene schwebte Morgendunst. Rechts von ihnen ging am Horizont die Sonne auf, Indien erwachte zu einem neuen Tag.

Oh Indien, wie bist du schön, dachte Stella.

Es war bereits Montag, das Gefühl gespannter Erwartung nahm zu. Ja, sie war in Indien! Kleine Dörfer zogen vorüber und der Fahrer fuhr laut hupend an Hühnern, Hunden, Ziegen und heiligen Kühen vorbei. Heilige Kühe - natürlich. Die Menschen in den Dörfern bereiteten schon emsig ihre Marktstände vor.
Der Fahrer hieß Maksoud. Ein dunkelhäutiger Typ, mit einem imposant gezwirbelten Schnurrbart. Auf seinem Kopf thronte ein weißer Turban.

Zweimal begegnete ihnen die Eisenbahn. Die Menschen hingen wie Trauben aus den Fenstern der überfüllten Eisenwaggons. Angmo erklärte, dies sei die Strecke zwischen Kalkutta und Delhi.
Dann fuhren sie durch ein kleines Städtchen, Maksoud nannte den Namen: Gaya.
Die Fahrt ging weiter an palmenumsäumten Feldern vorbei. Nach einer halben Stunde erreichten sie endlich Bodh Gaya."

Auszug aus Kismet 2005

Nicht sehr lange war ich allein in Bodh Gaya, bald hatte ich mehrere tibetische Freunde, wie Angmo und ihre Mutter aus Ladakh, oder Tensing. Tensing der aus London angereist war und mir den Mahabodi Tempel zeigte, mit mir essen ging ins Kailash Restaurant. Martha aus Singapur und Rachel aus Jerusalem. Rachel die mir den Bodhi See zeigte:


„Bodhi See?“ Stella hob fragend den Blick und wollte wissen, wo es hier einen See gebe.

„Er ist ganz in der Nähe, meine Freundin hat ihn mir auch erst heute Morgen gezeigt.“ Sie stand auf. „Komm!“

Während sie durch den Tempelgarten in Richtung der rückwärtigen Mauer wanderten, erzählte Esther von ihrem Leben in Jerusalem, von der Schule, wo sie als Kunsterzieherin arbeite. Sie kamen zu einer Unterführung, da meinte Stella erstaunt, sie hätte alleine niemals hergefunden.
„Nur wenige kennen den Weg.“ Esther lachte. - „Na, was sagst du?“
Vor ihnen stand am Seeufer ein kleiner Tempel, mit einer Terrasse und Stufen, die bis zum Wasser führten. Gebetsfahnen flatterten leicht im Wind.
„Oh, Esther!“
„Lass uns auf die andere Seite gehen“, schlug sie vor. „Drüben ist es noch schöner.“

Der schmale Pfad führte unter Bäumen und Buschwerk entlang. Als sie auf der gegenüber liegenden Seite anlangten, bot sich Stella ein Bild, das unauslöschlich für sie bleiben würde. Sie war wie gefangen in der Magie dieses Augenblicks. Der See schimmerte golden im Licht der Morgensonne und darin spiegelte sich der kleine Tempel mit den Stufen.

„Ich habe ihm den Namen Lotussee gegeben“, meinte Esther lächelnd.
Und wirklich, Hunderte zartrosa Lotusblumen schwammen auf dem Wasser.
„Ich glaube, ich muss mit meiner Kamera noch einmal hierher kommen.“

Kismet 2005

Der Bodhi See war von grosser Bedeutung, denn dort passierte die Begnung mit.... daräber später. Erst will ich dir das Kalachakra Sand Mandala zeigen. Es wird von den Lamas mit grosser Hingabe aus gefärbten Sand aufgebaut:


Stella und ihre Freunde kauften bei den Straßenhändlern Glücksschärpen, die später von den Lamas gesegnet werden sollen.

Endlich, gegen Mittag, war es soweit. Langsam bewegte sich die Warteschlange in den Kalachakra Tempel hinein. Tausende Mönche saßen in schweigsamer Versenkung.
Die Gläubigen kamen der Holzveranda näher, dort, wo die hohen Lamas versammelt waren, die mit dunklen Stimmen Sutren rezitierten.
Die andachtsvolle Stimmung war gewaltig in ihrer Tiefe.

Als Stella die ersten Stufen hinaufstieg, hatte sie eine innere Vision. Sie sah in die gähnende Leere eines Abgrunds, wo Tempel und Paläste zu Sand zerfielen und von dem Abgrund verschlungen wurden. Sie wusste, es war ein heiliger Augenblick, als sie vor dem Sand Mandala stand. In wenigen Tagen würde es in den Fluss geschüttet.

Die tibetischen Lamas besitzen das Wissen um den Zerfall der Zeit und wissen auch, dass alles vergänglich ist. Sie opfern freiwillig, ohne festzuhalten.

Bunt eingefärbter Sand wird aus der Urne zur Wasseroberfläche rieseln. Windstöße werden ihn in der Luft verteilen, und es beginnt ein Tanz von Myriaden Partikeln, die im Licht der Sonne nochmals aufglänzen, um dann endgültig im Wasser zu versinken...

Noch nie stand Stella die Vergänglichkeit so vor Augen, wie in diesem Augenblick. Sie stand still zwischen Zeit und Ewigkeit... Es bleibt nur Sand... Sternenstaub, der durch das Weltall wirbelt. Ein Sonnensturm fährt hinein, verteilt die glänzenden Partikel willkürlich. Es waren einmal Sterne, die verglüht sind, Sterne, so hell wie tausend Sonnen. Bläulichweiß zuerst, bis sie langsam begannen abzukühlen, hellgelb wurden, wie unsere Sonne, die sich in fünf Milliarden Jahren in einen Roten Riesen verwandeln wird. Es ist der lange Lebensweg eines Sterns, so wie Sirius und die Plejaden ihn erleben bis hin zu Antares, Aldebaran und Arkturus. Der lange Weg eines Sternes, der eines Tages sterben wird. Vor seinem Tod wird er sich noch einmal aufblähen und dann endgültig verglühen. Wird in sich selbst zusammenstürzen und seine äußere Schicht in den Weltraum hinaus schleudern. Jenen Sternenstaub, aus dem wir Menschen geschaffen sind. Der sterbende Stern wird schließlich zu einem weißen Zwerg mit superdichter Materie.

Die Lamas drängten weiter, die Pilger durften nur kurze Zeit vor dem Mandala verweilen.
Weitergehen durch die Jahrtausende, dachte Stella, als sie in der langen Menschenschlange vorbei aus dem Kalachakra Tempel ging. Langsam verblasste die Vision des bedrohlichen Abgrundes, es war, als wäre sie gerade dem Tod begegnet. Nein, nicht jenem kleinen Tod des einzelnen Menschen, vor dem die meisten so erbärmliche Angst haben, nein, es war der große Tod, sein Archetypus, sein Urbild, das sie geschaut hatte.

„Wenn du einmal das Kalachakra Mandala in deinem Leben erblicken durftest“, holte sie Angmo draußen aus ihrer Gedankenwelt zurück“, reicht es aus, um dreitausend Jahre Karma abzugelten. So sagen es die Tibeter.“

Kismet 2005

Volle zwei Wochen war ich damals in Bodh Gaya. Ich meditierte viele Stunden oben im Mahabodhi Tempel und erhielt das Licht vom Buddha. Die grosse Medizin, wie ich es nannte. Dann ging ich eines Morgens mit meiner Kamera zum Mahabodhi See...
 
Mein Geliebter

da stehen wir beide vor dem Kalachakra Sand Mandala und sind noch wie benommen von einem Augenblick, der einen sanften Schimmer von Ewigkeit in sich beinhaltet. Ich freue mich, dir einen Einblick in das für mich so wichtige Ereignis aufzeigen zu dürfen. Angmo ist neben mir, wir sind draussen auf dem Weg. Ich halte eine Schriftrolle in der Hand in tibetisch geschrieben. Noch immer wie benommen, so als käme ich gerade vom Weltraum zurück auf unseren Planeten Erde. Und da höre ich Angmos Stimme: „Wenn du einmal das Kalachakra Mandala in deinem Leben erblicken durftest, reicht es aus, um dreitausend Jahre Karma abzugelten. So sagen es die Tibeter.“

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Dreitausend Jahre! Und nun rolle ich den Film einfach nach vorne, wo ich auf dem Rückflug von Bombay nach Paris bin. Es war morgends um sechs, als das Flugzeug der Air India startete und das Arabische Meer überquerte, in Richtung Iran. Ich war noch müde vom langen Reisetag am Tag davor, von Bodh Gaya nach Pattna und weiter nach Delhi und spätabends endlich im Hotel in Bombay.

Ich war halb wach und da kamen die Visionen...
so klar und deutlich waren die Bilder! Das habe ich dann in meinem Roman als Prolog verarbeitet.
Komme mit mir mein Geliebter, lass uns auf einen der freien Plätze von der Steinbank im Innenhof des Mahabodhi Tempel hinsetzen.
Wir betrachten die vielen Pilger, wie sie immer wieder die Stupa umrunden, um so ihr Karma aufzulösen.
Am ersten Tag, als ich ankam, habe ich das auch getan. Wie ein Narr bin ich auf Socken gerannt und habe alle Pilger überholt, ungeduldig wie ich war. Es sollen sieben Umrundungen sein. Später habe ich es nochmals wiederholt und schritt langsam und wie in Meditation.
Ich habe mein Buch Kismet mitgebracht und beginne mit dem Prolog:


"Acuala kniete im seichten Wasser der Flussmündung, zusammen mit ihrer kleinen Schwester und einer Freundin. In Spanien sind die Tage schon im Frühjahr von großer Hitze geprägt, aber an diesem Morgen wehte eine kühle Brise vom Meer herüber.

Die Mädchen wuschen Wäsche und unterhielten sich vergnügt über die Jungen aus dem Dorf. Sie waren so in ihr Gespräch vertieft, dass sie das Schiff, das da lautlos heran segelte, erst bemerkten, als es zu spät war. Dann ging alles sehr schnell.

Die Mädchen versuchten zu fliehen, wurden aber von den Fremden rasch eingeholt und auf das Schiff gebracht.

Die Seemänner mussten von weit her gekommen sein, ihre Sprache war den jungen Mädchen unbekannt. Was man mit ihnen machen wollte, war klar. Sie wurden gefesselt und vergewaltigt.

Acuala hatte Glück. Jener Mann, der sie für sich ausgesucht hatte, schien auf dem Schiff das Sagen zu haben und wollte sie ganz für sich allein, so war sie vor den anderen Fremden beschützt.

Die Reise ging gen Osten, morgens sah sie die Sonne vor dem Bug des Schiffes aufgehen.

Dann, irgendwann nach Wochen des Elends und der Traurigkeit, erreichten sie den Hafen von Byblos in Phönizien, Land der Zedern und des Purpurs.

Der Fremde brachte Acuala in sein Haus, wo sie bis an ihr Lebensende blieb. Er liebte sie und schenkte ihr Kleider und Schmuck, auserlesene Sachen, die er von seinen Reisen mitbrachte. Acuala gebar ihm eine Anzahl Kinder und arbeitete viel. Immer, wenn sie Zeit hatte, lief sie jedoch zum Meer, saß dort, den Blick regungslos gen Westen gerichtet.

Ihre frühere Heimat sah sie nie wieder. Das war zu jener Zeit, als die Stadt Byblos ihre Hochblüte hatte. Vor dreitausend Jahren."

Diese Vision beschäftigte mich noch, als wir bereits über dem Iran waren. Die Bilder der Flussmündung, ich sah in der Vision die Landkarte von Spanien, es musste sich um die Mündung des Ebros handeln.
Langsam kam die Geschichte zu mir, die Kismet heissen sollte. Aber wie schreiben? Ich hatte ausser ein paar Gedichten und Essays keine Erfahrung. Aber soweit war ich noch gar nicht, ich dachte eher an den Menschen, dem ich ja in Wirklichkeit begegnet bin. Am Bodhi See in Bodh Gaya und ich dachte wiederum an meine letzten Stunden zurück mit Miguel Angelo in Lissabon. Das war der Abschied. Unten der Iran im Schnee, da wollte die Kälte erneut mein Herz umklammern:


Es regnete und war noch dunkel, als Miguel Angelo Stella morgens zum Flughafen fuhr. Stella musste an letzte Nacht denken, wie sie sich geliebt hatten, hemmungslos und verzweifelt. Sie war dankbar für das Schweigen jetzt, das wie bleierne Stille über ihnen lag.

„Ja, damals, vor zwanzig Jahren, kam ich das erste Mal mit Miguel Angelo nach Lissabon. Wir waren erst kurz verheiratet und auf dem Weg nach Brasilien, blieben übers Wochenende in einem Hotel in der Nähe des Tejo.“ Sie sah die Bilder vor sich, wie sie mit der altertümlichen Straßenbahn durch Lissabon fuhren, auch zum Belém Turm, der im flachen Wasser des Tejo steht. „Wir mussten viele Stufen hinaufsteigen. Oben legte Miguel Angelo seinen Arm um mich und erzählte von den Seefahrern, die von diesem Platz aus vor fünfhundert Jahren nach Indien segelten. Ja, ich erinnere mich, als wäre es heute gewesen. Aber heute bringt er mich zum Flughafen und es ist unser Abschied...“

Es regnete stärker, die Fahrbahn stand fast unter Wasser und der Scheibenwischer arbeitete auf der schnellsten Stufe.
„Stella, was ist mit dir, warum bist du so schweigsam?“
„Mit mir ist nichts, ich bin noch müde.“

„Wir hatten den Blick frei über den Fluss, bis weit in die Ferne, er küsste mich und schwor mir ewige Liebe. Ja, wir haben beide daran geglaubt. Jetzt fragt er mich, was ich habe, aber in Wahrheit will er es nicht wissen. Lieben ist wie ein Schmerz, aber Lieben ist vergänglich und dem Zerfall der Zeit ausgesetzt. Doch ein Schmerz ist es wenigstens auch. Nur noch wenige Minuten“, dachte sie, als er den Zubringer zum Flughafen nahm, dann ist es vorbei.

„Über der Fahrbahn tauchten blaue Hinweisschilder auf, Abflug, stand da, klar und deutlich.
Bin ich traurig? Innerlich wie tot fühle ich mich, aber das geht ihn nichts mehr an.“

„Stella, bist du traurig? Vielleicht komme ich zu dir zurück.“
„Ich will nicht darüber reden, denn ich erreiche dich nicht mehr. Das ist unser Abschied, Miguel Angelo. Für immer, du hast es so gewollt.“

Er sagte nichts darauf und sie flüchtete wieder zurück in die Vergangenheit, denn die Gegenwart war so unerträglich, wie das Geräusch des Scheibenwischers. Sie dachte daran, wie sie abends im Chiado waren, oben auf einem der sieben Hügel Lissabons.

„In einem Fadolokal lauschten wir den traurigen Klängen der Gitarren und den Liedern, die vom Leben, vom Tod und von der Liebe erzählten. Schwermütige Poesie...“
„Wir sind bei der Abflughalle, Liebste, ich helfe dir mit dem Koffer.“
„Nicht nötig.“

Sie stieg aus dem Auto, noch eine flüchtige Umarmung, dann entfernte sie sich mit raschen Schritten.

Mein ewiger Geliebter
was ist Ewigkeit? Hat es uns nicht Laotse verraten?
"Das Ewige erkennen heißt Erleuchtet-Sein."

Und wenn ich dich als meinen ewigen Geliebten anrede, so sehe ich in dir die Ewigkeit und sie ist unvergänglich. Es ist das Licht und es sind die Tage die wie Blätter im Wind wehen im Durchgang der Jahrtausende.
 
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Stella träumte in dieser Nacht von den weiten Hochebenen Tibets. Ein einsamer Wanderer ging schnellen Schrittes durch die blau-durchsichtige Landschaft, in Richtung der hohen, schneebedeckten Berge. Darüber ein Himmel in tiefem Kobaltblau. Der Wind wehte über den ausgedörrten Boden. Ich bin allein, sagte sie im Traum, ich bin so allein - und wurde wach.
Kismet 2005
 


Mein Geliebter

heute wollen wir gemeinsam nochmals zum Mahabodhi See gehen und zusehen was passiert. Wir sind Aussenstehende und nicht mehr beteiligt am Kismet, denn das Kismet ist abgelaufen und hat sich zum Guten gewandelt. Aber schaue selbst:


Stella traf den Bodhi See genauso an, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Es war kurz vor zehn.

Das Wasser schimmerte golden in der Morgensonne und Stella dachte, das sind genau die richtigen Lichtverhältnisse, die Fotos werden gut. Zufrieden schritt sie am Ufer entlang, um auf die andere Seite zu kommen, dort, wo sie vorgestern mit Esther gesessen hatte. Als Stella hinter den Büschen hervortrat, bemerkte sie enttäuscht, dass bereits jemand an ihrem Platz saß. Ein Mann, der gerade damit beschäftigt war, eine Mandarine zu schälen.

„Hallo“, rief sie ihm zu, „ich will nicht stören. Ich mache nur einige Fotos und bin gleich wieder weg.“

Amüsiert beobachtete Mahoud die blonde Frau, die halb auf dem Boden liegend die Lotusblumen auf dem See fotografierte. Als sie endlich damit fertig war, kam sie zu ihm.

„Du störst mich überhaupt nicht“, sagte er lächelnd und fragte, ob sie nicht auch eine Mandarine wolle.

Seltsam, dachte Stella, während sie damit beschäftigt war, ihre Kamera zu schließen. Er kommt mir irgendwie bekannt vor.

„Ja, warum nicht, ich esse gern Mandarinen. - Kennen wir uns nicht von irgendwoher?“
„Ich glaube nicht.“
Er reichte ihr die Mandarine, „nimm sie, sie schmecken wirklich süß.“

Stella betrachtete ihn nun eingehender. Er war von der Sonne gebräunt und hatte dunkle Augen, volle Lippen und einen Schnurrbart, der, wie seine Haare, bereits einen leichten Grauschimmer hatte. Er muss älter als ich sein, überlegte sie.

„Danke.“ Sie nahm die Mandarine, „ich heiße Stella.“
„Ich Mahoud, von wo kommst du?“
„Aus Portugal.“
„Portugal.? Bist du Portugiesin?“
„Nein, Deutsche, aber ich lebe seit vielen Jahren dort und du?“
„Ich komme aus dem Libanon. Willst du dich nicht setzen?“

Sie hockte sich auf den Boden und nahm als Unterlage ihren Wollschal. Dann setzte sie sich so, dass sie ihn ansehen konnte und gleichzeitig das Wasser im Blickfeld hatte.

„Bist du Araber?“, fragte sie neugierig.
„Ja“, er nickte und Stella meinte, einen trotzigen Funken in seinen Augen gesehen zu haben, ganz kurz nur.

„Wie kamst du nach Portugal?“, wollte er wissen.
„Ich war mit einem Brasilianer verheiratet.“
„Du warst?“ Er hob fragend die Brauen.

Stella biss sich auf die Unterlippe, dachte ärgerlich, warum habe ich ihm das bloß erzählt.

„Ja, ich war. Wir waren zweiundzwanzig Jahre verheiratet und haben uns erst vor kurzem getrennt. Darum kam ich nach Bodh Gaya, ich brauchte Hilfe vom Buddha.“

„Und?“, er lächelte, „hat Buddha geholfen?“
„Ich glaube schon. Ich bekam von ihm, um was ich bat.“

Sie sah ihn nachdenklich an, meinte dann, in den letzten Tagen sei so viel geschehen.

Was hat diese Frau für Augen, dachte Mahoud. Graugrüne Augen, die ihn auf seltsame Weise verwirrten.
„Wie schön für dich, - bist du Buddhistin?“
„Nein!“
„Ich bin auch kein Buddhist, Stella. Als meine Frau vor sieben Jahren bei einem Verkehrsunfall starb, hatte ich eine schwere Zeit. Da nahm mich ein Freund mit in ein tibetisches Kloster, wo ich zwei Monate meditierte.“
„Und dein Freund ist Buddhist?“
Mahoud nickte und erzählte, er habe ihn hier getroffen und sie hätten zusammen in London studiert, er sei Ingenieur, so wie er selbst.
„Du bist Ingenieur?"
„Ja, ich arbeite in Saudi Arabien bei den Erdölförderanlagen.“
„Wie aufregend, ich hatte mal einen Stop auf Bahrain.“
„Und?“, wollte er wissen, „hat es dir dort gefallen?“

„Ich konnte leider nicht viel sehen. Es war mitten in der Nacht und wir hatten nur eine Stunde Aufenthalt, aber ich fand, was ich suchte. Am Ende eines langen Korridors, versteckt hinter den ganzen Auslagen von Cartier und & Co: Bingo! Archäologische Funde der legendären Insel Dilmun.“

Er reichte ihr wortlos eine weitere Mandarine.

„Ich stand da und schaute auf siebentausend Jahre Geschichte zurück,“ fuhr sie fort, während sie die Mandarine schälte. „Und das um zwei Uhr nachts in unmittelbarer Nachbarschaft zu unserem heutigen wertlosen Tand. Es war eine unwirkliche Situation.“

Oh Allah, dachte er, was für eine Begegnung.

Er erzählte ihr, er arbeite in Dharan. Das sei nicht weit von Bahrain, er kenne die Ausgrabungsstätten dort, da er beruflich oft auf die Insel fahre.

„Sicherlich ist es auf Bahrain sehr heiß?“
„Im Sommer schon“, stimmte er zu, „aber im Winter ist es erträglich. Es war übrigens eine dänische Expedition, welche diese sensationellen Funde Anfang der siebziger Jahre machte.“
„Du kennst dich gut aus, Mahoud.“
„Nein, nein“, wehrte er ab, „nur ein wenig.“

„Erzähle mir über Saudi Arabien“, bat sie, „ich habe bisher noch nie mit einem Araber gesprochen.“

Sie schenkte ihm wieder einen dieser verwirrenden Blicke.

„Ich finde unser Gespräch richtig aufregend, Mahoud.“

„Betrachte mich bitte nicht wie ein seltenes Tier im Zoo“, meinte er lachend. „Glaube mir, Stella, wir sind ein stolzes Volk, das in den letzten Jahrzehnten zu unvorstellbarem Reichtum gelangt ist. Dharan ist die Erdölmetropole von Saudi Arabien, ein extrem fremdenfeindliches Land und verschlossen gegenüber allen Globalisierungsbemühungen der Amerikaner. Selbstverständlich muss das Erdöl-Geld ausgegeben werden und so erweckt vieles bei uns den Eindruck enormen Fortschrittes.“

Sie hörte ihm zu, wie er mit lebhaften Gesten supermoderne Millionenstädte wie Riad, Dharan oder Jiddha beschrieb. Mahoud entführte sie in unendliche Wüsten mit hohen Sanddünen und vor ihrem inneren Auge tauchten Karawanen auf, beladen mit Weihrauch. Unterwegs auf ihrer langen Reise vom Yemen bis nach Syrien. Sie sah morgenländische Paläste und das Asir Gebirge, wild und zerklüftet, mit Nadelwäldern. Gen Westen fallen die Berge sanfter ab, erzählte er, und an den Abhängen reichte der Blick bis zum Roten Meer. Zusammen mit seinem Bruder besäße er dort ein Haus. Wenn er Zeit hat, fliege er hin.

Mahoud lächelte sie an und meinte, er würde ihr gerne einmal seine zweite Heimat zeigen, wo er seit mehr als fünfundzwanzig Jahren lebte.

Ist das ein neuer Gang im Mandala des Lebens, fragte Stella sich, erstaunt über die unerwartete Wende. Sie dachte, seltsam, dieser Mann beginnt mich immer mehr zu interessieren. Obwohl ich ihm eben erst begegnet bin, habe ich das Gefühl, als kenne ich ihn schon lange.

„Glaubst du an Schicksal, Stella?“
„Ich dachte gerade daran, und du?“
„Bei uns heißt es Kismet, es steht alles geschrieben.“

Er fragte sich, ob es das war, was er in Bodh Gaya gesucht habe.

„Hast du Kinder?“, wollte er wissen.
„Ja, zwei erwachsene Töchter, sie leben in Deutschland und einen Sohn, er macht dieses Jahr sein Abitur.“
„Ich habe auch drei Kinder. Was machen deine Töchter in Deutschland?“

„Christina ist verheiratet, sie flog vier Jahre bei der Lufthansa als Stewardess und will jetzt Geschichte studieren. Anna-Maria, die mittlere, studiert Germanistik.“

„Und dein Sohn?“

„Marco wird Design studieren. Jetzt aber musst du von deinen Kindern erzählen.“
„Also gut, fangen wir an...“

Während Mahoud erzählte, fragte Stella sich, ob das die Wirklichkeit sei, denn sie waren sich vertraut wie alte Freunde. Später, als sie auf die Uhr schaute, hatte sie das Gefühl, dass die Zeit nur so dahin geflogen war. Halb eins. Sie stand auf.

„Leider muss ich gehen, Mahoud, bin mit einer Freundin verabredet und möchte sie nicht warten lassen.“

„Ich begleite dich bis zum Ausgang.“

Während sie am Seeufer entlang gingen, glaubte Mahoud, sein Leben habe gerade erst begonnen.

„Wann sehen wir uns wieder?“, fragte er beim Abschied.
 
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Hier sind wir, geliebter Freund. Mitten im Trubel von Bodh Gaya und beobachten Stella und Mahoud, die sich ineinander verlieben werden. Es ist ein Vollmond am Abendhimmel, die Strassenlaternen gehen an und laut erklingt tibetische Musik aus allen möglichen Lautsprechern. Sie sitzen auf der Terrasse eines Strassencafes und betrachten den Trubel ringsherum.
Als sich beide aufmachen ein tibetisches Restaurant aufzusuchen, lächelt der Mond auf sie herab, in dem Wissen darüber was sich alles in den kommenden Wochen zutragen wird. Aber davon wissen Stella und Mahoud nichts. Weder, dass der Mond das alles weiss, noch darüber, was sie selbst nicht zu wissen scheinen. Ich sage es dir, mein Geliebter, es scheint nur so, denn im Grunde wissen sie alles schon. Bauchgefühl?

Das Kailash Restaurant ist, wie alle anderen Restaurants auch, aus Zeltplanen gebaut. Wie sonst sollte Bodh Gaya so viele Pilger verköstigen?
Es herrscht Hochbetrieb, aber Stella und Mahoud wird ein Platz an einem der langen Holztische zugewiesen.


„Was trinken wir?“, fragte Mahoud.
„Coca-Cola.“
„Gut, ich trinke auch Coca-Cola.“ Er bestellte dazu klare Nudelsuppe mit Gemüsen, tibetische Frühlingsrolle, Pfannkuchen und als Hauptgericht ein vegetarisches Chow-Men.

Als der Kellner die Colaflaschen auf den Tisch stellte, kam plötzlich ein Gewitter mit wolkenbruchartigem Regen auf. Er prasselte so laut auf das Zeltdach, dass es sich anhörte, als fließe ein reißender Gebirgsbach draußen vorbei.

„Nicht dass der Wind noch das Zeltdach davon weht“, sagte Stella lachend.

Der Regen hatte noch nicht nachgelassen und der Service war heute besonders langsam. Aber das nahmen Stella und Mahoud kaum wahr und unterhielten sich angeregt. Sie waren ganz in ihre Gespräche vertieft und glaubten, auf einer Insel zu sein, wo nur noch sie existierten.

Die Nudelsuppe wurde serviert und sie bestellten noch einmal Coca-Cola.
„Du trinkst gerne Coca-Cola?“, er verzog ein wenig spöttisch das Gesicht.
„Richtig! Ich mag das amerikanische Globalisierungsgetränk.“

Nun lief „I’m walking away“ von Greg David. Da meinte sie: „Oh wie liebe ich dieses Lied, denn auch ich bin gegangen, gegangen in die Himalajas.“
„In die Himalajas?“, fragte Mahoud erstaunt.
„Ja, in meinem Traum. Ich war ein einsamer Wanderer auf den Hochebenen Tibets.“
„Ein seltsamer Traum.“
„Ja, das war ein seltsamer Traum. Aber jetzt musst du mehr über dich erzählen.“
„Was soll ich erzählen?“
„Etwas, wovon du glaubst, es sei wichtig, dass ich es erfahre.“

Die Pfannkuchen kamen. Sie zeigte ihm, dass man die Butter darauf verlaufen lassen musste. „So machten es die Tibeter.“
Dann meinte sie kauend, dies seien die besten Pfannkuchen, die sie jemals gegessen hätte.

„Ich backe auch gute Pfannkuchen“, entgegnete er strahlend.
„Du kannst kochen?“ Sie sah ihn ungläubig an.
„Ja, aber mehr aus Vergnügen.“
„Ich dachte, Araber seien extreme Machos“, sagte sie verwundert.
„Ursprünglich komme ich aus dem Libanon. Dort habe ich meine Jugend verbracht. Der Libanon war schon immer ein modernes, aufgeschlossenes Land und von der französischen Kultur stark geprägt.“
„Oh, womöglich kannst du besser kochen als ich.“
„Nein, das glaube ich kaum, ich koche nur zum Vergnügen.“
„Das macht auch am meisten Spaß.“
„Ja, um aber auf deine vorherige Bitte zurückzukommen, möchte ich sagen, dass mein Glaube an Allah das Wichtigste in meinem Leben ist. Ich bin kein Fanatiker, aber ich bete fünfmal am Tag zu ihm, wie es unser Prophet Mohamed vorgeschrieben hat.“

Stella war leicht befremdet, wollte sich aber nichts davon etwas anmerken lassen und schwieg.

„Ich achte andere Religionen genauso“, hörte sie ihn sagen.
„Was hältst du denn vom Buddhismus?“
„Ich interessiere mich für Mahayana Philosophie, den Weg der Mitte, wo man Extreme meidet.“
„Ich glaube, Mahoud, dass wir auf dieser Welt sind, um Dinge zu erfahren. Und nicht, um sie zu vermeiden. Bewusst ohne Angst in eine Erfahrung herein gehen, meinte ich.“
Wieder verwirrte ihn ihr Blick.

Die Frühlingsrolle wurde gebracht und reichte für mindestens fünf Personen.
„Die ist ja riesig!“, sagte Mahoud überrascht.

Er fragte sich, wie stark Stella wirklich in ihren Gefühlen sei. Wie mag sie sein, wenn er mit ihr im Bett...

„Ich habe etwas gegen Fundamentalismus, im Gegensatz zu intensiven Gefühlen“, holte sie ihn aus seinen Luftschlössern zurück.

Er sah sie an, konnte sich dem Blick ihrer Augen nicht mehr entziehen. Die Insel, auf der beide sich befanden, bekam eine durchsichtige Hülle, wie bei einer Seifenblase, in deren Innerem sie waren. Langsam und unmerklich begann die Hülle sich zu verdichten. Sie wurden zu Gefangenen ihrer Augen, deren Blicke sich mehr und mehr vertieften. Sie hatten begonnen, die Tore ihrer Seele füreinander zu öffnen und der ewige Tanz der Liebe fing an, in einem für sie neu geschaffenen Universum. Worüber sie sich unterhielten, war belanglos. Da gab es andere, wichtigere Vorgänge, die in ihnen abliefen. Wie bei einem Big Bang jagten Botenstoffe und Hormone in ihre Körper. Mit der gleichen Geschwindigkeit, mit der Lichtphotonen durch das Weltall rasen.

Als der Kellner das Chow-Men brachte, hatten sie eigentlich keinen Hunger mehr, sie aßen dennoch weiter, redeten weiter und lachten auffallend viel.

Der Regen hatte irgendwann nachgelassen. Da sagte Stella, sie müsse am nächsten Tag früh aufstehen, die Initiation mit dem Dalai Lama beginne um sieben Uhr. Mahoud war auch müde, und da der Regen nun endgültig aufgehört hatte, brachen sie auf. Die lehmige Strasse war sehr rutschig, so schlitterten sie langsam voran. Er nahm ihre Hand. Da fühlte sie den Stromstoß und dachte, ich bin verliebt.

Bei den Fahrradrikschas verabschiedeten sie sich und vereinbarten ein Treffen für nächsten Tag.

„Bis morgen, Stella.“
„Bis morgen.“
Sie winkte ihm noch einmal aus der Rikscha zu.

Kismet 2005

Geliebter Freund, siehst du wie schnell das ging? War da etwa auch der Vollmond mitbeteiligt? Das Kismet wartete nur darauf sich schnellstens zu entfalten. Wird da etwa das selbe Spiel wie vor dreitausend Jahren, in einer etwas anderen Variante wiederholt?


Mahoud besuchte an diesem Sonntagabend noch eines der Internet Cafes und schickte seinem Bruder Mohamed eine E-Mail. Sicherlich erreiche ich ihn gleich, überlegte er. In Dubai ist es zweieinhalb Stunden früher.

Mohamed, sein Bruder, war ihm schon immer schon besonders nahe gestanden. Aber auch seine Familie hielt in wichtigen Dingen stets zusammen. Mohamed war sein älterer Bruder und das, was er ihn fragen wollte, war wichtig genug und die Antwort aus Dubai kam schnell:

"Lieber Mahoud, Allah sei gepriesen, dass es dir gut geht und du glücklich bist. Du bekommst die Visas bei meinem Freund Mohamed Ahziz am Flughafen von Bahrain. Fliege somit über Bahrain ein. Ich freue mich auf deinen Besuch und bin gespannt auf deine Stella. Insha Allah. Dein Bruder Mohamed.

Mahoud klickte sich zufrieden bei Gulf Air ein. Es gab einen Flug am Mittwoch um 5h50 von Delhi, Ankunft Bahrain 7h morgens. Er reservierte zwei Plätze, sowie den Anschlussflug von Patna nach Delhi. Dann gab er die Nummer seiner Kreditkarte an.

Ich habe einen Tag Zeit, dachte er auf dem Weg zum Hotel. Einen Tag, um Stella zu bewegen, meine Einladung anzunehmen.
 
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Stella saß mit Mahoud am Mahabodhi See. In der Ferne hörte man die Stimmen der Menschen, die wie fernes Raunen zu ihnen herüber drangen. Er hatte ihre Hand genommen und sie ließ es geschehen, beide schwiegen. Nach einiger Zeit begann er:

„Stella, ich muss dir etwas Wichtiges sagen. Ich habe Miriam immer geliebt und lange Zeit um sie getrauert. Nun bin ich dir begegnet.“ Er seufzte und meinte dann: „Du bist anders als sie, aber ich habe mich in dich verliebt.“

„Mahoud“, sagte sie leise.

„Ich habe alles genau überdacht. Du brauchst nichts zu sagen, aber ich glaube, dass du das Gleiche für mich empfindest. Ich sah es gestern Abend in deinen Augen.“

Er schaute sie fragend an.

„Ich habe drei Wochen Urlaub und wollte dich einladen, mit mir zu kommen. Wir könnten die Emirate besuchen, die Wüste des Oman und nach Saudi Arabien reisen.“

„In die Wüste des Oman“, wiederholte sie leise, fast unhörbar.

Mahoud glaubte in ihren Augen ein Hoffnung bringendes Leuchten zu sehen, aber plötzlich entzog sie ihm die Hand und sprang auf.

„Das ist das Verrückteste, was mir je widerfahren ist, Mahoud! Was habe ich für Sicherheiten und wie kann ich dir vertrauen?“

Ihre Gedanken jagten fieberhaft.

„Stella, bitte setz dich zu mir“, bat er. „Ich gebe dir mein Ehrenwort, dass du jederzeit nach Hause kannst. Bei uns im Orient ist das Gastrecht heilig.“

Stella setzte sich und gab zu bedenken, dass sie sich erst vierundzwanzig Stunden kennen würden.

„Ich will dich einfach nicht wieder verlieren. Unsere Begegnung ist Kismet.“
„Gut, ich bin dein Gast und komme in Freiheit. Und ich gehe in Freiheit? Das versprichst du mir?“
„Ja, Stella“, er lächelte. „Insha Allah.“

Das ist verrückt, dachte sie, aber für Verrücktes war ich immer schon zu haben.

„Also, ich vertraue dir und deinem Kismet. Es steht alles geschrieben, nicht wahr?“
„Es steht alles geschrieben, Stella.“ Er nickte. „Insha Allah.“
„Werden wir auf dem Kamel reiten?“, fragte sie belustigt.
„Das wäre zu aufwendig und ist nicht mehr zeitgemäß. Ich habe einen Landrover mit Klimaanlage.“

Schon wieder ein Sturm in meinem Herzen, fragte sie sich bange.

„Wir werden eine schöne Reise machen“, hörte sie ihn wie aus weiter Ferne sagen. „Ich muss mich jetzt um die Buchungen kümmern. Kommst du mit?“

„Ich komme mit dir, Mahoud, du kannst die Reise buchen. Aber ich gehe jetzt noch zu meinem Lama.“

„Dann brauche ich aber deinen vollständigen Namen.“
„Stella Maria Andreatti. Und wie heißt du?”
„Mahoud Kamal Habbas.“

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