Das Lied, das man nicht hört
Ein Bürgermeisteranwärter rappt. Nicht über Mieten, Müll oder Menschenrechte, sondern über „Freiheit für Gaza“, über „Widerstand“, ein Codewort, das sich an der Grenze zur Bombe wärmt. Ein Mann, demokratisch gewählt, das Kreuz der Wähler als Scheitel auf der Stirn, singt ein Lied, das eine andere Sprache spricht als seine Pressekonferenz. Ist es ein Missverständnis? Oder eine Absicht, die sich unter dem Takt versteckt?
Die Juden, so heißt es, sollen keine Angst haben. Das sagen sie immer, bevor sie sich ducken müssen. Wieder. In New York, dieser Metropole der Zuflucht, klopft es nicht mehr nur von innen an die Tür, sondern auch von außen. Juden, das heißt: Körper mit Geschichte, die plötzlich wieder Bedeutung bekommen. Die Geschichte, die nie vergeht, sie bricht sich Bahn, ganz real, nicht als Metapher.
Angst vor Pogromen? Der Gedanke sei übertrieben, sagen die Klugen. Die, die schon viele Texte geschrieben haben über das Judentum, aber nie mit Juden gesprochen. Angst ist nicht übertrieben. Angst ist eine Erinnerung, die den Körper nie verlassen hat.
Hamas? Eine Terrororganisation, sagen die Staaten. Ein Befreiungsbegriff, sagen die, die lieber tanzen als denken. Der Bürgermeister hat getanzt. Jetzt soll er regieren.
Die Frage ist nicht, ob er es darf. Sondern, was es bedeutet, wenn Worte wie „Widerstand“ nicht mehr zwischen Mord und Befreiung unterscheiden. Und was es heißt, wenn Juden sich wieder fragen müssen, ob es sicher ist, gesehen zu werden.
Die Geschichte hat keinen Takt. Aber sie kennt den Refrain.