Da divergieren unsere Ansichten zum Thema. Bedenke, dass heute jede 2. Ehe geschieden wird. Wieso ist dies der Fall, wenn der eheliche Kampfgeist und das Engagement angeblich so dermaßen dominieren?
Warum das der Fall ist? Ich nehme mal stark an weil heute die Möglichkeit besteht es zu tun. Es gibt so viele Gründe warum Ehen scheitern. Zum Beispiel weil die Partner viel zu früh und/oder zu blauäugig geheiratet haben um dann später festzustellen, dass sie eigentlich nicht viel gemeinsam haben. Zum Beispiel weil sich erst im späteren Verlauf der Ehe zeigt wie die Eheleute in starken Konfliktsituationen reagieren und sie auf dieser Ebene nicht miteinander klarkommen. Kinder können das Bindungsgefüge so verändern, dass sich ein Ehepartner zu sehr vernachlässigt fühlt und aus der Beziehung ausbricht. Oder die Erwartungen an das Leben generell erfüllen sich nicht und führen zu Frustrationen. Und und und...... Vielleicht verliert mit der Zeit auch das angestrebte Bild der ewigen Liebe seinen Glorienschein, einfach weil irgendwann mal der Lack ab ist.
Trotz allem bin ich davon überzeugt, dass die meisten Ehepartner versuchen ihre Beziehung zu retten bevor sie die Scheidung einreichen. Aber das klappt ja leider auch nur, wenn beide Partner ehrlich mitziehen. Wenn zum Beispiel immer nur einer zurücksteckt und der andere weitermacht wie bisher wird es nicht klappen. Und auch eine Paartherapie kann zur Waffe werden, wenn der eine Partner weiss, wie er es rhetorisch und emotional anstellen muss.
Von daher ist die Möglichkeit der Trennung absolut legitim. Wenn ich ehrlich bin würde es mich auch nicht verwundern, wenn die Scheidungsquote noch deutlich höher wäre, denn ich beobachte in meiner Umgebung schon lange viele (ältere) Paare, die für mein Empfinden emotional eigentlich nichts verbindet bzw. bei denen ich den Eindruck habe, dass sie nur noch zusammenleben weil das eben schon lange so ist.
Viele Leute erklären sich ja nicht einmal bereit, eine unloyales Verhalten zu vergeben, selbst wenn eine authentische Reue samt aufrichtiger Veränderungsbereitschaft folgt.
Da könnte das Problem schon darin liegen, dass die ehelich Treue in einen derartigen Nimbus gehoben wird, dass ein Ausscheren daraus als absolut unverzeihliches und eben unloyales Verhalten (auch emotional) stigmatisiert ist und dann auch so empfunden wird. Wenn man in der Gedankenspirale erstmal ernsthaft verhaftet ist, dann ist es absolut logisch, dass dieser absolute Verrat an der Partnerschaft so unverzeihlich ist.
Da nützt dann auch authentische Reue und das Versprechen sich zu ändern wenig, außer der Partner hat ein wirklich großes und nachsichtiges Herz. Wobei natürlich auch "authentische Reue" und Versprechungen einfach nur Lippenbekenntnisse sein können.
Viele wagen es nicht, die unbewussten Sphären ihrer Psyche zu erkunden. Sie fürchten das ins Unbewusste dissoziierte Konfliktmaterial, die im Verborgenen liegenden Traumata, die schuldbeladenen Bindungsmechanismen und die Konfrontation mit Negativem im Allgemeinen.
Und womit scheut Mensch die ins Unbewusste dissoziierten Konflikte und Traumata? Mit Recht. Sonst wären sie nicht dissoziiert worden. Da ranzugehen erfordert eine Menge Energie, Zeit, Willen und Kraft, genauso wie die Fähigkeit sich selbst zu reflektieren und völlig in Frage zu stellen. Dass das nicht jeder schafft oder in Angriff nehmen will finde ich wirklich verständlich.
Wobei mich hier die Formulierung der "schuldbeladenen Bindungsmechanismen" etwas irritiert. Bindungsmechanismen sind doch erstmal nur Bindungsmechanismen, aus welchem Grund auch immer sie zustande kommen bzw. aufrecht erhalten werden. Das Schuldbewusstsein da so in den Vordergrund zu rücken ist doch ein wenig einseitig, es gibt noch genug andere Gründe.