Kvatar
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Fragen und Antworten zum Buddhismus
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Frage:
Liebe buddhistische Freundinnen und Freunde, ich habe Eure Homepage gefunden und habe mich auch schon der Meditation zugewandt und auch einige Dinge über den Buddhismus gelesen. Ich bin noch auf der Ebene wo ich mir einige Verständnisfragen stelle und es wäre schön, wenn ich von Euch einige klärende Gedanken erhalten könnte.
Meine Frage ist, ob es im Buddhismus überhaupt möglich ist, auf ein Leben nach dem Tod zu hoffen, wenn doch eigentlich die Seele verneint wird und von Existenzform zu Existenzform nur ein karmischer Impuls die nächste Existenz bestimmt oder beeinflußt. Ein tibetischer Meister, von dem ich ansatzweise einen Vortrag hörte, sprach davon, daß der Buddhismus den christlichen Seelenbegriff durch die ewige Buddha-Natur ersetze, im wesentlichen aber das gleiche meine.
Kann das sein, wo doch die Existenz der Seele so vehement bestritten wird? Ich bin hier in einer Begriffsverwirrung, so lese ich z. B. bei Jamgön Kongtrul Rinpoche:
Unser Geist ist jenseits materieller Definition und jenseits von irgendeiner zerstörbaren Qualität. Der physische Körper ist andererseits nur in der Lage zu funktionieren, wenn er mit dem Bewußtsein verbunden ist. Wenn sie sich trennen, zerfällt der Körper. Der physische Körper zerfällt, da er aus vielen Bestandteilen gemacht ist und von vielen Bedingungen abhängig ist. In Abwesenheit von Bewußtsein löst er sich auf. Andererseits ist das Bewußtsein nicht abhängig von der Ansammlung der Aggregate und zerfällt nicht, selbst wenn es den Körper verläßt. Darüber hinaus ist die Natur des Geistes Selbst-Gewahrsein. Dieser Klarheits- Sinn beruht nicht auf der Ansammlung von Bestandteilen.
Die eigentliche Bedeutung des Todes ist, daß beim Sterben der physische Körper - die Einheit von Blut und Fleisch und anderen Komponenten - zuerst verfällt und dann eine Trennung vom Bewußtsein stattfindet. Das Bewußtsein selbst erlebt keinen Tod. Unser Geist stirbt nicht, da er nie geboren wurde.
Alois Payer demgegenüber:
Wer tut Karma und wer erntet seine Früchte? Sie wissen, daß die Buddhisten die Existenz eines bleibenden Ich, einer Seele, verneinen. Folglich gibt es auch niemanden, der Karma tut und niemanden, der seine Früchte erntet. Die nur einen Augenblick existierende Bewußtseinskomponenten Wollen tut Karma, eine nur einen Augenblick existierende Bewußtseinskomponente wahrnehmende Empfindung erntet die Früchte des Karma. So gilt wirklich: ein anderer sät, ein anderer erntet.
Der Vorgang der Wiedergeburt ist keine Seelenwanderung. Es gibt kein Ich, keine Seele oder dergleichen das von einem Zustand zum anderen wandern könnte. Nein, Wiedergeburt ist ein reiner Bedingungszusammenhang bei dem ein früherer Zustand einen späteren bedingt ohne daß irgendein substanzielles Substrat bleiben würde.
Und bei Buddha schließlich "Nicht gibt es, Mönch, irgendeinen Körper der beständig ist, fest, dauerhaft,
nicht dem Gesetz des Vergehens unterworfen ist und sich ständig gleich bleiben wird. Noch gibt es, Mönch, irgendeine Empfindung, Wahrnehmung, irgendwelche Geistesregungen, irgendein Bewußtsein, das beständig, fest, dauerhaft, nicht dem Gesetz des Vergehens unterworfen ist und sich ständig gleich bleiben wird.
Und angesichts einer solchen Meinungsvielfalt frage ich mich dann natürlich, wie der Mahayana-Buddhismus zum Begriff des unzerstörbaren Geistes kommt, vor allem deshalb, weil Buddha selbst das Bewußtsein zu den fünf vergänglichen Skandhas rechnet.
Sollte schließlich das Nirvana, bzw. das Parinirvana nach dem Tod erreicht werden, gibt es dann auch nach dem Tode noch ein Bewußtsein? Spricht das nicht gegen das vollständige Erlöschen, vom dem Buddha spricht?
Ich wäre Euch für eine Antwort sehr dankbar und danke Euch bereits im voraus für Eure Mühe.
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Antwort:
Sie haben völlig recht, bei der Vielfalt an Meinungen die es heutzutage und schon seit Menschengedenken gibt, kann man schon zum (Ver-) Zweifeln kommen.
Im Brahmajála Sutta, das Priesternetz (Digha Nik.1) hat Buddha alle 62 möglichen Glaubensstandpunkte aufgezählt. Es gilt sie alle abzuschütteln.
Der Geist ist eine Energie, eine Lebensenergie, die Lebensenergie schlechthin (Anm. von mir: es ist nicht klug, so zu sprechen, denn es könnte der falsche Eindruck entstehen, dass Geist = Energie ist; besser wäre es, davon zu sprechen, dass weder Geist noch Energie, sondern einfach nur BEWUSSTSEIN gibt, welches niemals an einen lebenden oder toten Körper gebunden ist. Das Bewusstsein ist niemals an den Körper gebunden; vielmehr befindet sich der Körper stets im Bewusstsein, egal ob als funktionelle Anordnung (einem "lebendem" Wesen) oder als tote Materie (zB einem Stein), und das BEWUSSTSEIN bringt die Formen der Körper hervor.
Formt das BEWUSSTSEIN einen "lebenden" Körper, so entsteht in diesem ein eigenes Wahrnehmungszentrum (ein "ICH"), das durch die Sinneserfahrungen im und durch den Körper der Illusion erliegt, es sei von seiner Umwelt getrennt und von ihr wesentlich verschieden. Dieses "lebende" Wesen hat einen erschwerten Zugang zum BEWUSSTSEIN, da die Wahrnehmung von den starken Sinneswahrnehmungen des Körpers überlagert wird.
Die Kunst besteht darin, durch Meditation den Wahrnehmungskorridor durch das "Sinneswahrnehmungs-Wesen" (ICH) zu verlassen und stattdessen durch Achtsamkeitslenkung die Wahrnehmung auf das Nicht-ICH-gebundene BEWUSSTSEIN zu richten. In dem Moment, wo der Körper Einsicht in die unglaubliche Gegenwärtigkeit und Qualität des BEWUSSTSEINS und die wahre Natur der Dinge erlangt, sind die Illusionen von Geburt und Tod jenes ICHs augenblicklich überwunden. In der Gegenwärtigkeit der überragenden Qualität des (göttlichen) BEWUSSTSEINS verlieren Geburt und Tod jegliche Bedeutung und jeden Wert.)
Nach dem Gesetz der Wärmelehre, kann keine Energie verloren gehen. Nach dem Verfall des Körpers bleibt diese Energie übrig und führt bzw. bewirkt eine neue Geburt. Man kann aber jetzt nicht behaupten, dass der Geist ewig bestehe. Das geht deshalb nicht, weil man den geistigen Zustand "Nibbána" nicht erklären kann.
Die Lebensenergie wird erzeugt durch unser Karma, durch unser Tun und Wirken, durch unser Anhaften, unsere Gier, z.B. nach Leben (wer will schon sterben?). Durch all diese Dinge erzeugen wir Brennstoff oder Energie für zukünftige Leben.
(Anm.: Es ist nicht klug, so zu sprechen. Klüger wäre es zu sagen: solange wir begehren und hassen erzeugen wir in unserem Menschengeist Leid, Schmerz und Verzweiflung. In dem Moment, in dem wir begehren, werden wir als gieriges Wesen geboren; in dem Moment, in dem wir etwas ablehnen, werden wir als hassendes Wesen geboren. So ist unser Geist ständig im Ungleichgewicht; er ist niemals ruhig, sondern peitscht zwischen Hassen und Gieren hin und her. Der Begriff "Geburt" wird im Osten anders verstanden als bei uns, darum sollten wir vorsichtig sein, wenn wir die östlichen Texte übersetzen: "Geburt" bedeutet hier nämlich, dass mit jedem hassenden oder gierendem Gefühl ein Hasser oder Gierer geboren wird, der an seinem Hass und seiner Gier leidet. Nibbana bedeutet soviel wie "erkalten" oder "abkühlen". Verwirklichen wir Nibbana, so bringen wir den wütend hin-und-her peitschenden Geist zur Ruhe, und Gier und Hass schwelen nicht länger in unserem Geist.)
Hören wir auf, diesen Brennstoff zu erzeugen und machen wir unseren Geist durch Meditation gefügig, gelangen oder erreichen wir in einen geistigen Zustand, das Nibbána, und es kommt zu keiner neuen Geburt mehr.
Buddha und auch seine Anhänger sagen an vielen Stellen im Palikanon, dass man den Zustand "Nibbána" nicht erklären kann. Unsere fünf oder sechs Sinne sind nicht in der Lage diesen Zustand zu erfassen. (z.B. Samy.23.1) Buddha warnt auch, über diesen Zustand zu meditieren und zu versuchen mehr darüber herauszufinden. Er sagt, es führe nur zum Wahnsinn. (Siehe acinteyya)
Es ist besser sich aufzumachen um diesen Zustand zu erreichen.
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Viele Grüße,
KTG