Freilich gibt es da eine große Bandbreite von Anschauungen (!), wie es um die Zusammenhänge zwischen Denken - Ahnen - Glauben steht. In der Philosophie ist es ja schon seit jeher die Frage, ob es a) objektiv Wahres gibt und ob es b) möglich ist, dieses objektiv Wahre durch Wahr-Nehmung zu erfassen und in Sprache auszudrücken. Die Philosophen sind zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen, und auch heute gibt es in diesem Punkt keine Einigung.Es beginnt doch so vieles mit Ahnungen, die einem Rationalisten abwegig scheinen. Der Ahnende weiss, dass dieser Weg für ihn ein Weg ist, der ihm Kohärenz geben kann. Wirklichkeit ist sowieso zweiteilig:
Das was wir sehen und begreifen, und das was wir nicht begreifen.
Wer so tollkühn ist, gewisse Dinge, die nur ganz leicht wahrnehmbar sind, zuzulassen, wird natürlich in die Gefahr gehen, in die Phantasie zu kommen. Aber er kann auch zur Wahrheit gelangen. Vorher sieht das alles gleich aus, ohne Wagnis kein Risiko.
Ich halte mich da gern an die Thesen des Konstruktivismus, der es mir ermöglicht, gut zwischen Denken, Ahnen und Glauben zu navigieren. Zwei Sätze stehen dafür: "Alles, was gesagt wird, wird von einem Beobachter gesagt." (Humberto Maturana, "Der Baum der Erkenntnis"). Und Heinz von Foerster: "Alles, was gesagt wird, wird zu einem Beobachter gesagt." Wir kommunizieren also nicht über objektive Sachverhalte, sondern über Beobachtungen, über Wahrnehmungen in dem Sinn, dass wir Beobachtetes für wahr nehmen ... und Beobachtetes ist immer schon subjektiv Gefärbtes. Weiter in die Tiefe gedacht führt das zu Interdependenzen zwischen dem Beobachteten und dem Beobachter, Stichwort Heisenberg.
Nun gibt es auch für die Erstellung von Konstrukten Regeln, die mehrheitlich als Konvention anerkannt werden. Es ist zum Beispiel nützlich, sich an die mathematischen Konventionen der Multiplikationsregeln zu halten und davon auszugehen, dass 2 mal 2 gleich vier ist. Ich gehöre noch zu denen, die mit dem Rechenschieber zu arbeiten gelernt haben, und da konnte es schon mal geschehen, dass rein durch Anschauung 2 mal 2 als 3,98 abgelesen wurde. Dagegen ist wenig zu sagen, solange so ein Ergebnis einfach für sich bleibt. Wenn es hingegen zur Grundlage gemeinschaftlicher Kommunikation und gemeinsamen Handelns wird, dann kann so eine kleine Unschärfe - Stichwort Schmetterlingseffekt - schon ganz massive Folgen nach sich ziehen.
Ein Maßstab, der an Konstrukte angelegt werden kann, ist lt. Glasersfeld jener der Viabilität - die einzelnen Elemente des Konstrukts sollten schon so zusammenpassen, dass sie einigermaßen nachvollziehbar kombiniert werden können. "Rose minus Neurose ist gleich Eisbär" ist ein grammatikalisch korrektes Konstrukt, das aber kaum viabel erscheint. Wer da tiefer eindringen möchte, kann von Glasersfeld bis Derrida nachlesen.
Genau solche nicht viablen Kombinationen weist aber dieser Artikel, den Lilith da zu 2012 verlinkt hat, in Hülle und Fülle auf. Damit verliert das Konstrukt insgesamt schlicht an Plausibilität.
Das heißt nun überhaupt nicht, dass das Denken bzw. das Ableiten von Konstrukten aus Wahrnehmungen eine wesentlich höhere Priorität gegenüber dem Ahnen und Glauben haben müsste. Ich halte es nur für eine Frage der Redlichkeit, gegenüber Kommunikationspartnern keine Unklarheiten aufkommen zu lassen, wo ich Ergebnisse von Denkprozessen präsentiere, wo ich unreflektierte Wahrnehmung erzähle, wo ich Ahnungen schildere, wo ich an etwas glaube etc. ... das erleichtert die Kommunikation ungemein.
Was diese Annahme einer "Dimensionsveränderung" 2012 anlangt, wie sie in dem Böhe-Elaborat abgehandelt wird, fehlt mir jeglicher Ansatzpunkt, dem durch Denken irgendeine halbwegs schlüssige Konsistenz abzugewinnen. Das habe ich formuliert - mit Denken geht da nix. Mag ja auch an meinem Denken liegen. Aus einer denkerischen Metaposition heraus - wenn ich die dort formulierten Thesen nicht so nehme, wie sie dastehen, sondern als Ausdruck darunterliegender psychischer Bedürftigkeiten und Prozesse - dann ergeben sich ganz interessante Vermutungen, die ich hier aber lieber nicht formuliere.
Wenn jemand glaubt, dass es sich dabei um etwas wie Wahrheit oder Realität handelt, dann ist ihm das selbstverständlich zuzugestehen. Glauben ist eine zutiefst subjektive Erscheinung, die keiner Beweispflicht unterliegt.
Ich halte diese Unterscheidung auch für wesentlich zum +/- Thema dieses Threads ... ob Astrologie reine Glaubenssache ist oder sich auch einem denkenden Geist als sinnvoll und nützlich erschließen kann. Wenn ich diese Frage einfach in einem versumperten, verwaschenen begrifflichen Wirrwarr untergehen lasse, muss ich mich nicht wundern, wenn Astrologie jenseits der Glaubensbedürftigen so wenig Anklang und Austausch findet und wenn eine konstruktive Kommunikation über solche Fragen so unendlich schwierig erscheint. Schade.
Jake