Original geschrieben von Walter
Ich weiss nicht wozu ich einen Freund brauche wenn ich ihm nicht vertrauen kann.
Warum? Gerade Esoterik ist doch mittlerweile fast ein Thema für die Massen? Zumindest unter Frauen...
Zwar etwas spät, aber dazu kann ich eine Erklärung abgeben. WARUM das so ist, bzw. weshalb man etwas
vorsichtig sein sollte, ehe man sich als Esoteriker... ahem, na ja, "outet".
Vor vielen Jahren besuchte ich einmal ein Gesprächstreffen eines esoterischen Freundeskreises in meiner Heimatstadt. Mit von der Partie: Dieter Wiegorski, Chefredakteur der Zeitung "Das Neue Zeitalter". Also nicht nur Teenies, die 'n bißchen Hexe spielen wollen, sondern durchaus das, was man als "ernsthaft Suchende" beschreiben könnte.
An der Tür öffnete mir eine schwarzgewandete Dame mit einem gewaltigen, handtellergroßen Strasskreuz um den Hals - die Gastgeberin des heutigen Abends. Sie bat mich in einen kleinen, engen Raum, in dem schon einige Leute versammelt waren. Etwa zwanzig Stühle standen im Halbkreis um eine Fernseh- und Videokombination herum gruppiert. Ich nahm mir einen Stuhl und harrte der Dinge, die da kommen sollten.
Zunächst einmal geschah herzlichst wenig, nämlich gar nichts. Rings um mich her wurde leise gesprochen, auf dem Videoschirm lief ein Sonnenauf- oder -untergang mit New Age Musikuntermalung. Ich hatte Schmacht auf eine Zigarette, doch da niemand rauchte, ließ ich jede dahin gehende Frage sein. Plötzlich grapschte ein Mann, der auf dem übernächsten Stuhl rechts von mir saß, nach meiner Hand (fleischige, schweißfeuchte Angelegenheit), blickte mir tief in die Pupille und erklärte mir dann, dass in mir starke Kräfte wohnen und dass mich die Jenseitigen zu 98% als positiv einstufen. Ich lächelte etwas verkrampft, bedankte mich artig für das Kompliment und sah zu, dass ich meine Hand zurückbekam.
Als nach 20 Minuten immer noch nichts geschen war (die Sonne auf dem Videoschirm ging IMMER NOCH auf bzw. unter) meinte eine Dame plötzlich, es sei sehr warm in diesem Raum. Kein Wunder, es befanden sich zwanzig Leute in einem Raum, der knapp größer als eine Besenkammer und fensterlos war (durch eine Falttür von einem größeren Raum, vermutlich dem Wohnzimmer, abgetrennt). Worauf unsere Gastgeberin strahlend meinte: "Ja, nicht wahr? Dabei ist nicht einmal die Heizung eingeschaltet. Es ist die Christusenergie, die diese Wärme verursacht..."
Von Christus hatte ich nun schon einiges gehört. Aber als Bioalternative zu teurem Gas oder Strom...? - Naja.
Ein links neben mir sitzender, etwas korpulenter Herr lächelte mir zu. Ich lächelte zurück. Daraufhin griff er in die Tasche und drückte mir drei Halbedelsteine in die Hand. Ob mir etwas daran auffiele...? Ich beäugte die Steinchen so gut als möglich und erklärte schließlich, es täte mir leid, aber ich könne nichts Auffälliges erkennen. Darauf fragte er, ob mir die Wärme nicht aufgefallen sei? Steine seien normalerweise kalt, diese hier aber seien getränkt von seiner Energie und deshalb so warm....
Da nahm ich mein Handtäschchen, entschuldigte mich hastig, verließ fluchtartig die Wohnung, gönnte mir - unten angekommen - ENDLICH die langersehnte Zigarette... und frage mich bis heute, wie zum Geier ich DA hineingeraten konnte.
Deshalb die Vorsicht. Denn gerade unter esoterisch Interessierten finden sich viele, die ihr Leben in eine Art Rollenspiel verwandelt und komplett den Bezug zur Realität verloren haben. Für die jeder kühle Luftzug Hinweis auf eine spirituelle Entität, jedes Problem prämenstrueller Stimmungsschwankungen eine Beeinflussung durch "niedere" Geistwesen, jede gute Idee eine Eingebung von oben, jede folgerichtige Schlussfolgerung eine "gechannelte Eingebung" und was weiß ich nicht noch ist.
Und wer möchte schon mit solchen Zeitgenossen, welche mit glasig-glückseeligem Blick, mit der Hand wie ein Jedi-Ritter herumfuchtelnd und etwas von der "lebendigen Macht, die überall um uns ist" faselnd, über denselben Kamm geschoren werden?
Vielleicht erscheint die Aussage Geboldars vor diesem Hintergrund ein wenig klarer.
So long
sanhei