Sehr interessant, vielen Dank für Deine Ausführungen. Ich erlaube mir, hier die gnostische "Version" des Sophia-Mythos in stark gekürzter Form wiederzugeben. Also, es war einmal ...
Der gnostische Mythos der göttlichen Sophia
Im gnostischen Mythos lebt
Sophia (σoφία), die weibliche Personifikation der Weisheit, glücklich mit Lichtwesen –insbesondere mit ihrem Paargenossen – im unbegrenzten Glanz des
Vaters, der aus der Verbindung von Tiefe und Stille das
Pleroma, das Glanz- und Lichtmeer, Sitz der unerschöpflichen Urquelle, aus der alles Gute ausströmt, hervorgebracht hat.
Ihr ist so schwindelig vor der nicht enden wollenden Liebe zur kreativen Urquelle, dass sie, als sie weit unten ein glänzendes Licht erblickt, in die Dunkelheit stürzt und irrtümlich dem folgt, was sie für den Glanz ihres Vaters hält, getäuscht von einer bloßen Reflexion. Dort, im abgründigen, unrealisierten Potenzial der Welt, ist sie jetzt gefangen - getrennt vom Licht, der geistigen Verwirklichung der Gnosis - der Erkenntnis der transzendenten Einheit.
Dort fallen die Kräfte der Unterwelt über sie her. Sie benutzen, missbrauchen und beuten sie aus, bis alles, was sie kennt, Traurigkeit und Kämpfen ist, um zum verlorenen, aber nicht vergessenen Licht zurückzukehren. Sie gebiert einen Haufen böser Jungen, Halbgötter, die Archonten genannt werden, darunter den schlimmsten von allen,
Jaldabaoth, der zum Schöpfer dieser Welt wird und sie mit Stolz, Ignoranz, Angst und seiner Lust nach Macht und Vergnügen infiziert.
Aber Sophia erkennt, was sie angerichtet hat und wird von tiefer Reue erfasst. In der Reue findet sie ihre Kraft. „
Wasser findet seine größte Kraft, indem es seinen tiefsten Punkt sucht." [Zen-Spruch]. Sophia verehrt das Licht, das ihr die Kraft gibt, allein im
dreizehnten Äon auszuharren, voller Inbrunst und Leidenschaft. Die dreizehn
Reuegesänge der
Pistis Sophia gleichen einer Stufenleiter der Erkenntnis, wie man sie auf dem Einweihungsweg durchwandert.
Dreizehn Stufen müssen auch im Stupa Buddhas gegangen werden, dann erst ist Befreiung möglich. Als Sophia im dreizehnten Äon angekommen ist, und Jesus sie aus den Zugriffen der Widersacher errettet, gelangt sie aufgrund ihrer Treue zum Durchbruch und schüttelt ihre Peiniger ab.
Schließlich befreit sich Sophia und steigt wieder zum wahren Licht des Lebens auf, um die Menschheit mit ihr zu erheben. Aber sie weigert sich, die traurige Welt der Menschen aufzugeben, und so teilt sie sich und hält einen Teil (
Sophia Achamoth) unter sich, der immer für die Erleuchtung aller zur Verfügung steht.