Heimatlosigkeit
erlente ich bereits in fruehen Jahren und es hat mir das Freiheitsgefuehl gebracht, dass ich sehr wertschaetze
den Sinn fuer das Abenteuer und die Kraft, Traeume wahr werden zu lassen.
Wieder einmal eine Wintersonnenwende und hier ein Erlebnis ueber meine Jugend, als ich vierzehn Jahre alt war und in Brasilien lebte, in Sao Vicente bei Santos:
Dann aber reiste meine Mutter nach Nordamerika und besuchte dort meine ältere Schwester. Von Amerika schrieb sie, wir sollten kommen. Und da mein Vater immer wieder verlauten liess, er wolle in Brasilien nicht begraben werden, klapperte ich als Vierzehnjährige sämtliche Schiffsagenturen in Santos ab, auf der Suche nach günstigen Schiffreisen in die USA. Ich las Namen wie: New Orleans, Philadelphia, New York, Boston, Chicago, und träumte von Amerika. Mein Vater arbeitete damals in einer Firma in São Paulo, er hatte keine Zeit und kehrte abends spät nach Hause. Dann berichtete ich ihm über Auslaufdaten und Preise. Zwei oder drei Monate waren inzwischen vergangen, und mein Vater meinte: Wenn wir nach USA auswandern können, dann lass uns doch gleich nach Europa zurückkehren. Er sah mich an. Also, wo wollen wir hin? Nach den USA oder Europa?
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Ich liess mir diese Frage meines Vaters, diese so wichtige Frage, die Kardinalfrage, die immerhin die Weichen für mein weiteres Leben stellen würde, erst mal einige Minuten durch den Kopf gehen. Nach Deutschland!, sagte ich daraufhin entschlossen
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Und so besorgte ich uns die Schiffspassagen vom Brasilianischen Lloyd, brachte dem Direktor ein Bild mit, mein Vater bat mich es ihm zu überbringen. Es war eines seiner wunderschönen Aquarellbilder, mit einem Holzrahmen versehen und hiess die "Hohe Tatra". Ich sehe mich noch heute mit dem grossen Bild unterm Arm in den Raum kommen, wie die Angestellten mich ein wenig neugierig ansahen, ja es war unglaublich, was ich damals alles so erledigte.
Wir bekamen die Passagen besonders günstig. Alle hatten sie ein Herz für das kleine blonde Mädchen, egal wo. Ob am Markt, wo ich alles zur Hälfte des Preises herunterhandelte, oder beim Brasilianischen Lloyd, wo ich mich ernsthaft nach Schiffsverbindungen mit Frachtern, erst nach den USA, und dann nach Europa erkundigte.
Mein Vater erschien ganz zum Schluss im Büro des Senhor Dinarte, um die Passagen zu bezahlen und sie waren, wie mein Vater sagte, zu einem so guten Preis, wie er es sich nicht erträumt hatte.
Aber auch einen günstigen Transport für unsere Sachen besorgte ich durch eine Gesellschaft, welche Waren verschiffte. Ich hatte diese Agentur irgendwann kennen gelernt und die Männer freuten sich immer, wenn ich ab und zu dort am Nachmittag vorbeischaute und mit ihnen ein wenig plauderte.
Ich lackierte einige unserer Möbel und färbte die Sitzpolster der Sessel mit Hilfe einer Insektizidspritze und dunkelblauer Stoffarbe ein, aber wehe, man setzte sich drauf. Eine belgische Familie übernahm unser Haus mit Möbeln und jenen Sachen, die wir nicht mitnehmen konnten. Wir packten viel ein, so auch die Weltgeschichte in zwölf Bänden, die nun erneut den Atlantik überqueren sollte, einiges an Geschirr und Wäsche.
So endete die Zeit für uns in Brasilien und ich feierte meinen vierzehnten Geburtstag an Bord des Schiffes, sogar eine Torte hatte der Küchenchef für mich gebacken. Unser Schiff war die Tidecrest, ein englischer Bananedampfer. Das Schiff war weiss angestrichen und es gab sogar ein winziges Schwimmbecken. Wir speisten mit dem Kapitän und dem Chefingenieur am Tisch sehr vornehm. Einmal fielen mir die Erbsen von der Gabel und kullerten auf den Fussboden, aber alle taten so, als wenn sie nichts sehen und unterhielten sich normal weiter. Ich fragte dann leise meinen Vater, was ich machen solle das war mir so peinlich
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Während der Reise wurde es von Tag zu Tag kälter, kurz bevor wir in die Irische See kamen war der 21 Dezember und mein Vater sprach von der längsten Nacht, daran erinnere ich mich noch genau. Das Wasser der Irischen See war von einem wunderschönen Flaschengrün. Am 23 Dezember liefen wir in Liverpool ein. Alles lag in dichtem Nebel und die Kälte war ein Schlag, ich besass keine richtigen Wintersachen und nur sehr leichte Schuhe. Es war jenes Jahr 1962, wo eine Kältewelle, Europa heimsuchte. Zwanzig Grad Minus. Die Heizung im Zug, der uns am nächsten Tag nach London bringen sollte, war zugefroren. In London einige Stunden Aufenthalt, dann nach Doover und von dort mit der Fähre nach Dünkirchen. So verbrachten wir Heilig Abend auf dem Englischen Kanal unter lauter fröhlich singenden Betrunkenen, die aber nach und nach verschwanden, denn es war Windstärke Acht und alle wurden seekrank. Nur mein Vater und ich nicht, wir kamen ja gerade von der rauen See.
Frühmorgens in Dünkirchen in den Zug nach Basel. Es folgte ein langer Tag auf Reisen, über Lille, Metz, Strasbourg, Colmar, Mühlhausen, bis Basel. Abends von Basel mit einem weiteren Zug nach Dornach, dann ein Taxi hinauf zum Goetheanum Hügel. Dort wartete meine Mutter in einer winzigen Wohnung mit geschmücktem Weihnachtsbaum, brennenden Kerzen und einem Brathähnchen und Knödeln als Essen und vielen Geschenken, warme Kleidung für uns, die sie aus Amerika mitbrachte und der Tisch war gedeckt und ich fiel meiner Mutter endlich in die Arme.
Brasilien war tausende Kilometer weit in die Ferne gerückt. Brasilien, wo ich vier Jahre lebte. Brasil, ame o, ou deixe o! So lautet ein Spruch. Brasilien, liebe es, oder lasse es. Das Land mit seiner unbändigen Kraft, eine Kraft, die ich nicht mehr in meinem Inneren auszulöschen vermochte. Später, bereits als erwachsene Frau kehrte ich dorthin zurück, an der Seite meines Ehemannes und unserer kleinen Tochter, damals gerade zwei Monate alt. Zusammen verbrachten wir dort sieben Jahre.
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